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Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH

[4]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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Print: ISBN 978-3-7910-4785-0 Bestell-Nr. 20028-0002
ePub: ISBN 978-3-7910-4786-7 Bestell-Nr. 20028-0100
ePDF: ISBN 978-3-7910-4787-4 Bestell-Nr. 20028-0151

Manfred Becker/Andreas Becker

Personalwirtschaft

2., aktualisierte und überarbeitete Auflage, Februar 2021

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Produktmanagement: Dr. Frank Baumgärtner

Lektorat: Elke Renz, Stutensee

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Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Unternehmen der Haufe Group

[5]Vorwort

Für die arbeitenden Menschen und die im Wettbewerb stehenden Unternehmen war eine leistungsfähige und nachhaltig arbeitende Personalarbeit zu keiner Zeit so wichtig, wie dies für die turbulente Gegenwart der Fall ist. Rasche Veränderungen, ausgelöst durch internationalen Wettbewerb, Digitalisierung und Wertewandel, verlangen eine Ausweitung und Intensivierung der personalwirtschaftlichen Aktivitäten. Die Personalwirtschaft ist herausgefordert, die Unternehmen mit ihren leistungsstarken Instrumenten bei der Realisierung ihrer unternehmerischen Vorhaben nachhaltig zu unterstützen. Die Personalwirtschaft hat sich zu einer wichtigen Kernfunktion der betrieblichen Wertschöpfung und zu einem Garanten für die Zufriedenheit der Beschäftigten entwickelt.

Globalisierung kann man sich ohne weltgewandtes Personal nicht vorstellen. Produkt- und Prozessinnovationen sind ohne exzellent qualifizierte und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter undenkbar. Der Wohlstand aller hängt – wie zu keiner Zeit vorher – vom Wollen und Können der arbeitenden Menschen ab. Die Bewältigung von Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung, die drohende Knappheit von Fachkräften, die Integration der Menschen mit Migrationshintergrund und die Verbesserung der Ausbildungs- und Berufschancen der nachwachsenden Generationen sind ohne eine leistungsfähige Personalwirtschaft nicht zu schaffen.

Es verwundert daher nicht, dass die Personalwirtschaft als Praxisfeld und als Studienfach wachsende Bedeutung erlangt. Die Zahl der Studierenden nimmt zu, personalwirtschaftliche Bachelor- und Masterstudiengänge sind stark ausgebaut worden. Die Teilnahme an Veranstaltungen der beruflichen Weiterbildung steigt.

Die turbulenten Zeiten rücken die Handlungsfelder »Personal« und »Organisation« noch enger zusammen. Veränderungen der Strukturen, Prozesse und Beziehungen sind anforderungsgerecht und personengerecht zu gestalten. Werden neue Strukturen geschaffen, neue Arbeitsplätze etabliert oder neue Geschäftsfelder aufgebaut, sind immer die erforderlichen Experten1 zu finden und zu befähigen, die anstehenden Herausforderungen zu meistern. Die Menschen auf die Vielfalt der sich rasch wandelnden Aufgaben vorzubereiten, das ist Aufgabe der Personalwirtschaft und der Organisationsgestaltung. Exzellent qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Personalarbeit garantieren mit ihrer Arbeit exzellent qualifizierte und motivierte Fach- und Führungskräfte.

[6]Die hiermit vorgelegte zweite Auflage dieses Buches soll Studierende und Praktiker auf die professionelle Wahrnehmung personalwirtschaftlicher und organisatorischer Aufgaben vorbereiten. Es werden die Kernthemen der Personalwirtschaft und der Organisation behandelt. Vorgestellt werden betriebswirtschaftliche Grundlagen, Rahmenbedingungen und Ziele der Personalwirtschaft und der Organisation.

Die personalwirtschaftlichen Handlungsfelder Beschaffung, Auswahl, Einsatz, Entlohnung, Entwicklung und Freisetzung von Personal werden erörtert. Die personalwirtschaftliche Informationswirtschaft nimmt einen größeren Raum ein als dies in der ersten Auflage der Fall war.

Der organisationswissenschaftliche Teil des Buches führt in die »Organisationsklassiker« ein und greift neue Ansätze der Organisation auf. »Konziliare Organisation«, »Center-Konzepte« »Netzwerkmanagement« und neue Formen der Arbeitsgestaltung wie »SCRUM«, »Design Thinking« und »Communities of Practice« werden vorgestellt.

Dieses Buch ist als Einführung in das Studienfach Personalwirtschaft und Organisation für Bachelor- und Masterstudierende konzipiert. Prüfungsfragen, Lösungen, Merksätze und Zusammenfassungen erleichtern die Lektüre. Impulse aus Wissenschaft und Praxis wurden aufgenommen.

Das Buch soll Fach- und Führungskräften in den Personalabteilungen als Informationsquelle dienen und ihnen Anregungen zur Gestaltung einer professionellen, leistungsstarken und die Anliegen der Beschäftigten beachtende Personalarbeit bieten.

Das Autorenteam wünscht den Studierenden und den Praktikern gleichermaßen hilfreiche Impulse aus der Lektüre dieser zweiten Auflage.

