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Inhalt

Danksagung

Ich danke Herrn Prof. Dr. Heese, Herrn Prof. Dr. Schmidt und Herrn Prof. Dr. Dr. Sulz für die Übertragung der Studie.

Prof.Dr. Carl Heese

Prof.Dr. Hans-Ludwig Schmidt

Prof.Dr. Dr.Serge K. D. Sulz

Herrn Prof. Dr. Dr. Sulz danke ich für den seit Jahren bestehenden fachlichen Austausch. Seine strukturierte, zielgerichtete und integrative diagnostisch-therapeutische Konzeptionierung spricht mir aus dem Herzen. Mit der Schulung integrativen Denkens hatte er gravierenden Einfluss auf die Förderung meines Verstehens von Psychologie.

Danke meinen Patienten, die sich mit Vertrauen öffneten, mich forderten und förderten, Psyche lesen zu lernen. Danke für Rückmeldungen, die gelindertes Leiden bezeugten.

Jede Technik offenbart die Psychologie seines Ingenieurs: „Citavi“erwies sich in der Literaturverwaltung als große Hilfe. Danke den Entwicklern des Computerprogramms und den bei Fragen stets kompetent und freundlich helfenden Mitarbeitern der Firma.

Danke meiner Familie, Freunden und Bekannten, die Verständnis und Unterstützung bei der Fertigung dieser Arbeit zeigten und mir im „wirklichen Leben“ entwicklungsförderliche Gegenüber waren.

Veit-Uwe Hoy

Zusammenfassung

Aufgabe der Studie war, das Modul „Entwicklung als Therapie“ aus der Strategisch-Behavioralen Therapie (SBT, Sulz) im Vergleich zur Verhaltenstherapie zu evaluieren.

Die Stichprobe (N = 53) wurde aus der eigenen Psychologischen Praxis mit Kassenzulassung „Verhaltenstherapie für Erwachsene“ rekrutiert, 26 Patienten zur Kontrollgruppe mit der Anwendung von Verhaltenstherapie (VT), 27 zur Experimentalgruppe mit der Anwendung von Entwicklungstherapie (ET) gehörend, 28 Patienten mit einer depressiven Störung (14 je Patientengruppe) und 25 mit einer Angststörung (12 für die VT, 13 für die ET).

Die Diagnostik zu den jeweiligen Messzeitpunkten erfolgte mittels Verhaltensdiagnostik-System (VDS)von Sulz.

Die Therapie als unabhängige Variable erfolgte bei den Patienten der Kontrollgruppe mit dem verhaltenstherapeutischen Methodenrepertoire, bei der Experimentalgruppe mittels SBT-Modul „Entwicklung als Therapie“ von Sulz basierend auf den Entwicklungstheorien Piagets und Kegans.

Die entwicklungstherapeutischen Ziele wurden konzipiert je nach entwicklungspsychologischer Eingangsdiagnostik:

Die Therapieergebnisse zu den abhängigen Variablen Symptomatik, Situation (S), Organismus (O), Reaktion (R) und Konsequenz (K) zeigten unter dem Faktor „Zeit“ sowohl unter verhaltenstherapeutischer wie entwicklungstherapeutischer Strategie mehrheitlich statistisch signifikante Effekte in Richtung der formulierten Ziele, unter dem Faktor „Zeit*Gruppe“ mehr unter entwicklungstherapeutischer als unter verhaltenstherapeutischer Strategie.

Aus den Ergebnissen leiten sich Implikationen für die Gesundheitspädagogik ab.

Auf der CD „Entwicklung als Therapie – Praesentation und Arbeitsblaetter zum gleichnamigen Buch“ findet sich

1 EINFÜHRUNG UND PROBLEMSTELLUNG

1.1 Problemstellung und Ziele des Forschungsprojektes

Mit dem vorliegenden Forschungsprojekt werden die folgenden Ziele fokussiert:

Psychotherapeutische Effizienz

Lässt sich Psychotherapie durch das Modul „Entwicklung als Therapie“ effizienter gestalten?

Während es Therapieansätze gibt, die die kognitiv-affektive Entwicklung in Diagnose und Therapie nicht bzw. nicht explizit berücksichtigen, nimmt gerade dieser Aspekt in der Strategisch-Behavioralen Therapie eine zentrale Position ein (Sulz & Höfling, 2010b, pp. IX–X). Sulz: „Psychotherapie hat eine viel mühsamere Aufgabe, wenn sie versucht, sich auf die Umkonditionierung von Verhaltensweisen zu verlassen und auf kognitiv-affektive Entwicklungsschritte zu verzichten“ (Sulz, 2007, p. 66).

Anwendungsfelder im klinischen Kontext

Die Anwendung entwicklungsspezifischer Diagnostik und Therapie bezog sich bislang lediglich auf chronisch depressive Störungen.

Es soll geprüft werden, ob eine Erweiterung der Entwicklungsdiagnostik und Entwicklungstherapie auf alle unipolar depressiven Störungen und Angststörungen vorgenommen werden kann, also auf alle Diagnosen der Gruppen F32, F33, F34 sowie auf F40 und F41 nach ICD-10 und ob grundsätzlich eine Generalisierbarkeit möglich scheint. Schweiger und Sipos sehen in der Situationsanalyse des Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) im Vergleich zum SORCK eine Limitation aufgrund der erhöhten Komplexität, bewerten den entwicklungstherapeutischen Ansatz „aber als wesentliche Erweiterung des Methodenrepertoires der modernen Verhaltenstherapie“ mit Aussicht auf Anwendung nicht nur auf chronische Depression (Schweiger & Sipos, 2009, p. 66).

Theoretisches Verständnis

Das theoretische Verständnis pathogenetisch und therapeutisch relevanter Faktoren soll erweitert werden zu den Fragen:

  1. Stellt der Entwicklungsstand eine pathogenetisch und therapeutisch relevante Orgnismus-Variable dar?
  2. Zur „Entwicklung als Therapie“ sollen die zentralen Charakteristika sowie alle relevanten Vernetzungen zu Nachbardisziplinen erfasst und in Ausgewogenheit zwischen Detailliertheit und Komprimiertheit übersichtlich geschildert werden.
  3. Die theoretische Fundierung der Entwicklungstherapie mit ihren vielfältigen Daten und ihrer Topographie soll als „Psychologie für´s Auge“ besser verstehbar gemacht werden mittels kontextuell-logischer Verknüpfungen, Tabellen und Abbildungen.
Außerklinische Relevanz

Welche Bedeutung lässt sich aus den Ergebnissen der Studie für außerklinische Anwendungsfelder, speziell der Gesundheitspädagogik, ableiten?

