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Über dieses Buch:

England im Jahr 2123: Nach dem Ende der Blutkriege ist nichts mehr, wie es vorher war. Die Angehörigen der Condannato-Loge werden wie Sklaven behandelt und in Arbeiterkolonien gefangen gehalten, wo jedem von ihnen ein geklonter Mensch als Nahrung dienen soll … und als nichts anderes. Der Vampir John ist nicht bereit, sich diesem Gesetz zu beugen: In ihm regen sich Gefühle für seine neue Klon-Frau, die weit über den Genuss ihres Blutes hinausgehen. Auch die rebellische Penny fühlt sich auf verbotene Art zu ihrem Besitzer hingezogen. Doch dann erwachen in ihr uralte Erinnerungen, die nicht ihre eigenen sein können – und sie beginnt, von einem anderen Mann zu träumen, der vor langer Zeit eine Sterbliche liebte …

Gestern, heute, morgen: Sandra Henke und Kerstin Dirks erzählen in der Condannato-Trilogie von unstillbarem Verlangen und lodernden Gefühlen, die Jahrhunderte überdauern.

Über die Autorinnen:

Sandra Henke, geboren 1973, gehört zu den Autorinnen, die sich nicht auf ein Genre beschränken, sondern ihre Leserinnen auf die unterschiedlichste Art begeistern – mit großen Liebesgeschichten, Fantasyromanen und erotischer Literatur. Unter dem Namen Laura Wulff veröffentlicht Sandra Henke außerdem erfolgreich Thriller. Sie lebt, glücklich verheiratet, in der Nähe von Köln. Mehr Informationen finden sich auf den Websites der Autorin (www.sandrahenke.de und www.LauraWulff.de) und auf Facebook: https://www.facebook.com/sandra.henke.autorin

Kerstin Dirks, 1977 in Berlin geboren, hat eine Ausbildung zur Bürokauffrau absolviert und Sozialarbeit studiert. Sie schreibt seit mehreren Jahren erotische Romane, historische Liebesromane und Fantasy. Die Autorin im Internet: http://www.kerstin-dirks.de/

Eine Übersicht über die bei venusbooks erschienenen Werke von Sandra Henke und Kerstin Dirks finden Sie am Ende dieses eBooks.

Die Trilogie um die Vampirloge Condannato von Sandra Henke und Kerstin Dirks umfasst die folgenden Bände:

Die Condannato-Trilogie – Erster Band: Begierde des Blutes

Die Condannato-Trilogie – Zweiter Band: Zähmung des Blutes

Die Condannato-Trilogie – Dritter Band: Rebellion des Blutes

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eBook-Neuausgabe Februar 2015

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Copyright © der Originalausgabe 2007 Plaisir d'Amour Verlag, Lautertal

Copyright © der Neuausgabe 2015 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2015 venusbooks GmbH, München

Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Bildmotivs von shutterstock / PawelSierakowski.

ISBN 978-3-95885-033-0

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Sandra Henke & Kerstin Dirks

Rebellion des Blutes

Dritter Roman

der Condannato-Trilogie



venusbooks

Kapitel 1

Der Raum war kahl. Keine Tapete. Keine Fliesen. Kein Fenster. Nur ein Kubus aus Beton, dessen Putz so rau aussah, als könnte man sich die Haut aufschürfen, würde man sich auch nur lässig dagegenlehnen. Nicht einmal eine Spinne hatte sich an diesen Ort verirrt. Hier wollte niemand sein. Auch die junge Frau nicht, die bei der Kühle des Eisenstuhls, auf dem sie saß, erschauerte. Stahlklammern fixierten ihre Arme und maßen gleichzeitig Blutdruck und Puls. Die Hände steckten in eisernen Handschuhen, die mit dem Stuhl verschweißt waren und jede verdächtige Vibration aufzeichneten. Ein Stahlring, der um die schlanke Taille der Frau lag, nahm die Atmung wahr. Man hatte ihr die braunen Locken am Hinterkopf zusammengebunden, damit man jede Regung auf ihrem Gesicht ablesen konnte. In dieser Situation war sogar Blinzeln verräterisch. Doch es gab seltsamerweise keine Kameras. Dies war ein Ort, an dem höchst geheime Befragungen durchgeführt wurden. Nichts davon sollte nach außen dringen, auch die Konsequenzen nicht.

»Wie lautet Ihre Bezeichnung?«

»CH-4-2119, Sir«, antwortete sie leise und versuchte den Mann auszumachen, der ihr die Frage gestellt hatte. Sie erkannte nur seine Silhouette, denn die Scheinwerfer, die zwischen seinem Schreibtisch und ihrem Stuhl standen, blendeten sie.

»Wofür steht dieser Code?«

Sie spürte Zorn in sich aufsteigen und kämpfte dagegen an. Penny, mein Name ist Penny Whistle, schrie sie – aber nur in Gedanken, denn diese konnten die Audax Vampire noch nicht lesen und der Verhörstuhl nicht aufzeichnen. Es schmerzte, ganz bewusst vor Augen geführt zu bekommen, dass man nur ein Geschöpf war, ein Objekt, mehr denn ein Subjekt, erschaffen, um den Vampiren zu dienen. Manchmal vergaß sie sogar, dass sie tatsächlich lebte. Um der Gefahr entgegenzuwirken, sich mechanisch in die Machtordnung Großbritanniens zu fügen, hatten die Rebellen beschlossen, dass jedes Mitglied einen Eigennamen wählen durfte. Sie benutzten die Namen nur, wenn sie alleine waren, denn den Klonen stand es nicht zu, einen Namen zu tragen.

»Wofür steht die Bezeichnung?«

Hugh Fridgson wurde ungeduldig. Penny kannte den Sniffer, ein Vorzeigeschnüffler von Premierminister Santagos, denn Hugh war vor Anbruch der neuen Ära ein Ratsherr des Logenverbandes Vita Eterna gewesen. Lord Barnaby Taken, wie er damals noch hieß, war offiziell zum Verräter geworden und hatte sich Santagos unterworfen, nachdem dieser den Audax Vampiren sein mächtiges Blut zu trinken gegeben hatte. Dadurch wurden die Audax zu starken Soldaten und gewannen den Blutkrieg. Der Prime Lord führte Fridgson gerne vor, um allen zu demonstrieren, dass er, Santagos, angeblich selbst Vita Eterna samt »Herz«, der Loge Condannato, unterjocht hatte – einst seine erbittertsten Gegner. Der Weg schien frei – doch im Untergrund brodelte es.

»CH bedeutet, dass ich aus der DNA der Menschenfrau Charlene geklont wurde, Sir«, antwortete Penny. Sie versuchte sich zu beruhigen, indem sie an den betörenden Klang der Tin Whistle dachte, der filigranen Schnabelflöte aus Blech mit sechs Grifflöchern. Ihr Freund Guy Chang hatte ihr das irische Volksinstrument einst geschenkt, und sie hatte sich danach benannt – Penny Whistle. Die Flöte stand auf dem Index wie jede andere Form der Unterhaltung, und so versteckte Penny sie gut, dieses Kleinod, ihr persönliches Symbol der Freiheit. Durch Santagos war Großbritannien zum Wirtschaftsimperium gewachsen. Arbeiten war der Inhalt eines jeden Lebens, auch das der Vampire.