Mainz, im November 2020

Dipl.-Kfm. Andreas Becker

Univ.-Prof. Dr. Manfred Becker


1 In diesem Text wird zum Teil nur die männliche Form verwendet. Auch in diesen Fällen sind dennoch alle anderen Formen gleichermaßen mitgemeint.

[15]Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Übersicht über den Verlauf des Forschungsprozesses
Abb. 2: Die Pyramide der Sozialen Verantwortung nach Carroll
Abb. 3: Verantwortungsebenen nach Carroll
Abb. 4: Betriebliche Entscheidungsprobleme
Abb. 5: Die Quadriga zukunftsorientierter BWL
Abb. 6: Allgemeine und Spezielle Betriebswirtschaftslehre (Institutionelle Gliederung)
Abb. 7: Henri Fayol (1841–1925)
Abb. 8: Frederick Winslow Taylor (1856–1915)
Abb. 9: Eugen Schmalenbach (1873–1955)
Abb. 10: Elton Mayo (1880–1949)
Abb. 11: Erich Gutenberg (1897–1984)
Abb. 12: Erich Kosiol (1899–1990)
Abb. 13: Douglas McGregor (1906–1964)
Abb. 14: Abraham Maslow (1908–1970)
Abb. 15: Peter F. Drucker (1909–2005)
Abb. 16: Edmund Heinen (1919–1996)
Abb. 17: Harry Igor Ansoff (1918–2002)
Abb. 18: Frederick Herzberg (1923–2000)
Abb. 19: Henry Mintzberg (* 1939)
Abb. 20: Michael E. Porter (* 1947)
Abb. 21: Personalwirtschaft als interdisziplinäre Disziplin
Abb. 22: Drei Generationen der Unternehmensführung
Abb. 23: Ganzheitliche Personalarbeit
Abb. 24: Theorien der Personalwirtschaftslehre
Abb. 25: Das S-O-R-Paradigma: Impulse, Verarbeitung, Handlung
Abb. 26: Motivationstheorien
Abb. 27: Der Motivationsprozess
Abb. 28: Das Rubikon-Modell der Handlungsphasen
Abb. 29: Bedürfnispyramide nach Maslow
Abb. 30: Commitment
Abb. 31: Der Teufelskreis der Theorie X (nach McGregor)
Abb. 32: Die verstärkende Wirkung der Theorie Y (nach McGregor)
Abb. 33: Zwei-Faktoren-Theorie von Herzberg
Abb. 34: Einflussfaktoren auf die Arbeitseinstellung nach Herzberg (1987, S. 66)
Abb. 35: Ermittlung der Anstrengungsbereitschaft nach Vroom
Abb. 36: Intrinsische und extrinsische Motivation
Abb. 37: Optimaler Realisierungspunkt (Bliss Point)
Abb. 38: ARCS-Modell der Motivation
[16]Abb. 39: Organisation als Kooperationssystem: Bestand durch Anreiz-/Beitrags-Gleichgewicht
Abb. 40: Ökonomische Institutionenanalyse
Abb. 41: Ökonomische Institutionenanalyse: Theorie der Verfügungsrechte
Abb. 42: Grundmodell der Transaktionskostentheorie
Abb. 43: Ziele der ESG: Environment, Social, Governance
Abb. 44: Arbeitsrechtssystem in der Bundesrepublik Deutschland
Abb. 45: Rechtsquellen des Arbeitsrechts nach dem Rangprinzip
Abb. 46: Diversity Management
Abb. 47: Haus der Strategie
Abb. 48: Das Konzept der BSC
Abb. 49: Die Quadriga der Agilität
Abb. 50: SCRUM-Protagonisten und deren Funktionen
Abb. 51: Grundprozesse des Design Thinking
Abb. 52: Ablaufplan (Design Thinking) auf Basis des Mikrozyklus
Abb. 53: Konvergentes und divergentes Denken
Abb. 54: Tame Problems (einfach) und Wicked Problems (komplex)
Abb. 55: Funktionale Gliederung der Personalwirtschaft
Abb. 56: Personalplanung als Gesamtkonzept
Abb. 57: Stellenbündel als Grundlage der Personalplanung
Abb. 58: Performanzorientiertes Kompetenzmanagement
Abb. 59: Berechnung des Nettopersonalbedarfs
Abb. 60: Arten von Kennzahlen
Abb. 61: Beispielkennzahlen der Personalstruktur
Abb. 62: Grundmodell der Szenariotechnik
Abb. 63: Bezugsebenen im Marketing
Abb. 64: Beschäftigungsverhältnisse in Abhängigkeit der Unternehmensdynamik
Abb. 65: Interne Personalgewinnung
Abb. 66: Externe Personalgewinnung
Abb. 67: Zeitarbeit (Personalleasing)
Abb. 68: Verfahren der Personalauswahl
Abb. 69: Bereiche und Instrumente der Personalauswahl
Abb. 70: Die 14 Dimensionen des »Bochumer Inventars«
Abb. 71: Ablauf eines Assessment Centers
Abb. 72: Grundprinzipien des Assessment Centers
Abb. 73: Beteiligte und Verfahren des Assessment Centers
Abb. 74: Säulen der systematischen Einführung
Abb. 75: Systematische Einführung neuer Mitarbeiter
Abb. 76: Elemente systematischer Einführung
Abb. 77: Bore-out und Burn-out
Abb. 78: Ergonomie
Abb. 79: Normstrategien der digitalen Transformation
[17]Abb. 80: Instrumente der Arbeitsplatzgestaltung
Abb. 81: Ziele der Arbeitsgestaltung
Abb. 82: Formen der Arbeitszeitflexibilisierung
Abb. 83: Bereiche und Instrumente der Personalerhaltung
Abb. 84: Beispiel Zielvereinbarung
Abb. 85: Conservation of Resources Theory
Abb. 86: Aktives und passives BGM
Abb. 87: Elemente eines Entgeltkonzeptes
Abb. 88: Einkommensrelevante Kriterien in Entgeltkonzepten
Abb. 89: Bewertungsverfahren anforderungsabhängiger Entlohnung
Abb. 90: Vor- und Nachteile der Verfahren der analytischen und der summarischen Arbeitsbewertung
Abb. 91: Personalentlohnung
Abb. 92: Bereiche und Formen der Entlohnung
Abb. 93: Entlohnungsmethoden
Abb. 94: Arten von Sozialleistungen
Abb. 95: Inhalte der Personalentwicklung
Abb. 96: Reifegrad-Konstrukt der Unternehmensführung und der PE
Abb. 97: Funktionszyklus der Personalentwicklung
Abb. 98: Führungsbefähigungsgleichung
Abb. 99: Veränderte Karrierelandschaft
Abb. 100: Inhalte des Strukturierten Mitarbeitergesprächs (SMG)
Abb. 101: Zielvereinbarungen
Abb. 102: Die sechs Phasen des Funktionszyklus systematischer Personalentwicklung
Abb. 103: Bereiche und Instrumente der Personalfreisetzung
Abb. 104: Bereiche und Instrumente der Personalinformationswirtschaft
Abb. 105: Struktur eines Personalinformationssystems
Abb. 106: Generationen, Methoden und Ebenen des Personalcontrollings
Abb. 107: Adam Smith
Abb. 108: Karl Marx
Abb. 109: Vielfalt organisationstheoretischer Perspektiven
Abb. 110: Begriffe und Zugänge zur Organisation
Abb. 111: Grundbausteine von Organisationen
Abb. 112: Ideengeschichtliche Grundlagen
Abb. 113: Mehrliniensystem
Abb. 114: Einliniensystem
Abb. 115: Stab-Linien-Organisation
Abb. 116: Der Ansatz der klassischen Organisationslehre
Abb. 117: Aufgabenanalyse nach Kosiol
Abb. 118: Aufgabensynthese nach Kosiol
Abb. 119: Arbeitsanalyse nach dem Verrichtungsprinzip nach Kosiol
[18]Abb. 120: Arbeitssynthese nach Kosiol
Abb. 121: Bürokratieansatz (Max Weber)
Abb. 122: Max Weber
Abb. 123: Technokratischer Organisationsansatz (Erich Gutenberg)
Abb. 124: Funktionale Organisationsstruktur
Abb. 125: Divisionale Organisationsstruktur
Abb. 126: Matrixorganisation
Abb. 127: Tensororganisation
Abb. 128: Von der »Strukturorganisation« zur »Prozessorganisation«
Abb. 129: Funktionen und Formen von Konzilen
Abb. 130: Center-Konzepte: Beispiel Personalentwicklung
Abb. 131: Megatrends
Abb. 132: Strategische Handlungsfelder der Personalarbeit