Aus der Beantwortung der vorgenannten Fragen wird sich ableiten, welche Bedeutung die „Entwicklung als Therapie“ im diagnostisch-therapeutischen Prozess und im außerklinischen Kontext einnehmen wird.

1.2 Hintergrund

Psychische Störungen haben einen hohen epidemischen Rang mit der Folge gravierender volkswirtschaftlicher Kosten. Es existiert eine Vielzahl therapeutischer Ansätze mit unterschiedlicher Wirksamkeit. Wissenschaftliche Disziplinen nutzen Synergieeffekte zu wenig. Die Fakten im Einzelnen:

Epidemiologie von Depression und Angst

Psychische und psychosomatische Störungen gelten als epidemiologisch und ökonomisch relevante Krankheitsgruppe. In Allgemeinarztpraxen haben circa 33% der Patienten psychische Erkrankungen (Zintl-Wiegand, Schmidt-Maushart, Leisner, & Cooper, 1978, p. 125). Die relative Häufigkeit psychischer Störungen in hausärztlichen Praxen zeigt Abbildung 1.

Abbildung 1 „Psychische Erkrankungen in hausärztlichen Praxen“; mit frdl. Genehmigung aus Wunn, BASICS Psychiatrie, S. 7, 1. Aufl. 2006 ©Elsevir GmbH, Urban & Fischer, München

„In Stadt- wie Land-Praxen […] leiden 21% bis 33% der Patienten an psychischen oder psychosomatischen Erkrankungen“;in der Großstadt ist mit 26% die Prävalenz etwa doppelt so hoch wie mit 11% auf dem Land (Meyer & Richter, 1991, pp. 28–29).

Depressive Störungen

In Anbetracht der starken Verbreitung depressiver Störungen wird von einer „Volkskrankheit“ gesprochen; die epidemiologische Situation ist seit Jahrzehnten zum einen durch eine Zunahme von Erkrankten gekennzeichnet, zum anderen durch eine Zunahme unter jüngeren Altersgruppen. „Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation werden Depressionen bis zum Jahr 2020 die Krankheit sein, die neben den Herz-Kreislauf-Erkrankungen die meisten gesunden und unbeeinträchtigten Lebensjahre rauben werden“ (Hautzinger, 2010, p. 10).

Wittchen und Jacobi betonen mit Verweis auf das „Global Burden of Disease Project“ der Weltgesundheitsorganisation, dass die unipolare Major Depression in Europa den ersten Rang unter den „110 beurteilten wichtigsten Ursachen für krankheitsbedingte Einschränkungen – gemessen in ‚verlorenen Lebensjahren‘ (‚disability adjusted life years‘; DALY)“ einnimmt (Wittchen & Hoyer, 2006, p. 54).

Unipolar depressive Störungen gelten neben den Angststörungen als die häufigsten psychischen Störungen. Jedes Jahr entwickeln mindestens hundert Millionen Menschen eine behandlungsbedürftige Depression, welche ein bedeutsames Gesundheitsproblem darstellt; trotzdem werden sie in der Praxis häufig fehldiagnostiziert sowie unter- und fehlbehandelt (Schramm, 2010, p. 12). Auch andere Autoren berichten von einer Zunahme depressiver Störungen und einer Verlagerung auf jüngere Altersgruppen.

Depressionen gelten als Störung, die in allen Lebensaltern auftreten können. Der Ersterkrankungsgipfel hat sich vom vierten Lebensjahrzehnt auf das dritte Lebensjahrzehnt vorverlagert. Unter Berücksichtigung sozioökonomischer Parameter zeigt sich, dass getrennt lebende und geschiedene Personen sowie Personen, denen eine vertraute Person fehlt, eher erkranken. „Personen mit positiven Sozialbeziehungen, Personen mit höherer Bildung und beruflicher (sicherer) Anstellung sowie mit einem Wohn- und Lebensraum in eher ländlichkleinstädtischer Umgebung haben die niedrigsten Depressionsraten“ (Jong-Meyer de, Hautzinger, Kühner, & Schramm, 2007, p. 21).

Hautzinger kommt zu ähnlichen Ergebnissen indem der die Wahrscheinlichkeit, an einer Depression zu erkranken, bei einem Lebenszeitrisiko von 12-16% für Männer und 20-26% für Frauen als hoch einschätzt. Auch er berichtet eine deutliche Zunahme depressiver Erkrankungen mit einem gesteigerten Erkrankungsrisiko jüngerer Jahrgänge (Hautzinger, 2009, p. 126).

Weltweit wird eine Zunahme von Depressionen verzeichnet. Prognostisch wird davon ausgegangen, dass sich Depressionen bis circa 2025 neben den Herz-Kreislauf-Krankheiten zum größten Leiden entwickelt und den höchsten Kostenfaktor darstellt (Jong-Meyer de et al., 2007, p. 12).

Die Forderung nach einer effektiven Behandlung chronisch depressiver Störungen resultiert aus dem hohen Leidensdruck und der psychosozialen Beeinträchtigung der Betroffenen sowie der hohen Kosten für das Gesundheitssystem (Petermann & Rief, 2009, pp.233–234).

Angststörungen

Soziale Phobien gelten als dritthäufigste psychische Störung und als häufigste Angststörung (Stangier, Heidenreich, & Peitz, 2009).Dies berichtet auch Bohn, der überdies auf die erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität hinweist (Bohn & Stangier, 2009, p. 149).

Die Lebenszeitprävalenz für die Panikstörung schwankt zwischen 0,5% und 4,7% (Median 2,1%), für die Agoraphobie sogar zwischen 0,9% und 7,8% (Median 2,3%; Michael et al. 2007) (Margraf & Schneider, 2009, p. 10).

Nach Reinecker gelten Agoraphobien als „die bei weitem häufigste“ phobische Störung (Reinecker, 1993, pp. 15–17).

Hautzinger nennt die Generalisierte Angststörung als „die häufigste Angststörung in der Primärversorgung“ (Hautzinger, 2011, pp. 49–64).

Auch Spezifische Phobien gehören zu den am häufigsten vorkommenden Angststörungen (Wade, 2010).

