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Hannes Hörndler

Meine
unheimlichen
Nachbarn

Illustrationen
Timo Grubing

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Die Dunklen Bücher – Meine unheimlichen Nachbarn
von Hannes Hörndler

1. Digitale Auflage 2020

www.ggverlag.at

ISBN E-Book: 978-3-7074-1727-2

ISBN Print: 978-3-7074-2296-2

In der aktuell gültigen Rechtschreibung

Coverillustration: Timo Grubing

Innenillustrationen: Timo Grubing

© 2020 G&G Verlagsgesellschaft mbH, Wien

Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der Vervielfältigung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe sowie der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme, gesetzlich verboten.

Inhalt

Kapitel 1: 19.55 Uhr

Kapitel 2: 20.30 Uhr

Kapitel 3: 21.30 Uhr

Kapitel 4: 22.20 Uhr

Kapitel 5: 22.40 Uhr

Kapitel 6: 22.50 Uhr

Kapitel 7: 22.55 Uhr

Kapitel 8: 22.55 Uhr – in der Dunkelheit des Gartens

Kapitel 9: 23.00 Uhr

Kapitel 10: 23.50 Uhr – fünfzig Minuten später

Kapitel 11: 23.58 Uhr (zur gleichen Zeit)

Kapitel 12: Sekunden vor Mitternacht

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Johanna steht kurz vor ihrem 12. Geburtstag. Ihre langen, braunen Haare hat sie gerne zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Muss sich oft über ihren Bruder ärgern, weil er nicht der Hellste ist.

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Peter ist 13 Jahre alt, Brillenträger und Johannas Bruder. Weil er ständig isst, war er schon mal dünner. Traut Jonathan, seinem Nachbarn, überhaupt nicht, weil er eigenartig angezogen ist und nie grinst.

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Jonathan, der neue Nachbar, ist gleich alt wie Peter, aber viel sportlicher. Trägt am liebsten schwarze Turnschuhe und modisch geschnittene Kapuzenmäntel, sein braunes Haar ist mit viel Gel aufgestellt. Immer finstere Miene.

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Elvira ist die Schwester von Jonathan. Sie hat dunkle Locken und lila geschminkte Lippen. Aufgrund eines Fluchs möchte sie ständig Jungs küssen.

Kapitel 1: 19.55 Uhr

„Aber ich habe unlängst in einer Dokumentation gesehen, wie Menschen Wölfe aufgezogen haben, ohne dass ihnen etwas passiert ist“, will Peter seine Schwester überzeugen. Auf dem Sofa im Wohnzimmer kniend, starren die beiden aus dem Fenster. Weil alle ihre Freunde gleich in der ersten Sommerferienwoche in den Urlaub gefahren sind, ist ihnen nichts anderes übriggeblieben, als sich zusammenzutun, um die neuen Nachbarn auszuspionieren.

„Wölfe nehmen den Geruch eines Menschen auf und vergessen ihn nicht, auch wenn sie ausgewachsen sind. Solche Tiere werden meist von Eigenbrötlern gehalten, die in so Häusern wie diesem leben.“

„Aber das ist doch verboten!“, widerspricht Johanna. „Außerdem ist das niemals ein Wolf! Buschiger Schwanz, braunes Fell, schwarze Maske – das ist ganz sicher ein Schäferhund!“

„Ja, von mir aus“, murmelt Peter eingeschnappt. „Ist es eben einer! Aber ein sehr großer. Und unheimlich wirkt er auch.“

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Der Schäfer liegt auf der Fußmatte und bewacht das Haus mit einem offenen Auge. DAS HAUS. Die Kinder mögen es nicht. Haben es noch nie gemocht. Das brüchige Steingebäude wird an den Seiten von dicht wachsendem Efeu umschlungen. Der Garten ist groß und ungepflegt, das Gras wuchert wild und überall liegen abgebrochene Äste von verwahrlosten Obstbäumen herum.

„Kannst du sie entdecken?“, fragt Johanna.

„Wen? Die Neuen?“ Peter schüttelt den Kopf. Das alte Ehepaar, das vorher darin gewohnt hat, lebte sehr zurückgezogen und grüßte die Kinder nie. Jetzt soll eine vierköpfige Familie das Haus gekauft haben. Das hat Peters und Johannas Vater den beiden erzählt, bevor er heute in der Früh überraschend eine längere Dienstreise antreten musste. „Seid ja höflich zu den neuen Nachbarn und kümmert euch um Mama!“ Das Erste hat er gesagt, weil er immer mit allen Menschen gut auskommen möchte. Das Zweite, weil Mama ordentlich erkältet ist.

„Da!“, ruft Johanna. „Am Fenster!“

„Hast du Röntgenaugen? Ich sehe aus dieser Entfernung gar nichts“, erwidert Peter.

„Doch, da! Im ersten Stock! Sie stehen da in einem Zimmer.“

Peter putzt sich die Brille. Die tiefstehende Sonne wird von einer dunklen Wolke verdeckt. Die Jalousie im Fenster ist hochgezogen und hängt schief. Peter erkennt die Umrisse von drei Personen, die heftig miteinander diskutieren.

„Sollten es nicht vier sein?“

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„Eigentlich schon. Eine Familie mit zwei Kindern. Beide sind ungefähr so alt wie …“ Mitten im Satz hält sie inne. Da drüben stimmt etwas nicht.

„Warum schaust du denn jetzt auf einmal so blöd drein?“, will Peter wissen.

„Weil jemand verschwunden ist.“

„Wer denn?“

„Frag nicht so dumm und schau hin! Der Hund ist weg!“

Die Hecke ist unregelmäßig geschnitten und kahl – ein Vorteil, wenn man wie Johanna und Peter das Gelände ausspionieren möchte. Die Fußmatte vor der Eingangstür ist leer.

Das Einzige, das sich bewegt, sind die Äste im Wind. Wenn der Schäfer weggelaufen wäre, wäre es den beiden doch aufgefallen.

„Kannst du dir das erklären?“, fragt Johanna ratlos.

„Nicht wirklich“, gibt Peter zu.

„Na, dann sind wir uns einmal einig“, lacht Johanna. „Du, schau einmal …“

„Hast du den Hund entdeckt?“

„Nein, den nicht. Aber siehst du das Auto da? Den Geländewagen mit dem auffälligen, roten Kennzeichen? Da parkt jemand in unserer Straße!“

„Was ist denn daran außergewöhnlich?“

„Die beiden Männer im Auto wollen nicht aussteigen.“

Peter staunt nicht schlecht. Direkt auf ihrer Straßenseite steht ein schwarzer Geländewagen. Das Kennzeichen besteht aus vier Buchstaben und einer Zahl: JAEG1. Zwei Männer in Uniform unterhalten sich im Auto. Der Fahrer macht einen Zug an seiner Zigarette und hält sie dann aus dem offenen Fenster. Beide starren auf das Nachbarhaus.

„Glaubst du“, rätselt Johanna, „die sind von der Polizei und beschatten sie?“