»4 steht für die Generation«, erklärte Penny den Code, obwohl Hugh ihn besser kannte als sie, lebte er doch schon seit Jahrhunderten und hatte die Einführung des Klonens 2030 miterlebt. Die Audax Vampire waren nach dem Fall von Vita Eterna im Jahr 2022 über Großbritannien hergefallen und hatten schrecklich gewütet. Bis sie vor dem Problem standen, dass ihnen das Blut ausging. Mittlerweile gab es synthetisches Blut, aber das befriedigte sie nicht so wie frisches Menschenblut. Außerdem brauchten sie Arbeiter.

»Ich bin das vierte Reprodukt, das aus dem Muster Charlene geschaffen wurde, Sir. Im Jahr 2119 erweckte man mich.«

Die Arroganz in Fridgsons Stimme übertraf sogar noch die Kälte, die darin lag. »Sie wohnten bis gestern mit Ihrem Sharer George Slay in Einheit 2, Bezirk Old Chelsea in High London.«

Da er eine Pause ließ, als würde er eine Antwort auf eine nicht gestellte Frage erwarten, sagte sie leise: »Ja, Sir.«

»Slay verstarb gestern Nacht um 0.30 Uhr.«

Wieder eine Pause. Wollte er sie damit mürbe machen? Das würde er nicht schaffen. Die Rebellen hatten diese Situation unendliche Male durchgespielt. Im Untergrund hatten sie heimlich Verhöre, Verhaftungen und Bespitzelungen geprobt, damit jeder Rebell in entscheidenden Momenten die Nerven behielt. Doch dies war keine Lektion. Die Gefahr raubte Penny die Luft zum Atmen. »Man hat mich darüber noch gestern Nacht aufgeklärt. Die Sniffer fanden mich schlafend in der Wohneinheit vor, weckten mich und verbanden mir die Augen, um mich an diesen Ort zu bringen. Seitdem warte ich.«

»Ist es Ihnen unangenehm zu warten?«

Er wurde persönlich. Penny war auf der Hut. »Selbstverständlich nicht, immerhin ist mein Sharer tot.«

»Können Sie tatsächlich Mitleid für einen Vampir aufbringen?«

»Vampire sind unsere Herren.« Diese Worte kamen ihr unendlich mühsam über die Lippen. Sie wusste, dass die Anzeigen auf den Monitoren in diesem Augenblick rot aufblinkten – denn Penny war erregt und sagte nicht, was sie meinte – und dies zeigten die Monitore an.

Plötzlich schaltete der Sniffer die Scheinwerfer aus. Er stand auf, trat um den Schreibtisch herum und setzte sich auf die Tischkante.

Penny musste sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Lediglich die erleuchteten Monitore erhellten den Betonkubus. Erst jetzt sah sie hinter dem Tisch Apparaturen, die durch Kabel mit dem Eisenstuhl, auf dem sie saß, verbunden waren. Hinter der Gerätschaft hockte ein bebrillter Audax Vampir, dessen Blick argwöhnisch zwischen Penny und den Anzeigen hin und her ging. Neben ihm stand ein bulliger Wächter – starr wie eine Statue.

»George Slay ist in die Mischmaschine der BLOODY BISCUIT COMPANY gefallen. Nun mag dies ein tragischer Unfall gewesen sein – oder auch nicht.« Er kraulte nachdenklich seinen grau-braunen Bart, der ebenso akkurat gestutzt war wie die Haare über den Ohren, die daumenbreit über den Ohrläppchen endeten; die Haut darunter war glattrasiert worden.

Penny dachte an einen Stein, einen harten, kalten Stein, der keine Gefühle besaß und einfach nur da herumlag. Guy hatte ihr diesen Trick verraten. Wann immer sie ihre Fassung zu verlieren drohte, sollte sie in sich gehen, versuchen tief und ruhig zu atmen und sich vorzustellen, sie wäre ein Stein. Es wirkte, allerdings nur so lange, wie Fridgson nicht ihre Konzentration störte.

»Sie haben mit ihm zusammengelebt, auch wenn Sie sich nur während Ihrer Zero-Phasen zwischen den Schichten um 6 und 8 Uhr morgens und 18 und 20 Uhr abends gesehen haben, um seine Anweisungen entgegenzunehmen. Ist Ihnen etwas aufgefallen?«

»Nein, Sir«, antwortete sie kurz, denn je weniger sie sagte, desto geringer war die Gefahr, dass sie Verdacht erregte. Nur nicht zittern, ermahnte sie sich.

Fridgson hätte mit seinen vampirischen Fähigkeiten die Wahrheit aus ihr herauskitzeln können, doch seit einem Vorfall in der Vergangenheit war dies verboten. Da hatte nämlich ein Sniffer seine Ansichten auf den zu verhörenden Verdächtigen projiziert gehabt, anstatt ihm die Zunge zu lockern. Der Verdächtige war zum Tode verurteilt worden und hatte, wie sich später herausstellte, ein Geheimnis mit ins Grab genommen, das Santagos nur allzu gerne erfahren hätte. Angeblich hatte es mit seinem Sohn zu tun, doch dies mochte nur eins der vielen Gerüchte sein, die über den Prime Lord kursierten, denn soweit bekannt war, hatte er keine Kinder.

»Slay und Sie haben sich einen Arbeitsplatz geteilt. Er arbeitete nachts und Sie tagsüber. Ist Ihnen bei BLOODY BISCUIT etwas aufgefallen?«

»Alles war wie immer, Sir.« Penny verspürte den starken Drang, sich zu bewegen. Sie fühlte sich eingeengt durch die stählernen Fesseln und befürchtete, einen Fehler zu machen. Sie wollte eher sterben, als die Rebellen zu verraten.

Fridgson betrachtete sie von oben herab. Er schritt um sie herum und blieb hinter ihr stehen. »Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrem Sharer?«

Bemüht, sich nicht verunsichern zu lassen, antwortete sie mit belegter Stimme: »Es gab kein Verhältnis.«

»Aber Sie haben ihm gedient.« Er legte die Hand auf ihre Schulter.

Penny schluckte. Ein falsches Wort und die Audax Vampire würden sie foltern, bis sie den Aufenthaltsort und die Namen der Rebellen preisgab, damit die Qualen aufhörten. Niemand widerstand der Folter, die das britische Regime vor dem Ausland geheim hielt, um die wirtschaftlichen Beziehungen nicht zu gefährden. Durch die neue Ordnung wurde allzeit gearbeitet in Großbritannien, es standen die doppelten Kapazitäten zur Verfügung und somit konnte dieses Land auch doppelt so schnell wachsen. Zuerst schienen die Vampire ein Fluch für das Land zu sein, doch mittlerweile schauten Ausländer neidisch auf die Insel. Sie bezahlten horrende Preise für Kekse, deren Inhaltsstoffe Vampirblut enthielten und einen jüngeren, strahlenden Teint versprachen. Tomatensaft mit Vampirblut wurde literweise verschifft, denn es neutralisierte Alkohol.