Persönlichkeitsstörungen

Von einer Persönlichkeitsstörung sind einer repräsentativen Stichproben zufolge 10% der Erwachsenen betroffen; aus der Gruppe allgemeinärztlicher Patienten sind es 25% und bei psychiatrischen Patienten 40%, in 70-100% der Fälle begleitet von einer weiteren Persönlichkeitsstörung (Asendorpf, 2009, p. 61).

Ziel therapeutischen Handelns

Aus den epidemiologischen Daten leitet sich entsprechender Handlungsbedarf ab (Grawe, 2001, p. 12).

Die zentrale Frage ist, wie psychisches Leiden am effizientestes vermindert werden kann. Therapie (therapeuein, griech.: pflegen) meint die Gesamtheit von verfügbaren Behandlungsmaßnahmen. Diese haben seit Jahren in rasantem Maße zugenommen und sind kaum noch überschaubar. Zum einen hat sich zwischenzeitlich innerhalb der Therapieschulen vieles weiterentwickelt; überdies gibt es eine Annäherung der Therapieschulen, beispielhaft sei hier genannt das integrative Lehrbuch für Psychoanalyse und Verhaltenstherapie von Senf und Broda. Bei allen denkbaren Interventionen dürfte von Seiten des Kostenträgers die entscheidende Frage die der nachhaltigen Symptomminimierung sein; sie ist darüber hinaus bedeutsam unter psychohygienischem Aspekt für den Behandler wie auch von wissenschaftlichem Interesse. Unter der Überschrift des Moduls „Entwicklung als Therapie“ ist das Instrument unmissverständlich genannt; Ziel besteht im Erreichen eines höheren Entwicklungsniveaus als strukturelle Änderung des Denkens sowie der emotionalen und Beziehungsregulation mit dem Effekt einer Symptomminimierung.

Definitorische Aspekte

Strotzka definiert Psychotherapie als einen bewussten und geplanten interaktionellen „Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen […] in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel“. Er grenzte Methoden zur lediglichen Symptombesserung ab von denjenigen, die auf eine Strukturveränderung der Persönlichkeit abzielen (Strotzka, 1975, pp. 4–5).

Abbildung 2 Der psychotherapeutische Prozeß (Hoy, 2012) in Anlehnung an Strotzkas Definition von Psychotherapie (1975)

Grawe definiert Psychotherapie als Anwendung psychologischer Beeinflussungsmethoden, deren fachgerechte Anwendung eine möglichst gute Kenntnis des normalen und störungsspezifischen psychischen Funktionierens erfordert (Grawe, 2001, p. 17).

Für das von Grawe entwickelte Konzept der Allgemeinen Psychotherapie sollten der Klärungs- und Bewältigungsaspekt sowohl auf theoretischer wie auf technischer Ebene miteinander verknüpft werden. In dieser theoretischen Konzeptionierung sollten motivationale und Fähigkeitsaspekte miteinander verschmolzen werden. Zur Erarbeitung eines individuellen Fallverständnisses wird auf die von Caspar entwickelte Plananalyse verwiesen. Grawe sieht in dem Konstrukt des Planes eine gute Anwendbarkeit zur Erklärung des Verhaltens eines Individuums, nicht aber für deren Veränderung. In dem Konstrukt des Schemas als grundlegende Organisationseinheit psychischer Prozesse sind die Vorteile des Plan-Konstrukts verknüpft mit der Möglichkeit, die Veränderung von Individuen zu erklären. Schemata bestimmen die Auswahl der Wahrnehmungen eines Menschen und die Organisation derselben. Dem dialektischen Prozess von Assimilation und Akkommodation unterliegend werden sie grundsätzlich als in Entwicklung befindlich begriffen. Am Beispiel des geflügelten Wortes „jemand macht sich etwas vor“ wird der Deutungsanteil der gerade aktiven Schemata deutlich. Ziel therapeutischen Handelns wird unter anderem darin gesehen, eine Desillusionierung im Sinne von „sich nichts mehr vormachen“ gesehen. Dies bedeutet für den therapeutischen Prozess, dass sich der Patient ein zutreffendes Bewusstsein von seinen wichtigsten Schemata erarbeitet (Grawe, 2001, pp. 755–761).

Linden definiert Psychotherapie als das Handeln eines Therapeuten in Abgrenzung zu seinen Intentionen und dem Handeln eines Patienten. In der Erfassung therapeutischer Kompetenzen muss folglich das Therapeutenverhalten anhand definierter Standards fokussiert werden, wie sie z. Bsp. die Verhaltentherapie-Kompetenz-Checkliste (VTKC) definiert (Linden & Langhoff, 2010, p. 483).

Aus all diesen Darstellungen wird deutlich, dass wir es im therapeutischen Prozess mit einer problematischen Ausgangssituation zu tun haben, die verändert werden soll. In der logischen Fortsetzung dessen stellt sich die Frage, wie dies am besten geschehen kann. Abbildung 2 illustriert den psychotherapeutischen Prozeß.

Wirksamkeit

„Die Frage nach der spezifischen Wirksamkeit von Psychotherapie“ beschreibt Buchkremer als „äußerst komplex und wie viele ‚einfache Fragen‘ schwer zu beantworten“; sie ist abhängig von der Patient-Therapeut-Interaktion und der emotionalen Tragfähigkeit sowie der Behandlungsbedürftigkeit, der therapeutische Methode, den Therapiezielen und der Art der psychischen Störung (Buchkremer & Batra, 2006, pp. 3–4).

Therapeutische Schwerpunkte

In Anbetracht der Komplexität psychischen Funktionierens gilt es für den diagnostischen und therapeutischen Prozess „Einstellungen, Werthaltungen, Motivationen, Wissen, Fähigkeiten, Gewohnheiten, emotionale Reaktionsmuster“ eines Menschen zu berücksichtigen. Zentrale Bedeutung haben die Fragen nach der Veränderung dieser Parameter unter dem Einfluss von Stressoren und deren therapeutischer Beeinflussbarkeit (Grawe, 2001, pp. 17–18).

