Mit Bildern von Astrid Henn
ist schon viel zu groß,
um noch an Gespenster
zu glauben.
ist meistens genervt –
vor allem von Papas
neuer Freundin Ulrike.
sind
verliebt.
Poppys beste Freunde
sind ein Dutzend Mäuse
und ein Handfeger
namens Wuschel.
mag gern Blutorangen-
Smoothie. Nur nicht
in den Haaren.
ist Hausverwalter
und allergisch gegen
niedrige Mieten.
FREDDY
FLO
ULRiKE + PAPA
WALTER WiESEL
DR. MORTiS
POPPY
kann lauter
heulen als die
Feuerwehr.
hält zusammen.
Besonders
beim Saubermachen.
geht schnell in die
Luft, besonders wenn
die Post kommt.
ist außergewöhnlich
schön – von innen und
von außen.
macht nicht
viele Worte. Genau
genommen nur eins.
FRAU LOHMEYER
KOMMUNE HEiNZ
RUDi
BETTiNA
BLÜTENREiCH
WOLFGANG WÜTKE
INHALT
Prolog
Kapitel 1: Freddy zieht ein
Kapitel 2: Flo hat schlechte Laune
Kapitel 3: Freddy wünscht sich Zombies
Kapitel 4: Poppy verfliegt sich
Kapitel 5: Freddy wundert sich
Kapitel 6: Freddy kann gut mit Menschen
Kapitel 7: Bettina versteht nur Bahnhof
Kapitel 8: Freddy wird Imker
Kapitel 9: Poppy hat zu tun
Kapitel 10: Freddy kriegt einen großen Schreck
Kapitel 11: Poppy ruft alle in die Gruft
Kapitel 12: Freddy gruselt sich vor gar nix
Kapitel 13: Flo glaubt nicht an Gespenster
Kapitel 14: Freddy wird verfolgt
l Kapitel 15: Flo muss babysitten
Kapitel 16: Poppy sucht nach Zaubersprüchen
Kapitel 17: Freddy rettet eine Hexe
Kapitel 18: Vigor Mortis sieht rot
Kapitel 19: Wolfgang Wütke wird wütend
Kapitel 20: Freddy schwitzt in einem Sarg
Kapitel 21: Flo will normale Leute treffen
Kapitel 22: Frau Lohmeyer Ursel macht einen Ausflug
Kapitel 23: Freddy spukt beim Wiesel
Kapitel 24: Freddy kann es nicht fassen
Kapitel 25: Ulrike macht eine Entdeckung
Kapitel 26: Freddy hat einen Vogel
Kapitel 27: Flo eilt zu Hilfe
Kapitel 28: Freddy hat Grund zum Feiern
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PROLOG
D
er Wind fuhr durch die vom Winter gebeutelten
knorrigen Äste. Die Grabsteine auf dem alten
Kreuzberger Friedhof leuchteten im blassen
Mondlicht. Sie standen kreuz und quer wie ein paar
übrig gebliebene Stummel in einem sonst zahnlosen
Mund.
Ein kleines Mädchen trat aus einem großen, in die
Jahre gekommenen Mehrfamilienhaus, das direkt an
den Friedhof grenzte. Es huschte zwischen den
Gäbern hindurch und gesellte sich zu drei dunklen
Gestalten, die an einem erstaunlich langen Grab
standen.
„Ick werd ihn vermissen“, grummelte ein
breitschultriger Mann.
„Das werden wir alle“, meinte der Hochgewachsene.
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Er trug einen langen schwarzen Mantel, der
unheimlich im Wind flatterte.
„Machs gut, Kurt“, sagte das kleine Mädchen.
Eine große, schlanke Frau in weißem Seidenkleid
stimmte einen wunderschönen Trauergesang an. Die
anderen fielen mit ein. Ihre hohen und tiefen
Stimmen mischten sich zu einem Furcht
einflößenden Geheule.