Fridgson drückte sanft Pennys Schulter und weckte sie aus ihren Gedanken.

»Er war mein Sharer«, wiederholte sie und klang wenig überzeugend.

»Haben Sie sich gut verstanden?«

»Ich habe den Haushalt geführt. Er hat mir dann und wann Blut abgezapft. Mehr war da nicht.«

»Sie haben sich nie unterhalten?«

»Nein, Sir.« Das Verhältnis zwischen Slay und ihr war kühl gewesen. Er hatte, wie die meisten Vampire, Repros verabscheut und sie kaum beachtet. Penny war das recht gewesen, konnte sie doch dadurch intensiver für die Rebellion arbeiten.

»Er hat sich Ihnen nie unsittlich genähert?«

Penny war auf diese Frage vorbereitet. Trotzdem zuckte sie ein wenig zusammen. »Er hat sich immer an Santagos' Gesetz der Abstinenz gehalten, um die Produktivität des Landes nicht zu sabotieren.« Schnell fügte sie hinzu. »Ich auch. An erster Stelle steht Großbritannien. Um die wirtschaftliche Stellung auszubauen, müssen Vampire und Reprodukte sich ganz auf die Arbeit konzentrieren.«

Er tätschelte ihre Schulter, ging zurück zu seinem Platz und setzte sich. Minutenlang tippte er Notizen in das Modul ein. Penny dachte schon, die Befragung wäre zu Ende, doch dann fuhr er fort: »Wissen Sie, wer den Vampir George Slay ermordet hat?«

Es war eine direkte Frage – die außer Acht ließ, dass Slay durch Unachtsamkeit den Halt verloren und einfach in die Mischmaschine gefallen sein könnte – um Penny zu irritieren.

Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn. »Es tut mir leid, Sir.«

»Haben Sie eine Vermutung, wer der Täter sein könnte?«

Ihr wurde mit einem Mal übel. Wer es genau war, wusste sie nicht. Sie hatte die Wachen abgelenkt, während einige Rebellen, die ebenfalls in der BLOODY BISCUIT COMPANY arbeiteten, George den Mund gestopft hatten. Guy hatte schockiert erzählt, dass der Teig Slays Mund verklebte, und die scharfen Messer der Knetmaschine ihn dann zermahlten. Penny war froh, nicht dabei gewesen zu sein. Armer Guy. Er war kein Gewaltverbrecher! Aber Santagos zwang die Rebellen zu Mördern zu werden.

Der Schweiß rann ihre Wangen hinab. Sie biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf.

Ungewöhnlicherweise bestand der Sniffer nicht auf einer Antwort, was den Techniker hinter den Aufzeichnungsgeräten mehr verwunderte als Penny. Jeder andere Audax hätte ein »Nein, Sir«, verlangt.

Fridgson gab sich zufrieden. Er tippte seinen Bericht zu Ende. Darm nickte er dem bebrillten Vampir zu. Dieser rümpfte die Nase. Offensichtlich war er nicht mit der Befragung zufrieden. Penny vermutete, dass er zu der Sorte Vampir zählte, der erst rundum glücklich war, wenn er den Verhörten eines Verbrechens überführt hatte, egal, ob dieser nun tatsächlich schuldig war oder nicht.

Widerwillig öffnete er die Stahlfesseln, damit Penny aufstehen konnte. Ihre Glieder schmerzten von der stundenlangen Bewegungslosigkeit. Erst jetzt spürte sie, wie verkrampft sie während der Befragung gewesen war. Sie reckte sich dezent, indem sie die Arme vor dem Körper streckte und ließ die Schultern kreisen, um den Nacken zu lockern. Dann strich sie ihren weißen Overall glatt, der sie als Klon auswies. Die Vampire trugen allesamt schwarz. Nur die Blutsauger, die im künstlichen Licht der fensterlosen Werke lebten und die Arbeiter Tag und Nacht beaufsichtigten, trugen grau. Penny empfand kein Mitleid für die Maulwürfe, wie sie genannt wurden, obwohl diese Art Audax noch weniger Eigenleben besaß als die Klone. Sie waren abgerichtet wie Bluthunde und würden ohne zögern töten. Trotzdem hatten die Rebellen es geschafft, sie abzulenken, um Slay zu töten, bevor dieser sie verraten konnte. Es war leichter gewesen, als Penny vermutet hatte. Die Wachen waren wie Tiere. Sie konnten ihrem vampirischen Drang nach frischem, warmen Menschenblut nicht widerstehen. Penny hatte sich einen Liter für diese Aktion abgezapft und eine Spur gelegt, die zu einem Napf im Keller von BLOODY BISCUIT führte. Gierig tranken die Wächter das Blut und leckten sogar die Tropfen vom staubigen Kellerboden, bekamen sie doch sonst ausschließlich synthetisches Blut, weil sie keine Sharer besaßen. Penny hatte sie aus sicherer Entfernung angewidert beobachtet und war rechtzeitig aus der Fabrik geflüchtet, um zu ihrem Apartment zurückzukehren und sich schlafend zu stellen, bevor die Sniffer sie weckten und zum Verhör brachten.

Als der bullige Vampir ihr die Augen verband, dankte Penny in Gedanken Guy. Er war ein guter Hacker, der die Kameras – die nachts und auch tagsüber die Straßen Londons überwachten – manipulieren konnte, wann immer die Rebellen Sabotageakte durchführten. Zudem war er ihr bester Freund.

Der Vampir führte sie durch zahlreiche Gänge. Die Fußtritte klangen dumpf. Dann und wann ertönte ein glucksendes Geräusch, als würde Wasser durch Rohre rinnen und Luft verdrängen. Wasserdampf verbrühte fast Pennys Oberarm. Sie spürte die Hitze durch den Overall hindurch. Die Luft roch abgestanden und feucht. Immer wieder stiegen sie Metalltreppen hinauf. Penny vermutete, dass sie durch das unterirdische Labyrinth einer Fabrik gingen. Für die Rebellion wäre es ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, wenn sie wüssten, von welchen Gebäuden aus der Verhörraum zu erreichen war. Also nahm Penny allen Mut zusammen. Betont unauffällig kratzte sie sich an der Schläfe. Dabei schob sie die Augenbinde ein kleines Stück hoch, lugte durch den Schlitz und zog im nächsten Moment die Binde schon wieder an die richtige Position.

»Finger weg!«, schnauzte der Bulle sie an.

»Es tut mir leid.« Penny klang unterwürfig, triumphierte jedoch innerlich. PRIME PLUM DECK -6, sie hatte den Namen auf einem Wegweiser gelesen und kannte ihn nur zu gut. PRIME PLUM war ein staatlich finanziertes Werk, an dem Santagos kräftig mitverdiente. Er ließ in Vampirblut getränkte Trockenpflaumen herstellen und verkaufte sie an Schönheitsfarmen auf der ganzen Welt. Sie waren heiß begehrt, sagte man ihnen doch nach, sie würden den Körper reinigen, jedoch auf eine besondere Art und Weise. Sie wuschen nicht nur den Darm aus und regenerierten ihn, sondern schwemmten sogar einige Fettzellen mit aus.

Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis frische Luft sie umwehte. Penny atmete tief durch. Es war der Rebellion zu verdanken, dass sie den geheimen, unterirdischen Betonkubus überhaupt verlassen hatte. Man hatte sie gut auf solche Situationen vorbereitet. Besonders ihr Anführer legte großen Wert auf Vorsorge. Trotzdem schlotterten Penny die Knie, als der bullige Vampir sie in ein Fahrzeug drängte. Kaum hatte sie auf einem harten Sitz Platz genommen, surrte das Elektroauto los. Der Innenraum roch nach Desinfektionsmittel, als hätte jemand alles akribisch gesäubert, um Spuren zu verwischen.

»CH-4-2119, Sie werden einem neuen Sharer zugeteilt. Ihre Kleidung befindet sich bereits dort. Sie wohnen mit sofortiger Wirkung im Wohnblock 8, Bezirk Old Westminster in High London und arbeiten weiterhin in der BLOODY BISCUIT COMPANY.«

Hugh Frigdson. Penny erstarrte. Er war ihnen nicht durch die Gänge gefolgt und musste einen direkteren Weg gegangen sein. Penny wusste, dass auch er nicht alle Geheimnisse von Santagos kannte. Zum Beispiel, dass eine Verbindung zu einem der Verhörräume und PRIME PLUM bestand. Dann dachte sie an die Tin Whistle, ihren einzigen Besitz. War sie im ersten Moment noch entsetzt, so entspannte sie sich schnell. Offensichtlich hatten die Sniffer die Schnabelflöte nicht zwischen ihren Overalls entdeckt.

Du hast mehr Glück als Verstand, schimpfte sie gedanklich mit sich selbst und erinnerte sich, wie oft Guy sie gebeten hatte, das Instrument in der Kanalisation zu verstecken.

Penny kam sich wie ein Spielball vor. Die Audax Vampire machten mit ihr, was sie wollten. Sie entführten sie aus der Wohneinheit, sperrten sie in einem Betonkubus ein und fesselten sie an Apparaturen. Nun brachten sie Penny zu einem neuen Sharer, und sie würden sie sehr lange nicht mehr aus den Augen lassen. Sie würde schärfer beobachtet werden als alle anderen Reprodukte. Wie mochte der Vampir sein, dem sie von nun an dienen musste? Würde er skeptischer, aufmerksamer sein als George? Würde er sie schikanieren oder in Ruhe lassen? Ihr Magen krampfte sich zusammen. Das war alles zu viel Aufregung für sie. Sie gab ihr Bestes, lebte für die Rebellion, schlief aber nachts kaum durch, weil Alpträume sie quälten. All die Angst, die sie bei den Aktionen unterdrückte, verarbeitete sie im Schlaf. Im Traum erwischten sie die Audax Vampire. Sie folterten Penny, um zu erfahren, wer zu den Rebellen gehörte, und wo sich die Aufrührer im Untergrund trafen. Es gab kein Entkommen. Waren ihre Träume wirklich so anders als die Wirklichkeit? Immerhin war die Gefahr allgegenwärtig, denn die Verbrecher waren an der Macht, die Regierung eine Farce. Santagos bekleidete zwar offiziell das Amt des Premierministers, Erster Lord des Schatzamtes und Minister für den Staatsdienst des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, aber in Wahrheit war er ein Diktator. Er hatte die Königsfamilie zu seinesgleichen gemacht und ernannte nur Audax und menschliche Sympathisanten in sein Kabinett. In der Downing Street Nummer 10 zu wohnen – wie alle Premierminister zuvor – war ihm nicht standesgemäß genug. Der Prime Lord residierte im feudalen Hampton Court Palace südwestlich von High London im grünen Stadtteil Old Richmond upon Thames. Ironischer Weise hatte früher die führende Vita Eterna Loge Condannato dort ihren Hauptsitz, getarnt durch ein Gestüt.

Manchmal fiel es Penny schwer, sich den Vampiren von Vita Eterna nicht argwöhnisch gegenüber zu verhalten, obwohl nur wenige zum Audax Zirkel übergelaufen waren, nachdem Santagos und seine Schergen die Oberhand gewonnen hatten. Die Loge Condannato hatte sich im Jahr 2044 als Erste im stillgelegten U-Bahn Netz von High London neu formiert und schnell Anhänger unter weiteren Vita-Eterna-Logen und Klonen gefunden. Alle hatten das gleiche Ziel. Alle zogen an einem Strang. Doch für Penny und auch einigen anderen »Repros« war es mitunter nicht leicht, den einen Vampir als Freund und den anderen als Feind zu betrachten. Immerhin lechzten beide nach Menschenblut.

Doch zurzeit waren nicht einmal Pennys Klonfreunde gut auf sie zu sprechen. Durch ihre Fahrlässigkeit hatte sie die gesamte Rebellion in Gefahr gebracht. Sie hatte nach einer Aktivität der Rebellen versäumt, ihre Schuhsohlen zu reinigen und sandige Spuren in der Wohneinheit hinterlassen. George, der sonst stur seinem Tagesablauf nachging und sie kaum wahrnahm, machte genau diese Abweichung der Normalität – schmutzige Fliesen – misstrauisch. High London war eine Betonwüste. Wohnblöcke reihten sich neben Fabriken, dazwischen Straßen für die Elektroautos der Regierung und Exekutive, die die Arbeiter nie betraten, weil sie nur den SKY TRAIN, die Londoner Magnetschwebebahn, benutzen durften. Jeder Block besaß auf dem Flachdach eine Haltestation. Wie sollte daher Dreck an Pennys Sohlen gelangt sein?

Misstrauisch schlich Slay tagelang wie ein Löwe um seine Beute herum. Sie wurde immer unsicherer, aß ihren Mash nicht, einen mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherten Brei, den sie eh verabscheute. Bevor das Unvermeidliche geschehen würde, und er Penny den Sniffern meldete, mussten die Rebellen ihn zum Schweigen bringen.