McCullough: „CBASP unterscheidet sich durch acht besondere Merkmale von anderen Formen der Psychotherapie:

  1. CBASP ist das einzige Psychotherapieprogramm, das spezifisch für die Behandlung chronischer Depressionen entwickelt wurde.
  2. Zum Stillstand gekommene Entwicklungsprozesse werden als ätiologische Basis für chronische Depression angesehen.
  3. CBASP konzeptualisiert Depression und ihre Veränderung in Form einer „Person x Umwelt“-Perspektive; diese vermittelt den Patienten die Fähigkeit, ihre Wirkung auf die Umwelt (stimulus value) innerhalb ihres Lebenszusammenhangs zu berücksichtigen.
  4. Ein Behandlungsziel ist die Förderung der Fähigkeit, Probleme in sozialen Beziehungen (im Sinne Piagets) formal operatorisch zu lösen, ein zweites, sich in sozialen Beziehungen empathisch aufgeschlossen zu verhalten.
  5. Therapeuten werden ermutigt, sich kontrolliert persönlich einzulassen (disciplined personal involvement), um das Verhalten der Patienten zu modifizieren.
  6. Die wichtigen Themen in der Übertragung werden bei den Patienten mithilfe einer Technik zur Generierung von Übertragungshypothesen konzeptualisiert (Liste prägender Bezugspersonen) und während des Therapieprozesses aktiv infrage gestellt.
  7. Situationsanalysen werden zur Intensivierung der Psychopathologie des Patienten in der Therapiesitzung eingesetzt.
  8. Negative Verstärkung wird als wesentliche Motivationsstrategie in der Verhaltensmodifikation genutzt“ (McCullough, 2006, p. 12).

„Aufgabe des Psychotherapeuten, dem Patienten den ‚Wenn dies, dann das‘ -Zusammenhang deutlich vor Augen zu führen. In Carols Fall half ihr der Therapeut nachzuvollziehen, was zu diesem Gefühl der Erleichterung geführt hatte. Auf diese Art und Weise wird der Augenblick der negativen Verstärkung noch einmal deutlich nachempfunden. [… ] Ich nenne diese Beispiele aus der konkreten Therapie / ‚Erleichterungsmomente‘, d.h. die beobachtbare Abnahme des Unwohlseins, die aus einem inneren oder äußeren Verhalten des Patienten resultiert. Solche Ereignisse mit dem Potenzial zur negativen Verstärkung zeigen, dass der Patient dabei ist, ein Verhalten zu entwickeln, das zur Gesundung führt. Wenn der Patient selbst nicht in der Lage ist, die Kontingenzen zu erkennen, die zu der erlebten Erleichterung geführt haben, muss der Therapeut innehalten und untersuchen, was zur Beendigung des Leidens geführt hat. Dem Patienten zu helfen, sich auf vorangegangenes Verhalten zu konzentrieren, das zu dem Moment der Erleichterung geführt hat, ist ein guter Ausgangspunkt“ (McCullough, 2006, p. 77).

Die Interpersonelle Therapie (IPT) legt mit der Zielsetzung einer Symptomminimierung den Fokus der Intervention auf die Bewältigung der interpersonellen Schwierigkeiten, die dem Patienten bessere Bewältigungsstrategien für Konflikte mit seinen Bezugspersonen ermöglichen soll (Schramm, 2010, pp. 315–316).

Bartling betont die Diagnose der Problemlösungskompetenzen des Patienten und deren Verbesserung durch gezieltes Training. Dabei soll der Therapeut seinem Patienten bei der Identifizierung und Benennung der verschiedenen Problembereiche und deren Abgrenzung voneinander helfen. Weitere Aufgabe besteht darin, entsprechende Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Problembereichen zu erarbeiten, einen ersten Ansatz für die Problembearbeitung zu finden und Ressourcen des Patienten zu eruieren (Bartling, Echelmeyer, & Engberding, 2008, pp. 20–36).

Kann eine Situation mit den vorhandenen Schemata nicht erfasst oder bewältigt werden, besteht ein kognitiver Konflikt. Kognitive Konflikte stellen ein zentrales Phänomen dar sowohl für die Entstehung psychischer Störungen wie auch für deren Bewältigung und die Motivation des Patienten. Menschen tendieren dahin, die nicht zu ihren Schemata passenden Befunde zu ignorieren. Ein Ziel therapeutischen Agierens besteht darin, die vorhandenen Konflikte wahrzunehmen sowie Neugier und Motivation zu generieren. Dies ist nur möglich, wenn die „Diskrepanzen nicht zu groß sind, also noch gerade in die Zone der Assimilierbarkeit fallen“ (Scharlau, 2007, p. 150).

Filipp sieht die Gemeinsamkeit kritischer Lebensereignisse darin, dass Gewohntes und Geordnetes unterbrochen wird. Die Auseinandersetzung mit dem gestörten Passungsgefügte sieht sie als Chance für einen Entwicklungsschritt (Filipp, 2010, pp. 11–20).

Eine bloße Symptomreduktion ist für die soziale Reintegration eines Patienten nicht ausreichend; diese Erkenntnis führte zu dem Ansatz, „gleichzeitig klassische Symptome und den Mangel eines effizienten Verhaltensrepertoires zu beseitigen“, woraus das Assertiveness-Training-Programms (ATP) entwickelt wurde. Das Erlernen effizienter sozialer Verhaltensweisen mit der daraus resultierenden Kontrolle auf Sitmuli und Verstärker wird im Vergleich zum bloßen Symptomreduktion als erfolgversprechender bewertet (Ullrich & Muynck, 1998, pp. 14–15). Zentrales Ziel des Assertiveness Training Programme (ATP) besteht in der Entwicklung der Fähigkeit, sich Ansprüche zu erlauben, zu äußern und durchzusetzen und steht somit unter der Überschrift der Verbesserung von Selbst- und Weltsicht, Bedürfniswahrnehmung und Eindeutigkeit im Äußern von Bedürfnissen (Ullrich & Ullrich Muynck, 1998, p.200). Ohne dass hier von Entwicklungstherapie und Entwicklungsniveaus gesprochen wird, entspricht dies genau der auf souveräner Stufe vorhandenen Fähigkeit.

In dem Bestreben um Strukturierung psychotherapeutischer Interventionen wurde 1980 ein allgemeines Konzept zu Problemanalyse und Therapieplanung als Leitfaden vorgestellt und durch einige Faktoren erweitert, u. a. durch ein erweitertes Verständnis der Problemgenese und eine explizite Einbeziehung der Therapeut-Patient-Beziehung (Bartling et al., 2008, pp. 10–11). Das Verständnis des Therapieprozesses als Problemlöseprozess basiert auf der Grundannahme, dass sich ein Mensch in einem unerwünschten Zustand befindet und nicht über Mittel zur Annäherung oder Erreichung eines gewünschten Zielzustand verfügt (Bartling et al., 2008, pp. 13–14). Bartling betont in ihrer „Problemanalyse im psychotherapeutischen Prozess“ die Beachtung der Aspekte der

„Welche Beschwerden der Person letztlich als Problem und damit für eine Veränderung relevant anzusehen sind, ergibt sich aus einem kontinuierlichen Selektions-und Entscheidungsprozess“ (Reinecker & Gmelch, 2009).