Nacheinander legten alle ein kleines Andenken auf
den Grabstein: einen Strauß frischer Maiglöckchen,
eine Blutorange, einen Schraubenschlüssel und eine
getrocknete Eidechse.
Plötzlich durchbrach eine knochige graue Hand das
lockere Erdreich im Nachbargrab. Die
Trauergesellschaft fuhr zusammen. Es folgte ein
verwitterter Kopf.
„Mensch, Rudi!“, schimpfte der kräftige Mann. „Ick
hab mir total erschreckt.“
„Die Stimmung ist nun völlig hinüber“, klagte eine
fast durchsichtige Gestalt, die gerade über den
Friedhof geschwebt kam. „So habe ich mir Kurts
Beerdigung nicht vorgestellt. Es ist doch ein Jammer!“
„Ja, ein Jammer!“, piepsten ein paar Stimmchen
hinter dem Grabstein.
„Was soll nun aus uns werden?“, fragte das kleine
Mädchen.
Ratlos schauten sich alle an.
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KAPITEL 1
FREDDY ZIEHT EIN
B
ei strahlendem Sonnenschein bog ein weißer
Kombi in die Jüterboger Straße ein. Hinten im
Auto saß Freddy Feyerabend. Ein neugieriger Junge
mit rotblonden Locken, Sommersprossen und
aufgeweckten blauen Augen. Freddy trommelte mit
den Füßen gegen den Vordersitz. Gleich würden sie
bei der neuen Wohnung ankommen.
„Hör doch mal auf damit!“, rief Flo.
„Womit?“, fragte Freddy.
„Mit all dem!“, sagte sie und zeigte von oben bis
unten auf ihn.
Freddys große Schwester hieß eigentlich Florentine,
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aber nur, wenn Papa sauer auf sie war. Sie war schon
zwölf und sah überhaupt nicht aufgeregt aus. Eher
genervt.
„Ich will nicht umziehen“, maulte sie, wie schon so
oft in den letzten Wochen. „Ich hasse die neue
Wohnung. Die ist voll kacke!“
„Das Kind hat echt 'ne schlimme Ausdrucksweise“,
sagte Papa zu seiner neuen Freundin Ulrike. „Ich weiß
wirklich nicht, von wem zum Teufel sie das hat.“
„Du kennst die Wohnung doch noch gar nicht“,
meinte Freddy. Er freute sich schon auf all die
Abenteuer, die dort auf ihn warteten.
Freddy hatte zwar gern mit Mama und Papa in der
Kreuzbergstraße gewohnt, aber die ständigen
Streitereien waren schlimm gewesen. Irgendwann
hatte Mama dann Klaus kennengelernt und Papa
Ulrike. Und alle waren fröhlicher gewesen. Na ja, fast
alle.
„Ich brauche die nicht zu kennen, um sie zu hassen“,
zischte Flo. Ihr war nicht nur der Umzug zuwider, sie
mochte auch Ulrike nicht.
Freddy hingegen schon. Er würde sich allerdings
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lieber auf die Zunge beißen, als das Flo gegenüber
zuzugeben. Ulrike war so erfrischend wie kaltes
Quellwasser an einem heißen Sommertag. Jedenfalls,
wenn man Papa fragte.
Endlich hielt das Auto vor der Nummer 13.
„Da wären wir“, sagte Papa.
Freddy schaute sich um. In dieser komischen Straße
schien es nur eine Art von Geschäft zu geben. Auf
den riesigen Werbeplakaten stand in großen
Buchstaben: „Autoschilder! In zwei Minuten“ – „In
einer Minute“ – „Sofort“ – „Preiswert“ – „Quasi
kostenlos“ – „Umsonst!“
Papas Bandkollegen waren schon da und stiefelten
mit schweren Kisten beladen in das große
Mehrfamilienhaus.