Das Elektroauto hielt. Der bullige Vampir nahm Penny die Augenbinde ab, und sie stieg aus. WOHNEINHEIT 13 stand in großen schwarzen Blockbuchstaben auf dem Hochhaus, vor dem sie parkten. Hugh Fridgson ergriff ihren Arm und führte sie zum Aufzug. Pennys Nervosität stieg mit jedem Stockwerk. Erst in der obersten Etage stiegen sie aus. Nur noch wenige Schritte, und sie würde ihrem neuen Sharer gegenüberstehen. Mittlerweile war es 4 Uhr morgens, doch man hatte den Vampir vorzeitig aus seiner Nachtschicht geholt, damit er seinen neuen Klon einweisen konnte. Penny knirschte mit den Zähnen, als sie vor der Haustür Nr. 13/a stand. Wahrscheinlich würde man den SKY TRAIN im Apartment hören und das Fußgetrampel der emsigen Klone und Vampire auf dem Dach, wenn sie zu ihren Arbeitsstellen fuhren oder heimkehrten. Würde Penny trotzdem schlafen können? Würde sie jemals wieder schlafen können? Von nun an würde sie unter ständiger Beobachtung stehen – sowohl von den Audax Vampiren, als auch von den Rebellen. Eine neue Umgebung, ein neuer Sharer, wahrscheinlich eine neue Arbeit innerhalb von BLOODY BISCUIT, da sie die Stelle des ehemaligen Klons ihres neuen Sharers besetzen musste. Weshalb hatte er keinen Repro? Was war mit ihm geschehen?

Nervös knabberte Penny an ihrer Unterlippe.

Hugh klopfte an die Tür.

»Komme«, rief jemand mürrisch.

Stille. Penny kam die Wartezeit wie ein halbes Jahrhundert vor. Heiß-kalte Schauer liefen ihr den Rücken hinab. Sie bemühte sich, gefasst zu wirken, legte jedoch unauffällig die Hände auf die Oberschenkel, damit ihre Beine nicht noch mehr zitterten.

Schritte waren zu hören. Dann wurde die Tür geöffnet. Finster schaute der Vampir Penny an. Im nächsten Moment veränderte sich sein Blick. Seine schwarz-braunen Augen bekamen einen lüsternen Glanz. Penny erschauerte. Dieses Mal waren es aber seltsam wohlige Schauer. Das Blut schoss nicht nur in ihre Wangen. Auch ihr Schoß glühte unerwartet, wie sie es schon einmal erlebt hatte. Damals hatte sie ihren besten Freund Guy nach einem Zusammentreffen der Rebellen in der stillgelegten U-Bahn gesucht. Er war plötzlich verschwunden. Penny fand ihn im verfallenen Kontrollraum. Sein Overall hing ihm bis zu den Knien herunter. Die rechte Hand lag eng um sein Glied, die linke massierte seine Hoden. Leise seufzend und mit geschlossenen Augen rieb er seinen Penis, der schnell anschwoll. Die Vorhaut verdeckte nicht länger die prallrote Eichel. Penny starrte auf die feuchte Spitze und verspürte eine unbekannte Gier. Sie lehnte sich aufgewühlt gegen die Wand. Einige Steinchen bröckelten ab und fielen zu Boden. Guy schreckte hoch, doch als er sah, wer ihn mit verklärtem Blick beobachtete, stand sein Glied noch erregter von seinen Lenden ab. Stumm war Penny zu ihm gegangen. Sie hatte sich vor ihn gekniet, fasziniert den Phallus betrachtet und den herben Duft eingeatmet. Guy ermutigte sie, ihn zu berühren. Zuerst streichelte sie das harte Fleisch zaghaft, doch schon bald schob sie die Vorhaut vor und zurück, bis Guy stöhnte. Sie nahm das steife Glied zwischen die Lippen, saugte an der Eichel und leckte den salzigen Tropfen ab, der sich nach kurzer Zeit in der kleinen Öffnung sammelte. Guy stand plötzlich auf und ging in eine Ecke. Dort stützte er sich mit einer Hand an der Mauer ab, rieb sein Glied kräftig und ergoss sich stöhnend. Penny blieb verwirrt kniend zurück. So viele Eindrücke stürzten auf sie ein, so viele Gefühle, die sie bisher nicht gekannt hatte. Doch Guy zog sie hoch und nahm sie in den Arm. Stundenlang redeten sie über Sexualität, die verboten war in Santagos' neuer Ordnung, weil sie von der Arbeit ablenkte, und er die Geburtenkontrolle anhand des Klonens besser im Griff hatte. Aber war die Sucht einmal geweckt, war sie nicht mehr zu unterdrücken. Seit diesem Treffen im U-Bahn Kontrollraum spielten Penny und Guy immer öfter miteinander. Sie untersuchten ihre Körper, erforschten die Lust. Doch nun, da Penny die Aufmerksamkeit aller auf sich gezogen hatte, würden diese frivolen Treffen rar werden. Die erste Aufregung war ohnehin passe. Sie mochte Guys asiatisches Aussehen, das verschämte Grinsen und die hohen Wangenknochen. Aber irgendetwas fehlte. Die Schmetterlinge flogen nicht mehr hektisch in ihrem Bauch umher, wenn sie ihn sah.

Doch nun, da sie ihrem neuen Sharer gegenüberstand, und er sie mit einem durchdringenden, unverhohlen lüsternen Blick von den Schuhen bis zu den braunen Locken musterte, spürte sie wieder diese berauschende Erregung. Diesmal allerdings fürchtete sie sich vor ihren Gefühlen. Nicht nur, dass die Empfindungen völlig fehl am Platz waren – sie waren auch intensiver, betörender und dadurch gefährlicher. Wie ein Raubtier starrte der Vampir Penny mit seinen dunklen, unergründlichen Augen an, lauernd, analysierend. War er ein Sniffer, der sie undercover ausspionieren sollte oder nur ein Audax Vampir, der sich einen Spaß daraus machte, seinen Klon zu verunsichern? Zumindest eins wusste Penny – das Zusammenleben mit ihm würde in keiner Weise so werden, wie das mit George Slay. Was genau das bedeutete, würde sie wohl bald erfahren.

»Das ist CH-4-2119, Ihr neuer Klon«, sagte Hugh sachlich. »Das ist John Doe, Ihr neuer Sharer.«

Als Hugh Penny an John vorbeischob, spürte sie einen eiskalten Hauch. Sie schaute sich in der Wohnung um, aber die Fenster waren verschlossen. Ihr Rücken kribbelte. Sie war sich sicher, dass John sie anstierte. Zitternd schlang sie die Arme um die Hüften. Ihre Brustwarzen wurden durch die Kälte hart und zogen sich zusammen. Sie stachen gegen das Futter des Overalls. Empfindlich rieben sie gegen den Stoff

John schien es zu bemerken. Lächelnd lehnte er an der Wand, verschränkte die Arme vor dem Körper und schaute sie herausfordernd an.

Er war groß gewachsen, schlank, besaß aber breite Schultern. Die dunklen Haare fielen locker auf die Schultern. Der schwarze Overall unterstrich seine düstere Aura. Penny konnte sich normalerweise immer auf ihren ersten Eindruck verlassen. Bei John jedoch war sie irritiert. Seine teuflische Attraktivität lenkte sie ab. Als Regel galt, einem Vampir nicht in die Augen zu schauen, weil bei einer Minderheit der Vampire die übernatürlichen Fähigkeiten noch wach waren, während bei den meisten, besonders bei den Arbeitern, diese Fähigkeiten abgestumpft waren. Penny war es unbegreiflich, warum John sie zwingen konnte, ihm in die Augen zu sehen. Sie vermochte sich nicht dagegen zu wehren. Es war wie ein Sog. Sie schien sich in seinen schwarzen Pupillen zu verlieren. Tiefer und tiefer sank sie hinein, tauchte in die Finsternis wie in einen dunklen See. Doch die Gefahr ängstigte sie nicht. Sie reizte Penny.