Die Analyse und Korrektur negativer automatischer Kognitionen und Grundüberzeugungen haben entscheidende Bedeutung für den Therapieerfolg; deshalb sind sie zentraler Bestandteil der Kognitiven Verhaltenstherapie (Pössel & Hautzinger, 2009, p. 430).

Der Münsteraner Leitfaden stellt ein pragmatisches Prozessmodell des Problemlösens dar; es besteht aus den Komponenten (1) Problemstellung, (2) Problemanalyse, (3) Zielanalyse, (4) Mittelanalyse und (5) Erprobung und Bewertung von Veränderungsschritten (Bartling & Engberding, 2009, p. 35).

Im Aufbau von Selbstmanagement und Selbstkontrolle sind im therapeutischen Änderungsprozess Grundregeln zu beachten, welche sich in bestimmten Aspekten des Denkens auszeichnen. Das Denken sollte sein verhaltensorientiert, lösungsorientiert, positiv, in kleinen Schritten, flexibel und zukunftsorientiert (Kanfer, Reinecker, & Schmelzer, 2006, pp. 327–334). Kanfer schlägt ein Modell mit sieben Phasen des diagnostischentherapeutischen Prozesses vor, dessen Funktion in einem Selektieren und Strukturieren der komplexen Informationen besteht, um die relevanten therapeutischen Aufgaben bewältigen zu können (Kanfer et al., 2006, pp. 109–323).

„Die multimodale Diagnostik ist seit Jahren eines der zentralen Themen der Klinischen Diagnostik in Praxis und Forschung. […] An Beispielen aus unterschiedlichen Bereichen - u. a. Depression […] - und aus Methodenstudien konnte gezeigt werden, dass Selbst- und Fremdbeurteilung unterschiedliche und nicht ersetzbare Perspektiven zur Abbildung von psychischen Phänomenen darstellen. […] Im Beitrag von Wilhelm und Perrez (2008) wird der immer noch vernachlässigte bzw. kaum genutzte Ansatz des Ambulanten Assessments dargestellt. Es umfasst Verfahren, die das Erleben und Verhalten von Personen im natürlichen Umfeld erfassen“ (Baumann & Stieglitz, 2008a, p. 167).

Mit den von Wilken vorgestellten „Methoden der kognitiven Umstrukturierung“ wird im Umgang mit dysfunktionalen Wahrnehmungen die Realitätsprüfung, das Reattribuieren als Suche nach anderen Erklärungen sowie die „Suche nach Alternativen bei der Betrachtung von Problemen“ beschrieben (Wilken, 2010).

All die geschilderten Aspekte diagnostisch-therapeutischen Handelns zeigen die Komplexität auf, die sich unter dem Ziel der Symptomminimierung und der dazu nötigen Änderungen auffächern.

Sulz: „Klinisch spricht für eine Kurzzeittherapie das Fehlen einer Persönlichkeitsstörung, eher massive situative Auslöser der Erkrankung und Einfachdiagnosen. Hilfreich scheint einerseits die Unterscheidung zwischen gelerntem und regelgeleitetem Verhalten und andererseits zwischen erforderlicher Entwicklung und erforderlichem Lernen zu sein“ (Sulz, 1997, p. 16).

Zur Frage der Effektivitätserhöhung von Psychotherapie führen Schmauss et al. aus: „Denkbar wäre z. B., dass Patienten mit frühkindlichen Traumata und komorbiden Persönlichkeitsstörungen besonders von CBASP profitieren, während Patienten mit vorwiegend interpersonellen Problemen durch eine IPT und Patienten mit schwerwiegenden aktuellen Problemen sowie dysfunktionalen Kognitionen durch eine KVT den größten Nutzen ziehen könnten“ (Schmauss & Messer, 2010, p. 50).

Will betont die Variable der psychotherapeutischen Kompetenzen, der in engem Zusammenhang mit der Persönlichkeit des Behandlers gesehen wird (Will, 2010, pp. 44–45).

Levenson sieht den „Hauptfaktor, der eine psychodynamische Kurzzeit-von einer psychodynamischen Langzeitpsychotherapie unterscheidet“ in dem umschriebenen Fokus (Levenson, 2011, pp.13–14).

Fehm stellte sich der Frage, ob „der Einsatz von Hausaufgaben zu besseren Therapieergebnissen“ führt. Die Ergebnisse „keineswegs immer aussagekräftig und widersprachen sich häufig“ (Fehm, 2008, pp. 24–26).

Nutzen und Effizienz therapeutischer Maßnahmen
Nutzen

Ohne Psychotherapie erfahren 30,5% der Patienten eine Symptomreduktion, mit Psychotherapie sind es 70%; dies bedeutet für 40% von Patienten einen bedeutsamen Unterschied und zeugt absolut wie auch verglichen mit anderen Behandlungsformen von einem großen Behandlungseffekt (Grawe, 2001, p.677).

Auch Hautzinger beschreibt die Verhaltenstherapie als eines der einflussreichsten Therapieverfahren zur Behandlung psychischer Störungen. Begründet ist diese Vorreiterstellung durch die Verankerung in den Theorien und Methoden der Psychologie und der stetigen Prüfung an (natur-)wissenschaftlich experimentellen Kriterien sowie der kontrollierten empirischen Evaluation (Hautzinger, 2011, pp. 15–16).

Grawe betont mit der Reduktion menschlichen Leidens durch Psychotherapie den Nutzen für den Einzelnen wie auch die Gesellschaft. „Für den größten Teil der Menschen, die von psychogenen Störungen betroffen werden, ist es schlichtweg unnötig, dass sie über längere Zeit unter diesen Störungen leiden. Sie könnten, wenn sie rechtzeitig die richtige Behandlung erhielten, in relativ kurzer Zeit und mit begrenztem Aufwand wirksam von diesen Störungen befreit oder diese doch wenigstens erheblich gebessert“ bekommen (Grawe, 2001, p. 674).

Auch Watzlawiks „Kurzzeittherapie und Wirklichkeit“ zeigt therapeutische Ansätze zur Minimierung psychischer Störungen (Watzlawick, 2012).