„Kann ich mal gucken gehen?“, rief Freddy. „Darf ich
mein Zimmer selbst aussuchen? Flo, kommst du
mit?“
Doch seine Schwester schien überhaupt nicht daran
zu denken auszusteigen. Sie hatte die Arme vor der
Brust verschränkt und starrte auf die ausgefranste
Bauchtasche ihres Kapuzenpullis. Ihre langen braunen
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Haare verdeckten zur Hälfte ihr blasses Gesicht.
Anscheinend wollte sie einfach im Auto sitzen
bleiben und warten, bis Papa erkannte, dass es eine
dumme Idee gewesen war umzuziehen.
„In welchem Stock wohnen wir?“, fragte Freddy.
„Im dritten“, sagte Papa.
Das war Freddys Startschuss. Er schnallte sich ab und
rannte los.
Das Haus sah aus, als würde es den Kampf gegen ein
grünes Blättermonster verlieren. Nur unten im
Erdgeschoss schaute zwischen den vielen Ranken das
in dieser Straße anscheinend unvermeidliche
Autoschildergeschäft hervor.
Freddy staunte über die vielen verschiedenen
Balkone. Einer war riesengroß, andere winzig klein.
Auf einem stand ein Bienenstock, auf einem anderen
hingen Kräuter an einer Wäscheleine.
Hier gab es ganz sicher Geheimnisse zu entdecken.
Vielleicht lebte im Keller eine noch nicht entdeckte
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Asselart oder im Hof lagen Dinosaurierknochen
vergraben. Oder ihr neuer Nachbar war ein
Piratenkapitän, der sein Gedächtnis verloren hatte.
Freddy und Flo konnten ihm helfen es
wiederzufinden und er würde sie auf die einsame
Insel mitnehmen, wo er seinen Schatz versteckt hatte.
Sie hätten dann Dutzende Koffer voller Goldstücke
und könnten sich so viel Spielzeug und Süßigkeiten
kaufen, wie sie wollten.
Mit klopfendem Herzen stürzte Freddy in den
dunklen Hausflur und stieß fast mit einem großen,
kräftigen Mann zusammen. Es war nicht zu erkennen,
wo dessen dunkelbrauner Bart aufhörte und sein
struppiges Kopfhaar begann.
Ohne Freddy zu beachten, knallte er eine mit
Kratzern übersäte Holztür zu. Er schlurfte über den
Flur zum Autoschildergeschäft. Wortlos verschwand
er darin.
Freddy war wie versteinert stehen geblieben. So einen
wundersamen Typen hatte er noch nie gesehen! Der
hatte ein richtiges Fell gehabt. Er zuckte mit den
Schultern und stapfte die Treppe hoch.
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KAPITEL 2
FLO HAT SCHLECHTE LAUNE
F
lo schaute aus dem Autofenster. Da war die blöde
Straße, in der das blöde Haus stand, in dem die
blöde Wohnung war.
Papa drehte sich lächelnd zu ihr um. „Na, meine
Große, wie wärs, wenn wir uns die neue Wohnung
erst mal angucken, bevor wir wieder zurückfahren?“
„Meinetwegen.“ Flo seufzte tief. In Zeitlupe
entknotete sie ihre verschränkten Arme und schnallte
sich ab.
Sie warf einen wütenden Blick auf Ulrike. Das ganze
Umzugstheater fand nur wegen der da statt. Flo war
völlig unklar, was Papa an Ulrike so toll fand. Ihrer
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Meinung nach war die fast so bescheuert wie Mamas
neuer Freund Klaus.
Plötzlich klopfte jemand direkt neben ihrem Ohr an
die Seitenscheibe.
Flo erschrak und fuhr derart in die Höhe, dass sie mit
dem Kopf an die Autodecke knallte. „Alter!“,
schimpfte sie und rieb sich die schmerzende Stelle.
Neben dem Auto war ein merkwürdiger Kauz mit
grauen Haaren aufgetaucht. Er hatte ein kleines
Gesicht mit schwarzen Knopfaugen und einer spitzen
Nase.