Benommen taumelte sie gegen Hugh. Der Sniffer zwackte sie in die Seite und stellte sich zwischen sie und John, sodass sie den Blickkontakt verlor. Das brach den Bann. Verschämt strich sie mit der Hand über ihr Gesicht und schaute auf ihre Schuhspitzen.

»Weisen Sie CH-4-2119 ein«, wies Fridgson John an. »Um 8 Uhr wird sie in der Fabrik erwartet.«

Er nickte Doe zu, wandte sich um und ging mit dem bulligen Vampir hinaus, ohne Penny noch einmal anzusehen. Er behandelte sie wie Luft. Eigentlich hätte sie froh darüber sein sollen. Die Rebellen mussten sich so unauffällig wie möglich verhalten. Trotzdem machte es Penny wütend. Sie besaß Gefühle. Sie wollte, dass man sie mit Respekt behandelte. Und sie wünschte, als Mensch wahrgenommen zu werden, nicht als Kopie. Doch auch John Doe betrachtete sie herablassend. Das tat ihr weh, denn sie wollte ihm gefallen. Letzteres wurde ihr mit Schrecken bewusst.

Als John zur Tür ging und sie geräuschvoll zuwarf, fuhr sie zusammen. Er rümpfte die Nase. »Endlich sind diese Schnüffler weg!« Seine Stimme klang rau, und als er leiser hinzufügte: »... und wir allein«, sogar brünstig.

Penny überlief eine Gänsehaut.

John stellte sich hinter sie, roch zuerst an ihren Haaren und legte dann einige Strähnen über ihre Schulter, um ihr Profil zu betrachten.

»Hm«, machte er. »Welch eine angenehme Überraschung! Du wirst mir dienen, hübsches Reprodukt.«

Aufbrausend flog sie herum. Sie war kein Ding! Zudem duzte er sie. Das machten nicht einmal die Sniffer.

John drängte sie schmunzelnd gegen die Wand, gleich neben das Bildnis von Santagos, das zur Ausstattung jeder Wohneinheit gehörte, und hob eine Augenbraue. »Oh, ein Klon, der nicht als Erzeugnis bezeichnet werden möchte. Ist es nicht so?«

Penny war wütend auf sich selbst. Sie musste sich zusammennehmen. Ausweichend sagte sie: »Ich werde Ihren Haushalt führen, Sir.«

»Natürlich.« Er legte eine Hand auf ihre Hüfte und schob seine Lenden an ihr Becken. Mit der anderen Hand hob er ihr Kinn an und zwang sie, ihm in die Augen zu blicken. Mit einem Mal war er ernst. Jegliche Lüsternheit war verflogen. »Ich wäre an deiner Stelle vorsichtiger. Du scheinst Temperament zu haben. Das könnte dir eines Tages das Genick brechen.«

Alles, was sie hervorbrachte, war ein leises »ja.«

»Ja, Sir«, korrigierte er sie grinsend.

Er wollte sie provozieren. Da war sich Penny sicher. Ob er auch die Sniffer gerne aus der Reserve lockte? Oder ärgerte er nur gerne seinen Sharer, um im Gegensatz zur Arbeitswelt wenigstens in der Wohneinheit das Sagen zu haben? Viele Vampire behandelten ihre Klone schlecht. Das wusste Penny von den Erzählungen der anderen Rebellen. Die Blutsauger kommandierten die Reprodukte herum, sie schikanierten sie und bestraften gerne, einfach um sich besser zu fühlen. Die neue Ordnung in Großbritannien brachte nur den Regierenden Vorteile. Um ihren Frust abzubauen, übten die vampirischen Sharer im Kleinen ihre bescheidene Macht aus.

Penny durfte sich nicht reizen lassen, stand sie doch auf jeglichen Abschusslisten. Sie ballte hinter dem Rücken die Hände zu Fäusten und wiederholte gehorsam: »Ja, Sir.«

Augenblicklich schnaubte John. »Aber Kriecher bringen es auch nicht weit.«

Sie war verwirrt. Wie sollte sie sich verhalten? Was erwartete er von ihr? Möglicherweise machte er sich einen Spaß daraus, sie aufs Glatteis zu führen. John lachte jedoch nicht. Er sah zornig aus, gleichsam zerknirscht. Wahrscheinlich wollte er seinen neuen Klon prüfen. Diese Erkenntnis machte es nicht einfacher für Penny.

Sie entschloss sich, mutig zu sein und fragte vorsichtig: »Mein Vorgänger, wo ist er?« Sekundenlang hielt sie die Luft an. Sie senkte immer wieder den Blick, weil sie fürchtete, zu weit gegangen zu sein.

Er kam näher heran und stützte sich rechts und links mit den Unterarmen gegen die Wand. »Meinst du, dir steht solch eine Frage zu?«

Penny öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch ihre Zunge klebte am Gaumen. Die Nähe zu John lähmte ihre Gedanken. Deshalb schüttelte sie nur den Kopf.

»Das heißt: Nein, Sir!«, blaffte er.

Sie zuckte zusammen. »Nein, Sir«, wisperte sie. Aber auch das stellte ihn nicht zufrieden, denn er musterte sie herablassend. Was zur Hölle wollte er? Sie überlegte, ob sie ihm die Stirn bieten sollte, damit von Anfang an klar war, dass er nicht alles mit ihr machen konnte.

»Hast du dich George Slay gegenüber genauso aufmüpfig verhalten?«

»Niemals«, antwortete sie wahrheitsgemäß und dachte daran, dass er sie ohnehin meist ignoriert hatte.

»Warst du eigensinnig und aufsässig, hast dich ihm widersetzt und nicht den nötigen Respekt gezollt?«

»Ich habe ihm immer gedient.«

John legte den Kopf schief. »Wollte er dich disziplinieren? Musste Slay deshalb sterben?«

»Ich habe nichts mit seinem Tod zu tun«, log Penny und bebte. Sie fühlte sich durch seine Fragen und seine Nähe eingeengt. Intuitiv stemmte sie die Handflächen gegen seinen Oberkörper und versuchte ihn wegzustoßen. Sie spürte seinen harten, männlichen Brustkorb unter dem Overall. Ihr Herz schlug schneller.

»Warum hast du ihn dann umgebracht?«

»Ich habe ihn nicht in die Knetmaschine gestoßen. Er ist ...«

»... gefallen?«, beendete John den Satz. »Vampire fallen nicht in Werkmaschinen.«

»Ach, Blutsauger machen keine Fehler, ja?«, hörte sie sich sagen und bereute es sogleich.

Er legte die Hand an ihre Kehle. »Die Gehirne der Reprodukte werden vor der ›Geburt‹ unter Strom gesetzt, damit sie wenigstens bis drei zählen können.«

Das war eine Lüge, eine verdammte Lüge, schrie alles in Penny. Die Gehirne wurden elektrisch vorbehandelt, damit die Klone sich nicht an das Leben der Menschen, von denen sie abstammten erinnerten.

