Heinz Bachmann (Hrsg.)
Kompetenzorientierte Hochschullehre
Die Notwendigkeit von Kohärenz zwischen Lernzielen,
Prüfungsformen und Lehr-Lern-Methoden
Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung, Band 1
Eine Publikation des ZHE – Zentrum für Hochschuldidaktik
und Erwachsenenbildung der Pädagogischen Hochschule Zürich
ISBN Print: 978-3-0355-0179-7
ISBN E-Book: 978-3-0355-0189-6
2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2014
Alle Rechte vorbehalten
© 2014 hep verlag ag, Bern
www.hep-verlag.ch
Vorwort zur Reihe Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung
Zum Aufbau des Buches und Lesetipps
Hochschullehre im Lichte der Bologna-Reform und neuerer Erkenntnisse aus der Lernforschung
Auf dem Weg zu einer neuen Lehr-Lern-Kultur
Verschiedene Vorstellungen von Lernen und Lehren
Warum Kompetenzen?
Kompetenzprofile
Neue Rolle der Dozierenden und Studierenden
Zusammenfassung
Literatur
Grundsätzliche Überlegungen zu Zielen
Was sind learning outcomes?
Lernzieltaxonomien
Fachliche Lernziele
Überfachliche Lernziele
Checkliste zum Formulieren von learning outcomes
Beispiele für Lernergebnisformulierungen
Zusammenhang von beruflichen Anforderungen, Kompetenzen und Lernzielen
Kohärenz von Lernzielen, Lehr-/Lernformen und Prüfungen
Zusammenfassung
Literatur
Aufbau
Weshalb beurteilen wir? – Funktionen von Leistungsnachweisen
Gesellschaftliche Funktion von Leistungsnachweisen – Berechtigung
Didaktische Funktionen von Leistungsnachweisen – Lernoptimierung
Was beurteilen wir – was verstehen wir unter Leistung?
Zu beurteilende Leistungen
Konvergente und divergente Leistungen
Vor welchem Hintergrund beurteilen wir Leistungen?
Zuverlässigkeit und Qualität von Leistungsmessungen
Gütekriterien
Exkurs – Beobachtungs- und Beurteilungsfehler
Zwischenfazit
Formen von Leistungsnachweisen
Schriftliche Klausur
Mündliche Prüfung
Referate
Schriftliche Arbeiten
Wissenschafts-/fachpraktische Tätigkeit
Studientagebücher und Lernjournale
Forumsbeiträge im Internet
Portfolios
Weitere Formen von Leistungsnachweisen
Kompetenzorientierte Leistungsnachweise –
Passung von Lernzielen und Prüfungen
Beurteilen, Kommentieren und Benoten von Leistungen
Selbst- und Peerbeurteilung – Einbezug der Studierenden
Wann Feedbacks am meisten nützen
Beurteilungsraster
Notengebung
Checkliste zur Durchführung von Leistungsnachweisen
Zusammenfassung
Literatur
Einführende Gedanken – Selbststudium: Was ist daran neu?
Aufbau des Beitrages
Eine theoretische Annäherung
Prämisse: die oder der aktiv-konstruktive Lernende
Kritische Stimmen
Begleitetes Selbststudium
Ausgangspunkt für die didaktische Ausgestaltung begleiteten Selbststudiums
Begleitetes Selbststudium konzipieren: Erfahrungen und Leitideen
Erfahrungen aus der Praxis: Das St. Galler Konzept des begleiteten Selbststudiums
Leitideen für die Gestaltung von Selbststudium
Selbststudium gestalten
Lernziele
Methodische Umsetzung
Bedeutung von Prüfungen für das Lernverhalten
Ein kohärenter Dreisprung – Beispiele
International Economics
Wirtschaftsrecht
Zusammenfassung – Selbststudium gestalten: Auf den Einzelfall kommt es an
Literatur
Einleitung
Das menschliche Hirn – ein gigantisches Netzwerk
Elemente des Langzeitgedächtnisses
Bewusstes Gedächtnis
Unbewusstes Gedächtnis
Das Gedächtnis als neurophysiologisches Netzwerk
Neuronale Netze und Synapsen
Statistisches Lernen in Netzwerken
Gedächtnis als assoziatives Netzwerk
Vorläufer: Ein semantisches Netzwerkmodell des Gedächtnisses
Weiterentwicklung: Gedächtnismodell des Search for Associative Memory (SAM)
Aufmerksamkeit als Verstärkungsmechanismus
Schlaf und Aktivierung von Aufmerksamkeit
Selektive Aufmerksamkeit
Gefühle als Verstärkungsmechanismus
Typische Eigenschaften des assoziativen Gedächtnisses
Praktische Folgerungen für das Lernen an der Hochschule
Zusammenfassung
Literatur
Glossar
Anhang
Über die Autorin und die Autoren
Dozierende an Hochschulen lehren, prüfen, beraten, forschen, organisieren Wissens- und Technologietransfer durch Weiterbildung und Dienstleistungen, betreiben Projektmanagement und engagieren sich in der Qualitätsentwicklung der eigenen Hochschule.