„Schönen guten Tag, Herr Wiesel“, sagte Papa,
während er aus dem Auto stieg. „Nett, dass Sie extra
gekommen sind.“
Ulrike kletterte ebenfalls aus dem Kombi. Sie band
ihre widerspenstigen kastanienbraunen Locken zu
einem Knoten zusammen. Dann gab sie dem Mann
die Hand.
Flo stellte sich neben ihren Vater und blickte
stirnrunzelnd von einem zum anderen.
„Das ist Herr Wiesel, unser Hausverwalter“, erklärte
Papa.
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Herr Wiesel zuckte mit seiner Nase.
Flo fand, dass der Mann tatsächlich Ähnlichkeit mit
dem pelzigen Raubtier hatte.
„Ich wollte nur sichergehen, dass alles klappt“, sagte
der Hausverwalter.
„Das ist aber nett“, antwortete Papa. „Wie Sie sehen,
läuft alles wie am Schnürchen.“
„Gut, gut.“ Herr Wiesel rieb sich seine kleinen
runzligen Hände. „Ich hoffe, es wird Ihnen hier
gefallen. Und es ist überhaupt kein Problem, wenn
Sie in der Wohnung Schlagzeug spielen. Laden Sie
auch ruhig den Rest der Band zum Proben ein. Wenn
etwas ist, melden Sie sich. Ich helfe, wo ich kann.“
Was für ein schmieriger Typ! Flo überkam ein
ungutes Gefühl und das lag nicht nur daran, dass sie
nicht umziehen wollte.
„Ja, vielleicht könnten wir noch mal über die
Befristung des Mietvertrages sprechen“, meinte
Ulrike. „Sie hatten doch gesagt, das stünde nur im
Entwurf.“
„Ja, ja“, erwiderte Herr Wiesel. „Unterschreiben Sie
den erst mal. Wir ändern das dann später noch.“
„Super!“, freute sich Papa. „Vielen Dank.“
„Oder wir ändern das gleich“, schlug Ulrike vor.
„Sicher, sicher“, murmelte Herr Wiesel.
Flo blickte dem Hausverwalter hinterher, der zurück
zu seinem grauen Auto huschte. Ihr war es nur recht,
wenn sie bald wieder ausziehen mussten. Am besten
ohne Ulrike.
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KAPITEL 3
FREDDY WÜNSCHT SICH
ZOMBIES
F
reddy stürmte an Papas kistentragenden
Bandkollegen vorbei. Er rannte durch die
Wohnung und erkundete jedes Zimmer. Am Ende des
Flurs lag ein großer, heller Raum. Freddy war sofort
klar, dass er dort einziehen würde.
Nur der Geruch musste hier raus. Die Luft war zäh
wie Ofenkäse.
Freddy riss das riesige zweiflüglige Fenster auf und
sog die kühle Frühlingsluft ein.
Was für eine Aussicht! So viel Grün.
Er staunte, wie weitläufig der Hof war.
Durch einen kleinen Kräutergarten
schlängelte sich ein schmaler Pfad aus
Feldsteinen. Dahinter erhob sich ein
grasbewachsener Hügel mit
Maiglöckchen und
Vergissmeinnicht. Es gab eine
mit Efeu überwucherte Laube,
eine verschnörkelte Vogeltränke
und eine kleine verwitterte
Steinpyramide. Hinter der Hofmauer
ging das Grün noch weiter. Freddy sah
Gras, Büsche, Bäume und Grabsteine.
Grabsteine?
Was? Wohnten sie etwa an einem
Friedhof?
Das war ja unglaublich
cool! Das musste er sofort
Flo erzählen. Wo war die
eigentlich?