In Rage griff sie nach seinem Handgelenk, aber er gab ihren Hals nicht frei.

»Behandeln Sie mich nicht wie Dreck!«

»Sind Klone nicht Dreck?« Er hob eine Augenbraue.

»Nein.«

»Wann lernst du es endlich, CH-4-2119? Ich will ein ›Nein, Sir‹ hören.«

Verdrießlich rümpfte sie die Nase. »Nein, Sir.«

»Nein, Sir, was?«

»Verdammt, wir sind kein Abschaum!«, brach es aus ihr heraus. »Wir haben Gefühle, wir leben und sind keine hirnlosen Marionetten. Wir können klar denken und ärgern uns über Arroganz ...«

Plötzlich holte John aus und schlug gegen die Wand. Nur knapp verpasste er das eingerahmte Foto von Santagos. Mit offenem Mund starrte Penny auf das Loch neben ihrem Kopf. Die Tapete war zerrissen. Darunter kam der Putz zum Vorschein. Wie kräftig dieser John Doe war! Selten hatte sie solch einen starken Vampir kennengelernt. Er rieb sich nicht einmal vor Schmerzen die Hand, sondern tat so, als wäre gar nichts passiert. Seine Hand blutete nicht. Nicht einmal die Haut war aufgeschürft.

Langsam beruhigte er sich. »Ich hoffe, es wird nicht immer so lange dauern, bis du dein wahres Gesicht zeigst. Obwohl es durchaus seinen Reiz hat, alles aus dir herauszukitzeln. Beim nächsten Mal jedoch wähle ich eine andere Methode.« Unerwartet neigte er sich zu Penny herunter. Er versuchte sie zu küssen.

Fassungslos drehte sie das Gesicht weg. Sie hatte noch nie einen Vampir geküsst und niemals hatte ein Blutsauger versucht, ihr nah zu kommen. Das war widernatürlich, als würden sich Löwe und Antilope zusammentun.

»Du weigerst dich?«, hauchte er in ihr Ohr.

Durch das gefährliche Timbre in seiner Stimme erschauerte sie. »Sie können das unmöglich wollen.« Penny bemerkte einen latenten Geruch von Rauch. Sie schnupperte. Es waren Johns Haare, die nach Rauch rochen. War er in der Nähe eines Feuers gewesen? Wie konnte das sein?

»Und wenn ich es verlange? Würdest du deinem Sharer einen Wunsch verweigern?«

Sie biss auf ihre Unterlippe. Schließlich flüsterte sie: »Was ist mit dem Gesetz der Abstinenz?«

»Gefühle lenken von der Arbeit ab«, zitierte John den Prime Lord und schenkte dessen Abbild einen vernichtenden Blick.

Auf einmal fragte sich Penny, ob John mit seinem Schlag nicht beabsichtigte hatte, das Foto zu treffen. Konnte es sein, dass er den Vater der Audax hatte schlagen wollen? Unmöglich! Sie musste sich irren.

Sie schob das Bild ein Stück beiseite und verdeckte mit dem Rahmen halbwegs das Loch in der Wand.

Johns bissige Miene wurde milder. Verblüfft sah er auf Penny herab. Er drang mit seinem tiefgründigen Blick in sie ein. Ein seltsames Gefühl bemächtigte sich ihrer. Da war plötzlich eine Wärme, die vom Magen aus in ihren Körper strömte, stieg in den Busen auf, brannte in ihren Brustwarzen und machte diese empfindsam, sodass Penny den Stoff ihres Overalls an ihren Nippeln spürte, wann immer ihr Brustkorb sich hob und senkte, denn sie rang jäh nach Atem. Diese Empfindung raubte ihr die Luft. Die Wärme tröpfelte aus dem Magen herab, sammelte sich in ihrer Scham und entfachte ein Feuer, das nicht einmal Guy jemals in ihr geweckt hatte. Die Flammen loderten in ihrem Schoß, knisterten, prickelten und erzeugten Wollust.

»Nicht«, brachte Penny mühsam heraus. Sie wollte ihn von sich stoßen, war allerdings wie gelähmt.

John lächelte anziehend. Er streifte ihre Wange mit seinem Handrücken. »Lass es geschehen. Du kannst dich eh nicht dagegen wehren.«

Verzweifelt versuchte sie zu widerstehen. Sie redete sich ein, dass es nur Johns Verlangen war, das er auf sie projizierte. Er begehrte sie und bat nicht um ihre Hingabe, sondern nahm sich einfach, was er wollte. Das war abstoßend. Zumindest bemühte sie sich, das zu glauben. In Wahrheit erregte sie seine Unverschämtheit. Lag es an seiner Attraktivität? Faszinierte sie seine dunkle, geheimnisvolle Aura? Die meisten Vampire, die sie kannte, waren Arbeiter und ebenso abgestumpft wie die Klone. John Doe jedoch schien ein wacher Geist mit gefährlichen, übernatürlichen Fähigkeiten zu sein. Penny musste sich hüten, ihm zu verfallen. In diesem Zustand geistiger Gefangennahme war sie allerdings wehrlos. Alleine durch seinen Blick bannte er sie. Er fesselte sie an die Wand – und an sich.

Schon bald drohte sie das Feuer zu verbrennen. Penny schloss benommen die Lider. Sie sah vor ihrem inneren Auge das Feuer in ihrem Schoß, die brennenden Ketten an ihren Hand- und Fußgelenken und den glühenden Stahlring um ihren Hals, in den Johns Name eingraviert war.

Als sie ihren Sharer wieder anschaute, fühlte sie sich wie in Trance. Um mehr Halt zu haben legte sie die Hände auf seine Schultern. Ihr Gesicht war dem seinem so nah, dass ihre Nasen sich fast berührten. Die Sehnsucht in ihr war quälend. Sie verzehrte sich nach John, wollte ihm noch näher sein, wünschte in ihm zu sein, und so küsste sie ihn. Zärtlich presste sie den Mund auf den seinen. Sie öffnete die Lippen und stieß mit ihrer Zunge in ihn hinein. Genießerisch saugte sie an seiner Zungenspitze. Sie leckte und schlängelte sich mit ihrer Zunge um seine Zunge herum, drückte sich noch fester an ihn, um tiefer in ihn hineinzugleiten. Ihr Atem ging kurz und flach, während ihr Becken sich an ihn schmiegte und schließlich kreiste, bis an seinen Lenden etwas Hartes, Pulsierendes unter dem schwarzen Overall wuchs. Sie leckte über Johns Eckzähne. Es war riskant, aber die Gefahr zog sie an. Minderte die Lust Pennys Angst? Sie musste sich nur an den spitzen Zähnen stechen ... Mit Leichtigkeit konnten sie die Zunge aufreißen. Ein Blutstropfen würde genügen, um John um den Verstand zu bringen. Die Vampire waren heiß auf Menschenblut, seit sich die meisten von synthetischem Blut ernährten. Aber die Leidenschaft machte sie blind. Penny begehrte John Doe! Sie rieb ihren Unterleib an den seinen und verfluchte die Verderbtheit, die Guy in ihr geweckt hatte. Unwissenheit kann ein Segen sein.