[19]1 Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre

LEITFRAGEN

  • Welche Ziele verfolgt die Wissenschaft?
  • Welche Begriffe sind in der Wissenschaftstheorie von Bedeutung?
  • Was ist das Erfahrungs- und das Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre?
  • Welche Wissenschaftsprogramme liegen der Betriebswirtschaftslehre zugrunde?
  • Welche theoretischen Ansätze nutzt die Betriebswirtschaftslehre?
  • Wie kann die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaftsgebiet sinnvoll in Teilgebiete untergliedert werden?

1.1 Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre

1.1.1 Wissenschaftstheoretische Grundlagen

Wissenschaft

Der Begriff Wissenschaft erfasst drei wesentliche inhaltliche Aspekte (Raffée 1974, S. 13):

  • Wissenschaft als Tätigkeit von Forschern: Wie wird geforscht?
  • Wissenschaft als Ergebnis des forscherischen Bemühens: Welche Erkenntnisse wurden gewonnen?
  • Wissenschaft als Institution bzw. Organisation, in der Forschung stattfindet: Wo findet Forschung statt?

Kognitives und praktisches Wissenschaftsziel

Die Wissenschaft als Tätigkeit umfasst den Prozess der Gewinnung von Erkenntnissen. Ziel von Wissenschaft ist die Vermehrung von Wissen, z. B. die Erforschung der Arbeitszufriedenheit. Wissenschaft dient stets der Verbesserung des Wissens (Erkenntnisziel) und der optimalen Gestaltung der Praxis (Gestaltungsziel). Wissenschaft und Praxis ergänzen einander, sind aber vom Auftrag her streng zu trennen. Wissenschaft stellt die Ergebnisse des Forschens »sine ira et studio«, also ohne eigene Gestaltungsinteressen, der jeweiligen Praxis zur Verfügung. Die Praxis, hier die Personalwirtschaft und die Organisation, bedienen sich der wissenschaftlichen Erkenntnisse, um ihre betrieblichen Aufgaben zielgerichtet, ökonomisch und human lösen zu können.