Lehre und Unterricht an Hochschulen und die Hochschulentwicklung sind zudem durch die Umsetzung der Bologna-Deklaration besonders herausgefordert: Dozierende gestalten gemeinsam Curricula oder einzelne Module, planen Leistungsnachweise, integrieren Phasen von selbstorganisiertem Lernen oder implementieren Konzepte wie problem-based learning in ihren Lehrveranstaltungen.
Das ZHE, Zentrum für Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung, wurde 2009 an der Pädagogischen Hochschule Zürich gegründet und unterstützt Hochschulen und ihre Dozierenden bei den oben beschriebenen Herausforderungen durch Weiterbildung und Beratung.
Themenschwerpunkte des ZHE sind u.a. Studierendenorientierung, Rollenvielfalt bei Dozierenden, kompetenzorientierte Lehre, erwachsenenbildnerisches Handeln in der Lehre an Hochschulen und Hochschulentwicklung.
Mit der Reihe «Forum Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung» haben wir uns zum Ziel gesetzt, Diskussionen und Auseinandersetzungen um aktuelle und praxisrelevante hochschuldidaktische Fragen anzuregen sowie Dozierenden an Fachhochschulen und Aus- und Weiterbildungsverantwortlichen in weiteren Institutionen der Erwachsenenbildung nützliche Reflexions- und Handlungsinstrumente zur Verfügung zu stellen.
Jeweils eine Person oder ein Team aus dem ZHE oder dessen Umfeld verantwortet als Herausgeber einen Band; wir planen mindestens zwei Publikationen pro Jahr.
Wir haben uns für den ersten Band entschieden, den Themenbereich «Kompetenzen in der Hochschullehre» näher zu beleuchten. Herausgeber dieses Bandes ist Dr. Heinz Bachmann; er leitet seit zehn Jahren den CAS Hochschuldidaktik am ZHE, resp. an der PH Zürich.
Geplant sind weiter folgende Bände:
►Zwischen Beraten und Dozieren
►Lernendenorientierung in der Hochschullehre
►Hochschullehre variantenreich gestalten
►Leadership in der Hochschullehre
Bitte kontaktieren Sie uns für Rückmeldungen oder Ideen in Bezug auf Themen. Wir wünschen Ihnen viele Anregungen.
Dr. Geri Thomann, Leiter ZHE,
Zentrum für Hochschuldidaktik und Erwachsenenbildung
geri.thomann@phzh.ch
http://hochschuldidaktik.phzh.ch/
Es ist eine Realität, dass Dozierende an Hochschulen neben ihrer Lehrtätigkeit auch in der Forschung tätig sind oder aber wie an Fachhochschulen oft noch in der Wirtschaft arbeiten. Diese Doppelfunktion hat durchaus ihre Vorteile, führt aber mitunter dazu, dass Dozierende oft nicht über die gewünschte Zeit verfügen, sich vertieft mit der Lehre auseinanderzusetzen. Erschwerend kommt hinzu, dass in den letzten Jahren mit der Bologna-Reform auch die traditionelle Lehre grundsätzlich infrage gestellt wurde. Diesem Umstand will die vorliegende Publikation Rechnung tragen und Orientierung und Anleitung bieten für zeitgemässes Hochschullernen/-lehren. Dabei besteht die Absicht, nicht ein umfassendes didaktisches Werk zu präsentieren, sondern ein Kompendium mit konkreten Hinweisen, wie das Hochschullernen gestaltet werden kann.