Historisches und Vielfalt

Zur Geschichte der Psychotherapie führt Buchkremer aus: „Historisch gesehen gab es bis in die 50er-Jahre wenige, klar umschriebene Therapieschulen. Danach kam es zu einer Inflation von Therapieverfahren. In den 60er-Jahren konnte man schon 60 voneinander unterscheidbare Therapieformen trennen. In den 80er-Jahren waren es 250 Therapiearten und zu Beginn der 90er-Jahre ca. 350 - 450 Psychotherapieformen. Der Trend zur Kreation immer neuer Psychotherapieformen, -varianten und deren Kombinationen hält bis heute ungebrochen an“ (Buchkremer & Batra, 2006, p. 3).

Zu McCulloughs 2006 erschienen Buch „Psychotherapie der chronischen Depression“ stellen und beantworten Hohagen und Berger die Frage: „Ist es bei bereits über 400 existierenden Psychotherapieansätzen nötig, noch ein weiteres Verfahren hinzuzufügen? Im Falle des ‚Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy‘ (CBASP) kann man diese Frage mit einem klaren ‚ja‘ beantworten. Es handelt sich nicht um eine aufgrund einer Theorie mehr oder weniger willkürlich hinzugefügte, allgemein anzuwendende Therapieform, sondern um ein in jahrelanger Entwicklungsarbeit abgeleitetes störungsspezifisches und evidenzbasiertes Behandlungsverfahren“ (McCullough, 2006, p. V).

Effizienz

Buchkremer et al.: „Nach etwa 15 Sitzungen wird das Maximum der Effektivität erreicht, nach ca. 40 Sitzungen wird der zusätzliche Erfolg der Psychotherapie sogar zunehmend geringer (Grawe et al. 1994)“ (Buchkremer & Batra, 2000, p.5). Abbildung 3 illustriert den Verlauf der Effektivität in Abhängigkeit der Anzahl von Therapiestunden.

Abbildung 3 Effektivität von Psychotherapie in Abhängigkeit der Anzahl von Therapiestunden; in Anlehnung an Buchkremer, Batra „Was wirkt in der Psychotherapie?“ in Batra et al. „Verhaltenstherapie“, p. 5, 1. Aufl. 2000 © Thieme, Stuttgart; modifiziert von Hoy, 2013

Bartling veranschlagt für die therapeutische Arbeit zunächst 25 bis 30 Sitzungen, innerhalb derer abgegrenzte psychische Störungen oder wenig ausgewählte Problembereiche therapeutisch bearbeitet werden können. Voraussetzung dafür ist ein stringentes, systematisches und zielorientiertes therapeutisches Handeln mit Konzentration auf das Wesentliche und Machbare (Bartling et al., 2008, p. 22).

Die mit Psychotherapie erreichbaren Wirkungen können „in der Regel innerhalb eines Jahres mit einem durchschnittlichen Aufwand von nicht mehr als vierzig bis fünfzig Therapiesitzungen erreicht“ werden. „Therapeuten, deren Therapien in der Regel länger dauern, arbeiten ineffektiv“ (Grawe, 2001, pp. 696–698).

Das Ergebnis aus 487 Vergleichen zwischen psychoanalytischer und Verhaltenstherapie zeigt eine signifikant höhere Wirksamkeit von Verhaltenstherapie (Grawe, 2001, p. 662).

In der Behandlung depressiver Störungen erreichte die Kognitive Verhaltenstherapie aus allen Psychotherapien wiederholt die beste Einstufung als „wirksam und spezifisch“ (Jong-Meyer de et al., 2007, p. 44).

Aus einer Schulen übergreifenden Untersuchung des Therapieerfolgs in Abhängigkeit vom Therapeuten ergab sich eine Normalverteilung mit 80% durchschnittlichen Erfolgen (Lambert, 2010, p. 42).

Mit kognitiver Verhaltenstherapie werden bei 80% der Patienten mit Panikstörung und Agoraphobie stabile Erfolge erzielt; sie gilt somit als Methode der Wahl (Bentz, 2010, p. 130).

„Die Interpersonelle Psychotherapie wurde vor über 20 Jahren in den Vereinigten Staaten von Myrna Weissman und Gerald Klerman entwickelt. Ziel war ein Psychotherapieverfahren, das sich bezüglich seiner Effizienz wissenschaftlich im Vergleich mit psychopharmakologischen Verfahren testen ließ“ (Schramm, 2010, p. VII).

Aus 723 Einzelvergleichen zwischen Gesprächspsychotherapie und Verhaltenstherapie ergab sich eine signifikant höhere Wirksamkeit der Verhaltenstherapie (Grawe, 2001, pp. 662–668).

Kognitiv-behaviorale Therapie erweist sich im Vergleich zu psychoanalytische Therapie und Gesprächspsychotherapie als hochsignifikant wirksamer (Grawe, 2001, p. 670).

Bär et al. zeigten, dass Kognitive Verhaltenstherapie bei einer generalisierten Angststörung „signifikante und klinisch relevante therapeutische Wirkungen hat“ (Bär, Thomas et al., 2007, p. 460).

„Die Forschung zu Unterschieden zwischen Therapieansätzen ergibt ein gemischtes Bild: Im Durchschnitt scheinen verschiedene Therapieformen häufig in den vorhandenen empirischen Untersuchungen gleich wirksam zu sein, doch profitieren manche Patientinnen unter manchen Umständen von bestimmten Interventionen mehr“ (Lutz & Bittermann, 2010, p. 80).

Kosten

Die Nicht-Nutzung von Psychotherapie verursacht größere Kosten als deren Nutzung (Grawe, 2001, p. 681).

Margraf führt in „Kosten und Nutzen der Psychotherapie“ aus, dass psychische Störungen statt „früh, ambulant und kostengünstig […] spät, stationär und teuer behandelt“ werden. Dabei zeichnet sich die VT für die wichtigsten psychischen Diagnosen durch ihre gute Wirksamkeit aus. In Zusammenfassender Auswertung verschiedener Studien bilanziert er „eine bedeutsame Kostenreduktion durch Psychotherapie“ für das Gesundheitswesen (Margraf, 2009, pp. 1–147).

Grawe verweist auf die nach erfolgter Psychotherapie verminderte Inanspruchnahme medizinischer Dienstleistungen und die dadurch eingesparten Kosten, welche die Kosten der Psychotherapie bei weitem aufwiegen (Grawe, 2001, p.13).