Freddy spürte, wie eine dunkle
Wolke schlechter Laune ins
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Zimmer geweht kam, und drehte sich zu seiner
Schwester um. „Guck doch mal!“ Er zog Flo zum
Fenster. „So ein schöner Garten, und dahinter liegt
ein Friedhof! Ist das nicht supergruselig? Wäre es
nicht cool, wenn es hier Zombies und Gespenster
gäbe? Dann könnten wir sehen, wie die nachts aus
ihren Gräbern steigen. Glaubst du, Papa und Ulrike
erlauben, dass wir bis Mitternacht aufbleiben – nur
für alle Fälle?“
„Meine Güte, Freddy. Chill mal!“, sagte Flo. „Das ist
nur ein megalangweiliger Friedhof. Da wird
überhaupt nix passieren. Ist mir total egal, wie lange
du aufbleibst, solange du mich nicht nervst, klar?“
In diesem Moment tauchte Papa in der Tür auf. „Na,
ihr beiden, wie findet ihr die neue Wohnung?“
„Super!“, rief Freddy.
„Ätzend!“, rief Flo.
„Nun, ich schlage vor, jeder packt jetzt mal seine
Sachen aus. Dann wird es gleich viel gemütlicher“,
sagte Papa. „Schaut mal, wie hoch die Decken hier
sind! So was habe ich noch nie gesehen. Als hätte hier
vorher ein Riese gewohnt. Da haben wir richtig viel
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Platz für dein Hochbett, Flo. Und auf der breiten
Fensterbank kannst du nachmittags immer mit Blick
auf den Garten sitzen und lesen.“
„Ich kann eh nicht gleichzeitig rausgucken und lesen“,
maulte Flo. „Von mir aus könnte im Hof auch 'ne
verdammte Müllhalde sein. Unsere alte Wohnung war
viel schöner. Und wie soll ich denn jetzt Kathi
besuchen?“
„Zu Kathi kannst du doch mit der U-Bahn fahren“,
versuchte Papa zu beschwichtigen. „Das ist nur eine
Station. Oder du nimmst das Fahrrad. Jetzt gib der
Sache mal 'ne Chance, okay?!“
„Ich will aber nicht mit dem zusammenwohnen!“,
sagte Flo und zeigte auf Freddy. „Ich will mein eigenes
Zimmer.“
„Aber Ulrike braucht doch ihr Büro, um zu …“
Weiter kam Papa nicht.
„Ulrike, Ulrike! Alles wegen der!“, schrie Flo. „Kann
die nicht in der Kanzlei arbeiten? Und vielleicht sogar
da wohnen? Die kann doch unter ihrem Schreibtisch
schlafen.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Ich
wünschte, es wäre wieder so wie früher!“
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Sollte er Flo trösten oder fände sie das uncool?
Freddy beschloss, es zu riskieren, und legte ihr sacht
den Arm um die Schulter.
Papa kuschelte sich dazu. „Ich weiß, das ist jetzt alles
ein bisschen viel für euch. Aber ich verspreche, dass
es auch wieder besser wird.“ Während er das sagte,
versuchte er Freddy und Flo gleichzeitig
hochzuheben. Ungelenk stolperte er mit ihnen durchs
Zimmer. „Wir machen erst mal einen Schritt nach
dem anderen. In den Osterferien werde ich hier
zwischen den Fenstern eine Wand ziehen.“
„Nur eine Wand?“, fragte Flo. „Und ich soll dann zum
Fenster reinfliegen, oder wie?“
Zusammen fielen sie auf Flos plüschigen Sitzsack.
Freddy musste lachen und sogar Flo konnte sich ein
Lächeln nicht verbeißen.
„Nein, wir bauen natürlich eine Tür in die Wand.“
„Wenn du das baust“, sagte Flo, „wird das doch
krumm und schief.“
„Na, hör mal!“ Papa grinste.
„Eine krumme Wand wäre doch toll!“, meinte Freddy.
„Dann sähe es hier aus wie in einem Hexenhaus.“
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„Auf jeden Fall hätte dann jeder von euch ein eigenes
Zimmer. Die Wand können wir auch streichen, wie
ihr wollt. Worauf hättet ihr denn Lust?“, wollte Papa
wissen.