Ausgangspunkt der Publikation ist ein CAS-Lehrgang (Certificate of Advanced Studies) in Hochschuldidaktik, mit dem schon weit über 200 Dozierende aus den verschiedensten Fachgebieten ausgebildet worden sind – Ärztinnen, Physiotherapeuten, Juristinnen, Pädagogen, Umweltwissenschafter, Dozierende von Kunsthochschulen, Sprachwissenschafterinnen, Mathematiker etc. Rückmeldungen der Teilnehmenden flossen in die Themenauswahl ein und haben bestätigt, dass wissenschaftsbasierte Ansätze mit konkretem Praxisbezug gefragt sind.
Lehren an Hochschulen bedeutet, sich darüber Gedanken zu machen, was die Lernenden am Schluss «können» sollen. Während die oder der Lehrende traditionellerweise eher spät im Prozess auch an die Formulierung von Prüfungsaufgaben oder Leistungsnachweisen denkt, ist dies häufig der Ausgangspunkt der Studierenden. Was letztlich in der Prüfung kommt, steuert in nicht unerheblichem Masse die Aufmerksamkeit und das Lernverhalten der Studierenden während des Semesters. In der Realität ist die Planung von Lernprozessen meist ein zirkulärer Prozess. Entscheidend ist letztlich ein kohärentes Zusammenspiel zwischen Lernzielen, Prüfungsformen und Lehr-Lern-Methoden.
Im gegenwärtigen Verständnis der lernerorientierten Hochschullehre beginnt eine ideale Lehrveranstaltungsplanung mit Überlegungen zur Lernzielformulierung. Es geht nicht darum, was die oder der Dozierende zu bieten hat, sondern welche Ziele für die Lernenden relevant sind. In einem zweiten Schritt wird eine adäquate Prüfungsform ausgewählt, welche einen Rückschluss darüber erlaubt, in welchem Masse die formulierten Ziele erreicht werden. Erst beim dritten Schritt stellt sich die Frage nach dem Lehrveranstaltungsdesign. Wie können Lernende beim Kompetenzerwerb unterstützt werden? Bei diesem Design sollte nach neueren lernpsychologischen Erkenntnissen der Eigentätigkeit der Studierenden besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dieser Logik der Lernveranstaltungsplanung folgt auch der Aufbau dieses Buches. Im ersten Beitrag finden Sie eine Einführung zur Neuorientierung in der Lehre an Hochschulen. Zudem werden der Begründungszusammenhang und der Rahmen für die nachfolgenden Themen beschrieben. Beitrag 2 beschäftigt sich mit kompetenzorientierten Lernzielformulierungen. An dieser Stelle geht ein grosses Dankeschön an Pamela Alean (Universität Zürich), die das Gerüst für dieses Kapitel geliefert hat. Beitrag 3 beschreibt, wie Leistungsnachweise lernzielorientiert und passend zur methodischen Umsetzung von Lehr- und Lernhandlungen gestaltet werden können. Im vierten Beitrag wird ausgehend von den Erfahrungen mit einer Konzeption des begleiteten Selbststudiums an der Universität St. Gallen exemplarisch erläutert, wie Lernumgebungen gestaltet werden können, damit der viel beschworene shift from teaching to learning stattfinden kann.
Der verstärkte Fokus auf dem Lernen der Studierenden setzt bei den Dozierenden ein Grundverständnis für entsprechende Theorien voraus. Jeder Dozent und jede Dozentin ist Fachexperte/Fachexpertin und Lernexperte/Lernexpertin zugleich. Aus diesem Anlass ist in der überarbeiteten zweiten Auflage dem Thema Lernen ein eigenes, zusätzliches 5. Kapitel gewidmet. Lutz Jäncke, Inhaber des Lehrstuhls für Neuropsychologie an der Universität Zürich, erklärt in seinem Beitrag, wie menschliches Lernen aus Sicht der Neuropsychologie verstanden wird und welche Konsequenzen sich daraus für die Hochschullehre ableiten lassen.