Wissenschaftliche Ergebnisse werden veröffentlicht. In Publikationen machen Forscher ihre Forschungsansätze, ihren Forschungsprozess und ihre Forschungsresultate öffentlich. Die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen folgt zwei Anliegen: Zum einen wird es mit der Veröffentlichung möglich, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Praxis nutzbar zu machen. Zum anderen öffnen sich Wissenschaftler mit der Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse der Kritik der wissenschaftlichen Community. Wissenschaft[20]liche Erkenntnisse sind stets vorläufig. Wissenschaftlicher Fortschritt entwertet bisherige Erkenntnis. Veröffentlichte Forschungsergebnisse motivieren zu weiterer Forschung.

Wissenschaft als Institution beschreibt die Einrichtungen, die Wissenschaft betreiben. Das sind die Universitäten, die Hochschulen und die Forschungsinstitute, z. B. die Max-Planck-Institute und die Institute der Fraunhofer-Gesellschaft. Forschungseinrichtungen sind staatlich oder privat organisierte Institutionen. Unabhängig von der Frage, ob Wissenschaft öffentlich oder privat organisiert wird, muss sie den Regeln wissenschaftlicher Transparenz und Nachprüfbarkeit genügen. Wissenschaft und Forschung sind frei, insbesondere frei von partikularen Interessen.

Ziele der Wissenschaft sind das Streben nach Erkenntnisfortschritt (= kognitives Wissenschaftsziel) und das Entwickeln von Gestaltungshinweisen (= praktisches Wissenschaftsziel) (Schanz 1992a, S. 58). Während beim kognitiven Wissenschaftsziel reine (puristische) Erkenntnis angestrebt wird, zielt das praktische Wissenschaftsziel auf die Lösung konkreter Praxisprobleme. Anwendungsorientierte Forschung engt die Fragestellung (die Forschungsfrage) und das Forschungsergebnis (die wissenschaftliche Erkenntnis) auf den jeweiligen Praxisausschnitt ein. Wenn z. B. gefragt wird, ob sich die Motivation im Bankenbereich mit der digitalen Transformation verändert, dann wird der Forscher im Gebiet der Banken seine Erkenntnisse suchen. Die Forschungsergebnisse sind dann für den Bankensektor relevant, können aber nicht ohne weiteres auf andere Branchen übertragen werden.

Ziele wissenschaftlicher Forschung

  1. Die Gewinnung von Wissen über Gegenstände, Gedanken, Beziehungen und Bedingungen ausgewählter Objekte der realen Welt (= deskriptives Wissenschaftsziel)
  2. Die Erarbeitung von Hypothesen und Theorien, die ausgewählte Aspekte wissenschaftlicher Forschung in bestimmte vermutete Zusammenhänge stellen (= erklärendes Wissenschaftsziel)
  3. Die Zusammenschau leistungsfähiger Prinzipien, Regeln und Verfahren zur Bearbeitung wissenschaftlicher Fragestellungen unter der Bedingung intersubjektiver Nachprüfbarkeit (= wissenschaftstheoretisches Ziel)
  4. Die Nutzung von Korrespondenzregeln, um grundlegende wissenschaftliche Erkenntnis auf bestimmte Realitätsausschnitte oder Einzelfälle beziehen bzw. anwenden zu können (= praktisches Wissenschaftsziel)
  5. Die Sammlung, Ordnung und Aufbereitung von Erkenntnissen, z. B. in Publikationen, mit dem Ziel, Wissenschaft für sachkundige Nutzer verfügbar zu machen (= Transparenzziel der Wissenschaft)
  6. Die Ermöglichung von Kritik und der Weiterentwicklung von Erkenntnissen (= Falsifikationsziel der Wissenschaft)

[21]Die Wissenschaft nimmt ihren Ausgang stets in der Realität. Die Probleme der Praxis stellen die Erfahrungsobjekte der Wissenschaft dar. Erfahrungsobjekt der BWL und der PWL ist »der arbeitende Mensch in Organisationen«. Aus der unendlich großen Fülle praktischer Fragen isoliert der Forscher das jeweilige Erkenntnisobjekt. Das Erkenntnisobjekt der Wissenschaft erfasst einen Ausschnitt der Realität und bearbeitet diesen Teilaspekt als Forschungsthema.

Grundlegende Begriffe der Wissenschaft

Die wissenschaftliche Forschung muss ihre Grundlagen klären, Begriffe definieren und ihre Verfahren offenlegen. Grundlegende Begriffe der Wissenschaft sind:

  • Definitionen
  • Theorien und
  • Wissenschaftsprogramme.
Definition

Definitionen klären, was mit einem Sachverhalt gemeint ist und was damit nicht gemeint ist. Was gemeint ist, bestimmt den Inhalt eines Begriffes. Was nicht gemeint ist, bestimmt den Inhalt anderer Begriffe. Begriffe dienen der Verständigung insofern, als sachverständige Experten Begriffen denselben Gehalt eines Sachverhalts zuordnen. Wenn sie einen Begriff benutzen, dann legen die Experten denselben Gehalt eines Sachverhaltes zugrunde. Die Verständigung über Begriffe erfolgt über die Sprache (Raffée 1974, S. 26). »Begriffe sind Wörter bzw. Wortkombinationen, denen bestimmte Vorstellungsinhalte zugeordnet werden« (Stegmüller 1993, S. 382).