Buchkremer verweist auf eine Studie von Dührsen, nach der bei 84,5% der 1,004 untersuchten Patienten fünf Jahre nach Beendigung einer Psychotherapie „eine gute Besserung“ festgestellt wurde (Buchkremer & Batra, 2006, p. 5). Wie gut auch immer die Besserung gewesen sein mag, immerhin gibt sie Auskunft über die subjektiv erlebte Minimierung von Leiden und daraus resultierend vermutlich auch zu einer geringeren Inanspruchnahme psychologisch-medizinischer Versorgung.

Integration therapeutischer Ansätze

In einer Untersuchung „Zum Stand der Integration in der Psychotherapie“ wurde deutlich, dass die meisten Therapeuten verschiedene methodische Zugänge miteinander verknüpfen und nur die wenigsten Schulen rein arbeiten (Borcsa et al., 2010, p. 3).

Bronisch bilanziert, dass die vielfältigen Behandlungsansätze unter den Therpieschulen ungenügend ausgetauscht werden (Bronisch, 1996, p. 3).

„Depressive Störungen gehören zu den häufigsten Beratungsanlässen und Erkrankungen in der Versorgung. Trotz ihrer guten Behandelbarkeit und Fortschritten in den vergangenen Jahren besteht weiterhin Optimierungsbedarf in Diagnostik und Therapie“ (Klesse et al., 2010, p. 247).

Zur Kognitiven Verhaltenstherapie bei Depression zieht Hautzinger den Schluss, dass sich die Schwerpunktsetzung auf Verhalten und Kognition „in ihrer kombinierten Anwendung als wirkungsvoller und der klinischen Praxis angemessener“ erweisen (Hautzinger, 2003, p. 25).

Als Voraussetzung für eine effiziente Psychotherapie sieht Grawe die Notwendigkeit einer inhaltlichen „Planung, Strukturierung und bewusst“reflektierter „Vorgehensweise der diagnostischen und therapeutischen Interventionen“. Mit den vorhandenen psychotherapeutischen Methoden können alle wichtigen psychischen Störungen nachweislich wirksam behandelt werden (Grawe, 2001, p. 673). Grawe führt aus, dass eine spezielle Therapiemethode „nicht für alle Patienten gleich gut geeignet“ (Grawe, 2001, pp.725–726). In den Schlußfolgerungen aus der Untersuchung zahlreicher Therapiemethoden zieht Grawe bezüglich ihrer Wirksamkeit den Schluss, dass „für so verschiedene Vorgehensweisen mit so unterschiedlichen theoretischen Begründungen signifikante Wirkungen festgestellt worden, dass wir die Wirksamkeit einer Therapiemethode nicht als Beleg für die Richtigkeit der ihr zugrunde gelegten Wirkvorstellungen nehmen können. […]; eine offensichtliche Gemeinsamkeit vieler besonders wirksamer therapeutischer Vorgehensweisen scheint uns darin zu liegen, dass sie dem Patienten ganz direkt bei der Bewältigung eines ihn drückenden Problems zu helfen versuchen mit Maßnahmen, die spezifisch auf dieses Problem zugeschnitten sind“. Fachgerecht angeleitete Therapiemaßnahmen, die dem Patienten die „reale Erfahrung machen“ lassen, „dass er […] mit dem jeweiligen Problem“ besser fertig wird, führen zum Aufbau einer Kompetenzerwartung, die für den Therapieerfolg eine entscheidende Variable darstellt (Grawe, 2001, pp. 749–754). Er führt die Wichtigkeit der affektiven Beteiligung für eine erfolgreiche Psychotherapie an (Grawe, 2001, p. 772).

Psychotherapie und Entwicklungspsychologie

Unter dem Aspekt der Effizienz einer Psychotherapie steht die Frage, wie lang eine Therapie dauern darf, unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit die Frage, wie lang sie dauern muss und wichtiger noch als die Frage der Quantität in Form geleisteter Therapiestunden ist der qualitative Aspekt mit der Frage, welche Themen es wie und in welchem Ausmaß zu bearbeiten gilt. Ist die Einbeziehung entwicklungspsychologischer Komponenten in eine Psychotherapie überhaupt notwendig und falls ja, welche Aspekte sind dabei von Bedeutung?

Definitorische Aspekte

Flammer führt aus, dass sich sowohl Psychotherapie wie auch Entwicklungspsychologie mit der nachhaltigen Veränderung von Kompetenzen befasst. Die Aufgabe der Entwicklungspsychologie besteht in der Beschreibung von Veränderungen, die Aufgabe der Psychotherapie im Finden und Nutzen von Möglichkeiten zu nachhaltigen Veränderungen (Flammer, 2010, p.145).

In der Definition der Entwicklungspsychopathologie verweist Cicchetti auf Sroufe und Rutter, wonach die Aufgabe der Entwicklungspsychopathologie in der Untersuchung von Ursprung und Verlauf individueller Muster fehlangepassten Verhaltens zu verstehen ist (Cicchetti, 1999, pp. 15–16).

„Die Entwicklungspsychopathologie versucht, Bedingungen für gesunde und gestörte Entwicklung ausfindig zu machen, Ursache-Wirkungs-Ketten herzustellen und dadurch Vorhersagen angesichts von Entwicklungsrisiken und Heilungsverläufen zu treffen“ (Oerter & Noam, 1999, p. 45).

Seiffge-Krenke vertritt die Konzeption des Individuums als aktiven Gestalter seiner Entwicklung. Nach früheren Auffassungen wurde Entwicklung lediglich auf die frühen Entwicklungsphasen bezogen (Seiffge-Krenke, 2009, p. 25).

Das Phänomen der Entwicklung darf in keine Richtung der Lebensspanne eines Menschen begrenzt werden. Freud bilanziert in seinem „Abriß der Psychoanalyse“ als ein wichtiges Ergebnis: „Das Sexualleben beginnt nicht erst mit der Pubertät, sondern setzt bald nach der Geburt mit deutlichen Äußerungen ein“ (Freud, 1996, pp. 48–49).

Die ursprüngliche Auffassung der wissenschaftlichen Entwicklungspsychologie bestand darin, dass der Entwicklungsprozess eines Menschen noch vor Eintritt des Erwachsenenalters erreicht wird; alle nachfolgenden Veränderungen galten als Alterungsprozess (Mietzel, 2002, p. 15).

Neben der Srategisch-Behavioralen Therapie begreift auch das Konzept der prozess- und erlebensorientierten Psychotherapie (PET) Wachstum und Selbstentwicklung als lebenslanges, auf adaptiven Prozessen beruhendes Phänomen (Elliott, Watson, Goldman R. N., & Greenberg L. S., pp. 21–22).