Diese Einsichten sind umso bedeutender, je mehr Dozierende sich auch mit didaktischen und methodischen Neuerungen und Versprechungen im Bereich des Lernens mit neuen Medien beschäftigen müssen. Der Hoffnung, dass damit das Lernen der Studierenden grundsätzlich auf den Kopf gestellt wird, muss eine Absage erteilt werden. Trotz World Wide Web, E-Learning, Lern-Apps, Software-Programmen, MOOC (massive open online courses) etc. hat sich die menschliche Biologie, unsere Hardware des Denkens und Behaltens, über Jahrtausende wenig geändert. Lernen findet immer noch an Synapsen im Hirn statt und findet seinen Niederschlag in der Biologie des Gehirns. Der deutsche Neurobiologe Manfred Spitzer bemüht zur Erklärung dieser Vorgänge im Hirn das Bild einer verschneiten Winterlandschaft (Spitzer 2004, S.46). Ein Mensch, der eine solche Landschaft durchquert, hinterlässt eine Spur. Damit die Spur trotz weiteren Schneefällen Bestand hat, muss sie häufig benutzt werden. Das Gleiche gilt für das Lernen. Um eine Gedächtnisspur zu legen, muss man Inhalte festigen und die Spur in zeitlichen Abständen benutzen. Nur so hat sie Bestand und wird nicht von neuen Schneefällen, sprich Informationen zugedeckt.
Den Flaschenhals des Lernens bildet also die Biologie des Menschen und weniger die Methode der Darbietung, wie immer wieder suggeriert wird. Lernen heisst, sich Zeit zu nehmen, zu üben, Inhalte miteinander in Beziehung zu bringen, zu vernetzen und in konkreten Problemsituationen anzuwenden. Zugegebenermassen kann dies intelligenter oder weniger intelligent gemacht werden, aber der limitierende Faktor – die Zeit und die Stoffmenge, respektive Stoffkomplexität – bleibt bestehen. Die menschliche Aufnahme- und Verarbeitungskapazität hat sich über die Jahrtausende nicht wesentlich verändert. Ein Kernproblem der Lehre bleibt also nach wie vor die Stoffreduktion. Was ist es wert gelernt zu werden und mit welcher Nachhaltigkeit? Was kann, ja muss weggelassen werden? Vor allem muss man sich der Herausforderung stellen, dass unter Umständen einmal Gelerntes auch vergessen werden muss – damit man nicht alte Trampelpfade benutzt, statt neue Wege zu begehen. Jeder kennt das Problem – spätestens beim Up-date einer Software, wenn man routiniert immer wieder dieselbe Mausbewegung ausführt, obwohl der entsprechende Button von links nach rechts verschoben wurde. Die Macht der Gewohnheit lässt uns an ständigen Neuerungen oft kläglich scheitern.
Wir ertrinken in einer Informationsflut und hungern trotzdem nach Wissen.
(Rutherford, D. Rogers, Bibliotheksvorstand, Yale, 1985)
Was das menschliche Lernen wirklich einmal grundsätzlich verändern könnte, sind Neuroenhancer, gentechnisch veränderte Menschen oder implantierte Computerchips. Ob das wünschenswert, technisch machbar oder gar unausweichlich ist, ist allerdings nicht Gegenstand der heutigen und unmittelbaren Zukunft in der Hochschullehre.
Mithilfe des Inhaltsverzeichnisses und den Zusammenfassungen am Ende der einzelnen Beiträge können Sie sich relativ rasch einen Überblick über das Buch verschaffen. Checklisten am Ende verschiedener Kapitel fungieren als Erinnerungshilfen beim Umsetzen der einzelnen Themenschwerpunkte. Das Buch wird abgerundet mit einem Glossar, in welchem die wichtigsten Schlagworte der im Text erwähnten hochschuldidaktischen Begriffe erklärt werden. Die Stichworte geben Ihnen Hinweise, welche Themen in der aktuellen Diskussion um das Hochschullernen eine Rolle spielen.
Diese Publikation entstand aus der Überzeugung, dass der in breiten Kreisen diskutierte shift from teaching to learning an Hochschulen mit dem nötigen Bewusstsein, Wissen und Können bei den Dozierenden mit vernünftigem Aufwand erfolgreich umgesetzt werden kann.
Heinz Bachmann