Definitionen stellen nach Carnap »Verknüpfungsformeln mit zwei Gliedern« dar (Carnap 1960, S. 57, zit. n. Schanz 1988, S. 18). Das erste Glied ist der zu definierende Teil (= Definiendum; z. B. Motivation), der mithilfe des zweiten Gliedes, des definierenden Teils (= Definiens; z. B. aktivierte Verhaltensbereitschaft eines Individuums hinsichtlich konkreter Ziele), bestimmt wird. Diese Verbindung ist jedoch nur möglich, wenn das Definiens, wenn die Ziele bekannt sind.

Eine Definition ist dann gut, wenn sie zweckmäßig, aussagekräftig und abgegrenzt ist.

Für die Beurteilung von Definitionen ist deren Zweckmäßigkeit zu prüfen (nützlich/nicht nützlich zur Untersuchung eines Problems). Kriterien für die Beurteilung der Zweckmäßigkeit von Definitionen sind theoretische Fruchtbarkeit, Präzision, Konsistenz und Validität. Definitionen sind dann aussagekräftig, wenn sie einen bestimmten Inhalt wiedergeben. Zudem sind sie gegen andere Definitionen abzugrenzen, damit nur der »gemeinte« Inhalt erfasst wird.

UNTER DER LUPE

Gesetzesaussagen

Gesetzesaussagen »[…] behaupten in Form eines ›Wenn-Dann-Satzes‹, dass zwischen zwei Elementen A und B eine genau definierte Ursache-Wirkungs-Beziehung besteht (›wenn A folgende Ausprägungen A1… Ai hat, dann ergibt sich [22]daraus, dass B folgende Ausprägungen B1… Bj hat‹)« (vgl. Marr/Stitzel 1979, S. 38; ferner Raffée 1974, S. 30 ff.). An einem Beispiel aus der Personalwirtschaft kann der gesetzmäßige Zusammenhang einer Ursache-Wirkungs-Beziehung verdeutlicht werden. »Wenn ein Unternehmen allen Mitarbeitern (A1… Ai) eine Gehaltserhöhung von 200 Euro gewährt, dann verbessert sich die Motivation (B1… Bj) aller Beschäftigten um jeweils genau 10 %.« Stellt man nun fest, dass trotz der Einheitlichkeit des Impulses die Motivationswirkung bei einzelnen Mitarbeitern oder zwischen Beschäftigtengruppen stark voneinander abweicht, dann ist die Ursache-Wirkungs-Beziehung keine Gesetzesaussage. Die Beziehung offenbart sich lediglich als wahrscheinlicher Zusammenhang. Es ist auch denkbar, dass gar kein »Ursache-Wirkung-Zusammenhang« zu erkennen ist. Ergo: Aus einer generellen Gehaltserhöhung kann nicht zwangsläufig auf eine allgemeine Verbesserung der Motivation geschlossen werden.

Beschreibungsmodelle

Theorien und Beschreibungsmodelle sind zu unterscheiden; Beschreibungsmodelle erfassen »[…] mit Hilfe einer akzeptierten Sprache (z. B. mathematische Symbolsprache; betriebswirtschaftliche Fachsprache) das Wesentliche des zu beschreibenden Sachverhalts« (Marr/Stitzel 1979, S. 37). Beschreibungsmodelle ordnen, gliedern und systematisieren komplexe Probleme und zeigen Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen des Problems auf (Marr/Stitzel 1979, S. 37 f.).

Theorien

Eine Theorie ist ein mithilfe eines einheitlichen Begriffsapparates formuliertes sprachliches System, dessen Mittelpunkt Gesetzesaussagen bilden. Ein Beispiel dafür ist die Motivationstheorie von Maslow.

Funktionen von Theorien

Das Explanandum (abhängige Variable) stellt in einer Theorie den zu erklärenden Teil (z. B. Motivation), das Explanans (unabhängige Variable) den aus Gesetzeshypothese(n) (z. B. Befriedigungs-Progressions-Hypothese bei Maslow) und Randbedingung(en) bestehenden erklärenden bzw. beeinflussenden Teil dar. Randbedingungen (auch Antezedenz- oder Anfangsbedingungen genannt) enthalten »[…] Informationen über konkrete Einzelheiten des zu erklärenden Phänomens […]« (Marr/Stitzel 1979, S. 38). Theorien sind Hauptinformationsträger wissenschaftlicher Erkenntnis. Sie dienen dazu, Sachverhalte zu beschreiben (= Beschreibungsfunktion), zu erklären (= Erklärungsfunktion), vorherzusagen (= Prognosefunktion) zu überprüfen (= Geltungsfunktion) und zu gestalten (= Gestaltungsfunktion).

[23]Induktive und deduktive Methoden

Die Erklärung eines Sachverhalts kann in zweifacher Weise erfolgen: induktiv und deduktiv. Die induktive Methode ist ein Verfahren, bei dem von invarianten (gleichbleibenden) empirischen Feststellungen auf Gesetze geschlossen wird. Zur induktiven Vorgehensweise ein Beispiel: Durch die Einführung von Gruppenarbeit in der Teilefertigung A des Betriebes X erhöht sich die Arbeitsproduktivität; aus diesem Befund kann man folgenden induktiven Schluss ziehen: Wenn Gruppenarbeit eingeführt wird, dann steigt die Arbeitsproduktivität allgemein.

