Über den Autor:

Dr. Bernhard Rippe ist Diplom-Psychologe und Psychoanalytiker (DGPT). Er arbeitet in Bremen als Psychologischer Psychotherapeut in eigener Praxis und als Lehr- und Kontrollanalytiker. Neben verschiedenen Projekten zu Fragen der Krisen- und Konfliktverarbeitung und zur psychoanalytischen Ausbildung ist er Co-Autor des interdisziplinären Fachbuches „Mensch im Stress. Psyche, Körper, Moleküle“ (L. Rensing, M. Koch, B. Rippe, V. Rippe, Elsevier Verlag München 2005, 2013). Weitere Titel des Autors: „Psychoanalytische Zitate. Markierungen einer Lernentwicklung als Psychologischer Psychotherapeut und Psychoanalytiker“ (BoD Norderstedt 2013); „Grundkurs Psychoanalyse in der psychotherapeutischen Praxis“ (BoD Norderstedt 2014).

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2015 Bernhard Rippe

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN 978-3-7392-9774-3

Inhalt

  1. Wirkfaktoren – die Perspektive setzt den Schwerpunkt
  2. Psychoanalytische Konzepte in der analytischen und tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie
  3. Beziehungskonzept und Therapietechnik
  4. Emotionen und Psychoanalyse
  5. Die Geschichte der Schaukel. Eine alte Erzählung mit einer neuen Fortsetzung

Vorwort

Die Frage nach den psychotherapeutischen Wirkfaktoren eröffnet ein interessantes und schwieriges Thema. Jede Therapiemethode unterscheidet zunächst die allgemeinen und unspezifischen Faktoren und dann die Positionen, die das eigene Verfahren – auch in der Abgrenzung zu anderen – besonders auszeichnen. Dabei ist ein rundum überzeugendes Erklärungsmodell nicht in Sicht, und es wird wohl auch ein nicht erfüllbarer Wunsch bleiben. Trotzdem ist es aus inneren und äußeren Gründen (Forderungen der Identität, der Wissenschaft, der Krankenversorgung z. B.) von großer Bedeutung geblieben, an überzeugenden Positionen zu arbeiten und die verschiedenen Standpunkte zu ordnen und zu präzisieren.

In diesem Beitrag wird bewusst eine Reduzierung der Gesamtdiskussion über Wirkfaktoren vorgenommen, um auf einige zentrale Fragen der therapeutischen Beziehung und der Emotionen aus verschiedenen Perspektiven neu zuzugehen. Dabei werden auch gelegentlich Zitate angeführt, die eine bildhafte und manchmal poetische Kraft in ihren Interpretationen besonders anschaulich nutzen. Dieses bruchstückhafte Zusammensetzen, das jedoch nicht zu einer Ganzfigur führen kann, erfordert kein Lesen in festgelegter Reihenfolge. Jeder Abschnitt hat seine ganz spezifische Sicht und kann durch weitere ergänzt werden.

Insgesamt bin ich überzeugt, dass eine vertiefte, aber immer wieder aktuelle Auseinandersetzung mit den vielen Facetten der Wirkfaktoren hilft, Kompetenz und Effektivität in der psychotherapeutischen Behandlung zu verbessern. So hat auch die Fortsetzung einer alten Fallgeschichte im 5. Kapitel ihren Platz gefunden.

Fast schon traditionell hat Dr. Olaf Rippe auch diese Arbeit differenziert begleitet. Dafür meinen herzlichen Dank.

Bremen, Oktober 2015

1 Wirkfaktoren – die Perspektive setzt den Schwerpunkt

Es gibt zahlreiche Arbeiten über dieses Thema, einige haben sich nachdrücklich bei mir verankert. Ich beginne mit zwei Beispielen aus dem psychotherapeutischen Umfeld der Psychoanalyse, zu den Patientenund den Therapeutenvariablen. Zum dritten Schwerpunkt – der psychotherapeutischen Interaktion – zitiere ich zunächst die klassische Psychoanalyse, dann die psychoanalytischen Verfahren aus der Sicht der Psychotherapierichtlinien.

Im Bereich der klientenzentrierten Psychotherapie und des Focusing wird häufiger auf eine Untersuchung von Gendlin hingewiesen (z. B. von Cornell 1997, 13ff.), die ich nur in verschiedenen Zusammenfassungen kenne, die aber m. E. deshalb erwähnenswert ist, weil der langjährige Trend eher in die Richtung geht, dass der Therapeut der entscheidende Wirkfaktor ist. In dieser Untersuchung hingegen ist es der Patient mit seinen eigenen Möglichkeiten. Die Untersuchung selbst wurde in den frühen sechziger Jahren durchgeführt und trug dazu bei, dass die Selbsthilfetechnik „Focusing“ bis heute ein relativ breites Interesse findet.

Gendlin und seine Mitarbeiter werteten einige hundert Tonbänder aus. Der gesamte Therapieverlauf war aufgenommen worden. Nach der Therapie wurden die Patienten und die Therapeuten gebeten, den Erfolg der Therapie zu bewerten. Auch psychologische Tests wurden eingesetzt. Wenn diese drei Ergebnisse positiv übereinstimmten, galten die Behandlungen als erfolgreich, die anderen waren nicht erfolgreich. Anschließend wurden beide Gruppen der Bänder verglichen. Unterschiede im Therapeutenverhalten wurden nicht entdeckt, allerdings gravierende Auffälligkeiten bei den Patienten. Diese zeigten sich im ersten oder zweiten Gespräch, und bereits danach war es möglich, den Therapieerfolg einzuschätzen.

Was hörten die Wissenschaftler auf diesen Bändern, das ihnen die Vorhersage eines erfolgreichen Therapieverlaufs erlaubte? Sie hörten Folgendes: An irgendeiner Stelle in der Sitzung verlangsamten die Klienten ihr Sprechtempo, drückten sich weniger klar aus und begannen, nach Worten zu suchen, um zu beschreiben, was sie gerade spürten. Auf den Bändern hörte sich das etwa so an: „Hmmm. Wie soll ich das beschreiben? Es sitzt so hier. Es ist ... hmm ... es ... nicht richtig Wut … hmmm“. Oft erwähnten die Klienten, dass sie dieses Gefühl an einer bestimmten Stelle im Körper spürten, zum Beispiel: „Es ist hier in der Brust“, oder „Ich hab da dieses komische Gefühl im Bauch“.

Die erfolgreichen Klienten hatten eine vage, schwer zu beschreibende Körperempfindung, die sie während der Sitzung direkt wahrnahmen. Die erfolglosen Therapieklienten dagegen drückten sich die ganze Sitzung hindurch klar aus! Sie blieben „im Kopf“. Sie spürten nicht in ihren Körper hinein, und sie hatten nie ein Gefühl, das zunächst schwer zu beschreiben war. (Cornell 1997, 13ff.)

Natürlich könnte es sein, dass die Forscher genau die Ergebnisse erzielten, die auch ihren Erwartungen entsprachen, das soll ja auch bei anderen Untersuchungen