Plötzlich fiel der Schleier von ihr ab, und sie sah mit einem Mal klar. Das Feuer war erloschen. Wie ein Äffchen hing sie an John, leckte ihn ab und diente ihm, wie er es wünschte.

Erschrocken stieß sie ihn weg, drängte sich an die Wand und spie: »Sie haben mich benutzt!«

»Ich habe deine Schwäche ausgenutzt«, korrigierte John.

»Das ist unfair.«

»Dein Schmollmund ist süß, und er macht mir wieder Hunger auf dich.«

Sie riss die Augen auf. Dieser Vampir war unmöglich! Wie sollte sie nur mit ihm zusammenleben? Was sie allerdings weitaus mehr erschreckte war die Tatsache, dass sie noch immer Lust verspürte. Sie redete sich ein, dass ein Rest von Johns Beeinflussung zurückgeblieben sein musste.

»Im Gegensatz zu dir habe ich meinen Sharer nicht umgebracht«, sagte er sachlich.

Verärgert stemmte sie die Hände in die Hüften. »Ich habe Slay nicht getötet.«

»Natürlich nicht.« Er schnaubte. »Craig ....«

»Wer?«

»Der Klon, der vor dir bei mir wohnte. Ich habe ihn Craig getauft. Wer will schon jedes Mal ›CR-1-2030‹ rufen?«

John ging in die Diele, von der aus man in die Küche, ins Bad und Wohnzimmer schauen konnte. Die Wohneinheiten waren in ganz High London gleich eingerichtet, spartanisch und klein in den Farben beige und blau.

Penny traute ihren Ohren kaum – ein Vampir, der seinem Reprodukt einen Eigennamen gab. Das verstieß gegen das Gesetz. Klone stand es nicht zu, einen Namen zu führen. Warum erzählte John das bereitwillig? War er tatsächlich ein Spion der Regierung, der aus ihr herauskitzeln wollte, dass George Slays Unfall ein Mord war, indem er vorgab, ein Klon-Freund zu sein? Das schien unwahrscheinlich nach allem, was John ihr bereits an den Kopf geworfen hatte. Und doch hatte er dies nur getan, um sie aus der Reserve zu locken. Wer war dieser John Doe wirklich, und was führte er im Schilde?

Unruhig hakte Penny nach. »Was geschah mit Craig?«

»Er war ein Modell der ersten Generation. Mit dem Alter bekam er Herzprobleme. Die Sniffer brachten ihn in die Kolonie nach Southend-on-Sea, damit er dort seinen Lebensabend verbringen kann.«

Sie prustete. Die Kolonien waren nur eine von Santagos' Propagandamaßnahmen. Um das Ausland milde zu stimmen und die Repros von einem Aufstand abzuhalten, behauptete Santagos, es gäbe idyllische Dörfer, in denen alte und kranke Klone lebten, bis sie eines natürlichen Todes starben. Ausrangieren, nannten es die Rebellen. Die Kolonien waren nichts anderes als riesige Grabstätten. Lediglich die Dokumentarfilme, die in den Zero-Phasen zwischen den Schichten über die Bildschirme, die sich in jeder Wohneinheit befanden, flimmerten, zeichneten ein anderes Bild, das der Fantasie von Santagos' Kabinett entsprang. Es gab keine Paradiese in Großbritannien!

Plötzlich ergriff John Penny. Er umschlang von hinten ihre Hüfte, zerrte sie vor den Ganzkörperspiegel in der Diele und verschloss ihren Mund mit seiner rechten Hand. Eingeschüchtert schaute sie ihn im Spiegel an.

Er sprach leise drohend in ihr Ohr: »Mir ist egal, was mit deinem Sharer passiert ist. Aber wage es nicht, mich zu hintergehen oder mir Schaden zuzufügen!«

Kaum hatte er dies ausgesprochen, tauchte seine Linke zwischen ihre Schenkel und legte sich auf ihre Scham. Penny fasste seinen Arm, aber als sie ihn wegzerren wollte, griff er nur beherzter zu. Seine Finger drückten auf ihren Schoß. Sie elektrisierten ihn.

»Du kennst mich nicht, weißt nicht, wie weit ich gehen würde, um dich an deinen Platz zu verweisen oder mich zu rächen.«

Penny nickte langsam. John Doe war weitaus wacher als George Slay, der zu tief in seinem Alltag und Gehorsam versunken war, um seine Umwelt wahrzunehmen. Ihr neuer Sharer jedoch schien allzeit auf der Hut zu sein. Wie ein Luchs lauerte er mit gespitzten Ohren und gewetzten Krallen. Es würde nicht einfach werden, weiterhin der Rebellion anzugehören. Das musste sie allerdings für sich behalten. Ein Wort zu Condannato und den Klonen und ... Ja, was? Würde man sie töten, um sie zum Schweigen zu bringen? Konnten ihre Freunde über Nacht zu ihren Feinden werden? Penny hatte kein Verlangen, dies herauszufinden. Sie musste vermeiden, John zu reizen. Bei Slay war es ihr leicht gefallen, das folgsame Unschuldslamm zu spielen. John dagegen wusste sie aus der Reserve zu locken. Er schien Spürsinn zu besitzen oder war von Natur aus misstrauisch. Jedenfalls nahm er sie wahr, was Slay kaum getan hatte, bevor er die Sandspuren entdeckte. John nahm sie sogar intensiver wahr, als es ihr recht war. Unglücklicherweise gefiel ihr das.

Sie verspürte einen Anflug von Enttäuschung, als John sie freigab.

»Die Wohneinheiten in den Arbeitervierteln von High London sind nahezu identisch. Herumführen muss ich dich also nicht. Deshalb komme ich sofort zu den Regeln, die du von nun an zu befolgen hast.«

Während er ihr schilderte, wie er sich ihren Dienst wünschte, schaute sie sich um, weil sie feststellen wollte, was für ein Typ John war. Ein Pedant? Alles war aufgeräumt und sauber. Kein Hinweis war zu finden auf die Persönlichkeit hinter der Fassade. Von der Diele aus konnte sie direkt in die Küche zu ihrer Linken sehen. Dort stand ein karger Tisch mit zwei Stühlen vor dem Fenster, das wie alle mit spezieller Sonnenschutzfolie verdunkelt war, sodass die Vampire sich auch tagsüber problemlos im Apartment bewegen konnten. Gegenüber, in die Wand integriert, war ein Fernseher. Ein graumelierter Vampir im hochgeschlossenen Overall las Nachrichten vor, die, wie Penny vermutete, von der Regierung eigens erfunden wurden. Er berichtete von zwei alten Klonen, die sich in einer Kolonie verliebt hätten und nun eine späte Hochzeit feierten.

Alles erstunken und erlogen, dachte Penny,