Die deduktive Methode zielen auf die Bestätigung von Gesetzmäßigkeiten in der Praxis. Es wird geprüft, ob die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten im praktischen Gebrauch variieren oder invariant bestätigt werden. Im deduktiven Verfahren wird »[…] ausgehend von allgemein formulierten Prämissen […] mit Hilfe logischen Schließens eine im Vergleich zur Prämisse konkretere Gesetzeshypothese abgeleitet« (Marr/Stitzel 1979, S. 40) und geprüft. Dazu folgendes Beispiel: Die Gesetzeshypothese »Wenn Gruppenarbeit eingeführt wird, dann steigt die Arbeitszufriedenheit« wird in den Betrieben X, Y, Z (jeweils in den Teilefertigungen A, B, C und in den Verwaltungsbereichen) empirisch überprüft und bestätigt oder verworfen.

Eine Theorie ist dann gut, wenn ihr Informationsgehalt hoch ist und sie sich empirisch bewährt hat.

Für die Beurteilung der Qualität einer Theorie sind die Kriterien Informationsgehalt und empirische Bewährung von besonderer Bedeutung. »Der Informationsgehalt (Erklärungsfähigkeit) einer Theorie ergibt sich aus ihrer Präzision (Genauigkeit auf das zu erklärende Phänomen)« (Marr/Stitzel 1979, S. 39). Als empirisch bewährt gilt eine Theorie dann, wenn ihr Wahrheitsgehalt in der Realität nachgewiesen wird. Theorien sind stets nur »vorläufig« gültig. Das Falsifikationsgebot setzt Theorien immer wieder der Möglichkeit des Scheiterns aus. Falsifikation von Theorien heißt schlicht: »Es gibt nur so lange ausschließlich schwarze Raben, bis ein weißer Rabe gesehen wird.« (Falsifikationsgebot der Wissenschaft auf der Grundlage der »Kritischen Theorie« der »Frankfurter Schule«.)

Wissenschaftsprogramme

Leitideen

Grundlage von Wissenschaftsprogrammen sind Leitideen. Leitideen sind Grundgedanken, die für den vertretenen Ansatz typisch sind. Die Leitgedanken bilden Forschungsvorgaben, d. h. »[…] sie sagen dem einzelnen Wissenschaftler, wie er vorzugehen hat, wenn er seinem speziellen Untersuchungsgegenstand ›zu Leibe rückt‹« (Schanz 1992a, S. 65). Wissenschaftsprogramme können auch als Arbeitspakete bezeichnet werden, die in einer Wissenschaftsdisziplin aktuell und mit einer gewissen Priorität beforscht werden, wie z. B. die demografische Entwicklung und deren Auswirkungen auf die Personalarbeit.

[24]Abbildung

Abb. 1: Übersicht über den Verlauf des Forschungsprozesses

ASPEKTE BESCHREIBUNG
Motivationaler Aspekt
  • Antrieb des Forschers zur Erkenntnisgewinnung
  • Aufforderung aus der Umwelt zur Forschung
  • Wettbewerb von Forschern um Erkenntnisse
Sozialer Aspekt
  • Wissenschaft als Kooperationsaufgaben
  • Wissenschaft als soziales, gesellschaftliches Anliegen
  • Wissenschaft als professioneller Wettbewerb von Forschern
Transitorischer Aspekt
  • Gewinnung von Erkenntnissen
  • Falsifikation von Erkenntnissen
  • Überprüfung wissenschaftlicher Ansätze, Verfahren, Traditionen
Konzeptioneller Aspekt
  • Bestimmung des Wissenschaftsprogresses
  • Beschreiben der Forschungsfrage und der Forschungsmethode
  • Erarbeitung von Prüfverfahren
Prozessualer Aspekt
  • Forschung als offenes, fortschreitendes Verfahren
  • Beachtung von Störereignissen und Werturteilen
  • professionales Prozesscontrolling

Tab. 1: Aspekte wissenschaftlichen Arbeitens

Für die Wissenschaft gilt, dass sie stets ergebnisoffen, systematisch, auf der Grundlage von Theorien und Forschungsprogrammen Erkenntnisse zu Sachverhalten analysiert, dokumentiert, Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausarbeitet und die Erkenntnisse [25]der Praxis zur Verfügung stellt. Die Wissenschaft überlässt es der Praxis, wissenschaftliche Erkenntnisse anzuwenden.

»Die Wissenschaft schafft Probleme, die die Wissenschaft dann, wenn sie es schafft, wieder abschafft!«

Daraus folgt: Auswahl der Forschungsfrage, Bestimmung des Forschungsziels, Wahl der Forschungsmethoden, Dokumentation und Veröffentlichung der gewonnenen Erkenntnisse sind wissenschaftliche Arbeitsschritte!