Synergieeffekte und Notwendigkeit der Integration

In Auseinandersetzung mit der Frage nach effizienter Psychotherapie und einer entsprechenden Konzeptionierung des therapeutischen Prozesses in Gestalt der „Strategischen Kurzzeittherapie“ bilanziert Sulz 1994, dass Klinische Psychologie ohne Berücksichtigung entwicklungspsychologischer Aspekte ausgiebig betrieben wurde und wird (Sulz, 1994, p. 22).

Cicchetti bündelt die Bilanzen zahlreicher Bemühungen, die Psychologie allgemein und speziell die Entwicklungspsychologie zu systematisieren in dem Prinzip, dass durch das Studium der Pathologie eines Organismus mehr über dessen normales Funktionieren und über das Studium des normalen Funktionierens mehr über die Pathologie gelernt werden kann. Pathologisches Funktionieren wird als Vergrößerungsglas begriffen, durch welches normale psychische Prozesse besser beobachtet werden können (Cicchetti, 1984, pp. 1–2).

Spätestens mit dem 1999 in erster Auflage erschienenen Buch „Klinische Entwicklungspsychologie“ fordert Oerter und andere Mitwirkender eine Integration von Entwicklungspsychopathologie und Klinischer Psychologie. Oerter beschreibt die Entwicklungspsychopathologie als ein Fach, welches eine Fülle von Wissen über Entstehungsbedingungen psychischer Erkrankungen, Entwicklungsstörungen und Fehlverhalten bereithält. Die Klinische Psychologie ihrerseits bietet ein breites Spektrum an Wissen über Interventionen, nutzt aber zu wenig die Ressourcen der Entwicklungspsychopathologie. Daraus resultierte die Idee, beide Wissensbereiche zu verbinden und aufeinander abzustimmen.

Eine gemeinsame Auffassung von Entwicklungspsychologie, insbesondere der Entwicklungspsychopathologie und der klinischen Psychologie besteht darin, dass der Mensch als sich selbst organisieren des System begriffen wird. Sowohl gesunde und pathologische Entwicklungsprozesse wie auch Prozesse der Heilung bewerten als Selbstorganisation von Systemen verstanden. Diese systemische Sichtweise wird auch in der klinischen Psychologie favorisiert, indem Interventionen in Kombinationen verschiedener Verfahren und mit Blick auf die Gesamtpersönlichkeit angelegt werden.

Oerter fordert eine Integration der entwicklungspsychologischen Perspektive in klinische Interventionen. Die Aufgabe der Entwicklungspsychopathologie liegt auf der Ergründung pathogenetischer Faktoren, nicht auf der Behandlung von Krankheiten. Er verweist auf Noams Ansatz der „Clinical Developmental Psychology“, mit welchem er versucht, entwicklungspsychologisches Wissen in die klinische Praxis der Interventionen zu integrieren (Oerter, 1999, pp.1–7).

Seiffge-Krenke kommt zu einer ähnlichen Einschätzung wie Oerter, indem sie Berührungspunkte zwischen Entwicklungspsychologie und Psychotherapie sieht. Sie sieht die Notwendigkeit einer entwicklungspsychologischen Perspektive in der Psychotherapie als dringend erforderlich, weil erst dadurch pathologische Veränderungen verständlich werden. Darüber hinaus hilft die entwicklungspsychologische Perspektive im Verstehen der Dynamik, welche in Psychotherapie abläuft und ermöglicht eine adäquate Einschätzung der FR Änderungen, welches sich in Psychotherapie in vollziehen. Auch umgekehrt kann die Entwicklungspsychologie von Erkenntnissen der Psychotherapie profitieren, um das Verständnis von Entwicklungsprozessen zu verbessern. Q prüfen Lindau: Neben dieser Forderungen nach der Integration von Entwicklungspsychologie und Psychotherapie betonte sie die Bedeutung einer fördernden Umwelt für die Ermöglichung von Entwicklungsprozessen. Sie plädiert für eine Erweiterung der bisherigen entwicklungspsychologischen Sichtweise, indem sie neben der vertikalen Sichtweise (Eltern beziehungsweise Mutter als Entwicklungshelfer) die Berücksichtigung der horizontale Perspektive (Freunde und romantischer Partner als Entwicklungshelfer) betont (Seiffge-Krenke, 2004, p. VII).

In der zurückliegenden Ära einer Wissenschaft mit dem Fokus auf kognitive Prozesse bilanziert Sulz, dass der Erforschung der emotionalen und sozialen Entwicklung zu wenig Berücksichtigung zuteil wurde. Diese zu verstehen sieht er als Voraussetzung, um eine menschliche Lerngeschichte wirklich nachvollziehen zu können (Sulz, 2006, p. 30).

Bohleber betont, dass Entwicklung nicht einfach kausal-linear begriffen werden kann und eine psychische Symptomatik nicht unmittelbar als Resultat von Ereignissen der Kindheit zu sehen ist. Entwicklung wird verstanden als ein nichtlinearer Prozess, in welchem viele Faktoren zusammenwirken (Bohleber, 2011, pp.769–777).

Emde vertritt einen entwicklungsorientierten Ansatz des psychoanalytischen Prozesses mit dem Ziel, Erkenntnisse über Entwicklungsprozesse im therapeutischen Handeln nutzbar machen zu können (Emde, 2011, p. 778).

Mertens plädiert für ein entwicklungsorientiertes Abwägen therapeutischer und analytischer Interventionsformen (Mertens, 2011, p. 808).

In 2008 haben Baumann und Stieglitz eine multimodale Diagnostik als zwischenzeitlich Standard in der Klinischen Psychologie beschrieben (Baumann & Stieglitz, 2008b, p. 191).

Resch; „Die therapeutische Hilfeleistung des Mediziners setzt immer einen Krankheitsbegriff und eine Vorstellung über Genese, Verlauf und Veränderlichkeit der zu behandelnden Phänomene voraus.“ Für den diagnostisch-therapeutischen Prozeß sieht er als Voraussetzung „einen Krankheitsbegriff und eine Vorstellung über Genese, Verlauf und Veränderlichkeit der zu behandelnden Phänomene“ zu haben und „das Erleben und Verhalten des Individuums in seinem lebensgeschichtlichen und soziokulturellen Kontext möglichst genau zu erfassen und ein intrinsisches Verständnis für die Hintergründe und motivationalen Grundlagen des kindlichen und jugendlichen Verhaltens zu entwickeln“ (Resch, 1996, p. 1).