„Ich will einen Hexenwald!“, rief Freddy. „Oder eine
Wüste mit Pyramiden und Mumien. Am besten wäre,
wenn sich die Mumien auch noch bewegen könnten.
Kriegst du das hin? Vielleicht wie bei diesen
Wackelbildern.“
„Ich will eine schwarze Wand“, sagte Flo.
„Wie wäre es mit irgendwas dazwischen?“, fragte
Papa. „Na, wir können ja noch eine Nacht darüber
schlafen. Ich packe jetzt erst mal weiter aus.“ Er
erhob sich ächzend aus dem Sitzsack, strubbelte
Freddy über den Kopf und drückte Flo einen Kuss auf
die Stirn. Sie verzog angewidert das Gesicht.
Freddy sprang auf und lief zum offenen Fenster.
Sehnsüchtig schaute er zum Friedhof hinüber.
Und wenn es hier nun doch spukte? Wie cool wäre
das denn?
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KAPITEL 4
POPPY VERFLIEGT SICH
E
in großer, runder Vollmond stand am schwarzen
Nachthimmel, als sich Populonia Papadopoulos
auf den Heimflug machte. Sie kam vom Kreuzberg,
auf dessen Spitze sie versucht hatte, die
Schwimmhäute zwischen ihren Fingern wegzuhexen.
Die waren zurückgeblieben, als sie sich letzten Freitag
in einen Teichmolch verwandelt hatte, um der
Fliegenplage in ihrer Wohnung Herr zu werden.
Leider war sie nicht allmächtig. Es gab beim Hexen
jede Menge nervige Probleme. Manche Zauber
wirkten nur um Mitternacht oder mithilfe von sieben
mal sieben Marienkäferflügeln.
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Obwohl sie heute alle Regeln zum Weghexen von
Tierkörperteilen eingehalten hatte, waren die
Schwimmhäute noch da. Verärgert rubbelte sie
zwischen ihren Fingern herum.
Der Wind frischte auf. Die bunten Röcke flatterten
wild um ihre Beine. Poppy steuerte über den
Friedhof. In der Ferne blinkte das warme Licht ihrer
Küchenlampe. Sie schlang den gestreiften Schal ein
weiteres Mal um den Hals und versuchte mit der
anderen Hand den blauen Filzmantel zuzuknöpfen.
Plötzlich drohte ihr der kleine gelbe Hexenhut vom
Kopf zu wehen. Sie rettete ihn gerade noch
rechtzeitig.
Freihändig schlenkerte sie ein Stück in der Luft und
fiel fast von ihrem Handfeger. Da entdeckte sie, dass
das Fenster zu ihrer Küche offen stand. Sie riss den
Stiel herum und krachte ins Zimmer, wobei sie etwas
Großes, Weiches mit sich riss.
Verwirrt rappelte sie sich auf. Vor ihr standen zwei
eigenartige Gestalten in flauschigen Schlafanzügen
und starrten sie mit offenen Mündern an.
„Na so was“, wunderte sich Poppy. „Was macht ihr
denn hier? Und was habt ihr mit meiner Küche
gemacht?“
Statt der mit Einmachgläsern und Fässchen
vollgestopften Regale und des großen gusseisernen
Herds sah sie ein Stockbett, einen Schrank, zwei
Schreibtische und jede Menge Umzugskisten.
„Das ist nicht deine Küche“, rief das Mädchen. „Das
ist unser Zimmer!“
„Was machst du denn hier?“, fragte der Junge. „Und
wie bist du reingekommen?“
Das Hexenmädchen runzelte die Stirn.
„Hm … ich dachte, ich würde das
richtige Stockwerk anfliegen. Ist das
nicht der zweite Stock?“
„Nein, das ist der dritte“, meinte die
größere der beiden Gestalten.
„Was meinst du mit
‚anfliegen‘?“, wollte die
kleinere wissen und schielte
auf ihren Handfeger. „Und
wer bist du überhaupt?“
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„Mein Name ist Populonia Papadopoulos, aber alle