1.1.2 Erkenntnisobjekt der Betriebswirtschaftslehre

Wirtschaftswissenschaften

Zentraler Untersuchungsgegenstand der Wirtschaftswissenschaften ist die Wirtschaft. Sie befasst sich mit allen »[…] menschlichen Tätigkeiten, die unter Beachtung des ökonomischen Prinzips […] mit dem Zweck erfolgen, die – an den Bedürfnissen der Menschen gemessen – bestehende Knappheit der Güter zu verringern« (Wöhe/Döring 2008, S. 2). Die Wirtschaftswissenschaften haben somit die »Aufgabe der restlosen Erfassung und Erklärung des gesellschaftlichen Teilbereichs ›Wirtschaft‹, d. h. des Komplexes menschlicher Handlungen, Verhaltensweisen und Institutionen, die auf die Unterhaltsfürsorge gerichtet sind« (Wöhe/Döring 2008, S. 10). Dabei ist restlos nicht als »endgültig«, sondern als umfassend in dem Sinne zu verstehen, dass wissenschaftlich Schritt für Schritt erforscht wird, was im Bereich Wirtschaft der Klärung bedarf.

Allgemeines Vernunftprinzip

Unabänderlicher Ausgangspunkt der Wirtschaftswissenschaften ist der Tatbestand, dass den unbegrenzten Bedürfnissen der Menschen nur eingeschränkte Mittel zur Befriedigung dieser Bedürfnisse zur Verfügung stehen. Wahl- bzw. Ziel-Entscheidungen sind daher sowohl in der Produktion als auch beim Konsum zu treffen. Als Maßstab der Beurteilung dient das so genannte allgemeine Vernunftprinzip, in der BWL ökonomisches Prinzip genannt, »[…] das besagt, dass ein gegebenes Ziel mit einem möglichst geringen Mitteleinsatz oder mit gegebenem Mitteleinsatz ein möglichst hoher Zielerreichungsgrad realisiert werden soll« (Raffée 1974, S. 99).

Maximal- und Minimalprinzip

Das ökonomische Prinzip kann mengenmäßig und wertmäßig erklärt werden. Die mengenmäßige Aussage lautet, dass mit einem gegebenen Aufwand an Produktionsmitteln eine möglichst große Output-Menge produziert (= mengenmäßiges Maximalprinzip) oder mit geringstmöglichem Faktoreinsatz eine gegebene Output-Menge (Ziel) erreicht werden soll (= mengenmäßiges Minimalprinzip). Die wertmäßige Formulierung gestaltet sich wie folgt: Mit gegebenem Geldaufwand soll ein möglichst hoher Ertrag erzielt (= wertmäßiges Maximalprinzip) bzw. ein bestimmter Ertrag soll mit möglichst wenig Geld erwirtschaftet werden (= wertmäßiges Minimalprinzip). Das ökonomische Prinzip ist allen wirtschaftlichen Handlungen unterlegt. Wirtschaftliche Motive und Ziele (z. B.

[26]Erzielung eines angemessenen Gewinns, die Verbesserung der Güterversorgung oder die Erlangung wirtschaftlicher Macht) stehen daher immer unter dem Gesetz der Knappheit.

Betrieb: Erfahrungsobjekt der BWL

Wendet man die oben erwähnten zentralen Begriffe der Wissenschaft auf die Betriebswirtschaftslehre an, so kann man feststellen, dass der Betrieb das Erfahrungsobjekt der BWL ist. Ein Beobachter nimmt den Betrieb als »[…] eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit […] wahr, in der Sachgüter und Dienstleistungen erstellt und abgesetzt werden« (Wöhe/Döring 2008, S. 2). Betriebe unterscheiden sich und sind jeweils so komplex, dass sich die BWL immer nur mit Teilproblemen beschäftigen kann. Der für Forschungszwecke ausgewählte Ausschnitt der Realität ist das Erkenntnisobjekt der BWL. Das Erkenntnisobjekt erfasst betriebliche Einzelaspekte, die systematisch erforscht und systematisch gestaltet werden.

1.1.3 Betriebswirtschaftslehre als Begriff

Auf der Basis des ökonomischen Prinzips und des Erkenntnisobjektes der BWL lässt sich der Begriff der Betriebswirtschaftslehre wie folgt definieren:

Definition BWL

»Die Betriebswirtschaftslehre hat die Aufgabe, betriebliche Entscheidungen in der Unternehmung zu beschreiben und zu analysieren und – auf der Analyse aufbauend – Instrumente und Verfahren zur Erreichung des jeweiligen Unternehmenszieles bereitzustellen« (Korndörfer 1996, S. 17).

Diese Beschreibung folgt dem traditionellen, z. B. schon von Schmalenbach und Mellerowicz vertretenen Verständnis der BWL als angewandte bzw. anwendungsorientierte Wissenschaft. Schmalenbach vertritt die Ansicht, dass die BWL Verfahrensregeln vorgeben solle und »[…] als Kunstlehre bzw., wie man heute sagen würde, als technologische Disziplin zu konzipieren und in den Dienst praktischer Zielsetzungen zu stellen [sei]« (Schanz 1988, S. 90). Auswahlprinzip sind zur Verfügung stehende unternehmerische Handlungsalternativen. Die angewandte BWL ist somit eine erklärende und gestaltungsorientierte Wissenschaft zu Fragen der betrieblichen Realität.

Konrad Mellerowicz (s. u.) weist dem Management und der Personalwirtschaft bereits im Jahre 1975 Aufgaben zu, die auch in der Zukunft ihre Geltung behalten werden. Dauerhafte Aufgaben sind:

Konkrete Aufgaben von Management und Personalwirtschaft sind:

Klassische Aufgaben von Management und Personalaufgaben sind
  • Gestaltung der Infrastruktur und der Technik
  • systematische Planung, Entscheidung und Controlling aller Aktivitäten
  • markt- und bedarfsgerechte Ausrichtung des Leistungsprogrammes
  • nationale und internationale Kooperation mit Lieferanten, Wissenschaft und Behörden
  • kontinuierliche Verbesserung und Innovation von Produkten und Prozessen

Anwendungsorientierte BWL und theoretische BWL: zwei unterschiedliche Sichtweisen

Die theoretische BWL hat als Erkenntnisziel die »[…] reine Erkenntnis des Seienden, die an sich niemals auf Zwecke gerichtet oder an Zwecken ausgewählt ist« (Wöhe/Döring 2008, S. 10). Gegenstand der BWL sind z. B. nach Gutenberg die technischen Vorgänge im Betrieb. »Diese Vorgänge bilden den Gegenstand der Betriebswirtschaftslehre. Sie fragt nach den Voraussetzungen und Formen einer möglichst günstigen und zweckmäßigen Gestaltung der Fertigungstechnik bzw. des gesamten Fertigungsprozesses.«

Verschiedene Arten von Zielen

Betriebliche Entscheidungen orientieren sich an ökonomischen und nicht-ökonomischen Unternehmenszielen. Zu den Sachzielen gehören z. B. das Produktions- bzw. Absatzprogramm (= Leistungsziele) sowie Zahlungsfähigkeit oder Finanzstruktur (= Finanzziele).

[28]Als Formalziele sind Umsatzvolumen, Wertschöpfung oder Gewinn bzw. Rentabilität zu nennen. Nicht-ökonomische Ziele befassen sich mit sozialen, ökologischen und humanen Aspekten. Mögliche soziale Ziele sind gerechte Entlohnung, menschenwürdige Arbeitsbedingungen, Arbeitsplatzsicherheit, Beteiligung der Arbeitnehmer an Gewinn bzw. Vermögen und Mitbestimmung. Rohstoffschonung, Begrenzung von Emissionen, Recyclingfähigkeit und Lärmvermeidung stellen ökologische Ziele dar (Labucay 2016, S. 12–15; Becker 2016a, S. 24–31).

Die Ziele der Unternehmen sind Inhalt der Corporate Social Responsibility (CSR). Archie B. Carroll weist der CSR vier Aufträge zu (Carroll 1991):

Abbildung

Abb. 2: Die Pyramide der Sozialen Verantwortung nach Carroll (in Anlehnung an Carroll 1991)

[29]Abbildung

Abb. 3: Verantwortungsebenen nach Carroll

UNTER DER LUPE

Bedeutende Forscher der BWL im deutschsprachigen Raum

Eugen Schmalenbach (1873–1955) war Mitbegründer der BWL in Deutschland.

Er war Professor in Köln und hat dem Wissenschaftsbereich den heute gültigen Namen gegeben.

Konrad Mellerowicz (1891–1984) war Professor für BWL an der Technischen Universität Berlin. Er beschäftigte sich v. a. mit dem betriebswirtschaftlichen Teilbereich Unternehmensführung.

Wilhelm Rieger (1878–1971) war Professor in Nürnberg und Tübingen und einer der Wegbereiter der BWL in Deutschland.

Wissenschaftsprogramme der Betriebswirtschaftslehre

Die Betriebswirtschaftslehre ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl unterschiedlicher Wissenschaftsprogramme. Insbesondere die faktortheoretischen, entscheidungsorientierten, systemtheoretischen, arbeitsorientierten Ansätze sind zu nennen. Marketingansätze, situative und ökologische Ansätze kommen als wichtige Denkrichtungen der BWL hinzu (Tab. 2).

[30]Ansatz Hauptvertreter Leitidee
Faktortheoretischer Ansatz der Betriebswirtschaftslehre Gutenberg optimale Kombination der Produktionsfaktoren
Entscheidungsorientierter Ansatz der Betriebswirtschaftslehre Heinen sozialwissenschaftliche Öffnung, Orientierung an Entscheidungsproblemen
Systemtheoretischer Ansatz der Betriebswirtschaftslehre Ulrich Denken in kybernetischen und Systemzusammenhängen
Arbeitsorientierte Einzelwirtschaftslehre WSI-Projektgruppe orientiert an Arbeitnehmerinteressen
Situativer Ansatz der Betriebswirtschaftslehre Koontz/O’Donnell Kontextfaktoren
Marketingansatz der Betriebswirtschaftslehre Meffert/Nieschlag Steuerung vom Markt her
Ökologieansatz der Betriebswirtschaftslehre Pfriem ökologisches Wirtschaften und Arbeiten

Tab. 2: Wissenschaftsprogramme der Betriebswirtschaftslehre (in Anlehnung an Hopfenbeck 1998, S. 38)

Behandelt werden im Folgenden die Ansätze von Gutenberg, Heinen, Ulrich und der WSI-Projektgruppe.