Italien
(Adolf Friedrich von Schack)

Inhaltsverzeichnis

Zu ihr, zu der die Gletscherbäche
Südwärts hinunterjauchzen,
Noch einmal wend' ich den Blick.
Wie unter der nordischen Eichen Dom
Ihre Riesenschwester Germania,
So unter Lorbeerwipfeln
Hält Italien die Siegesfeier.
Ein magischer Ring
Hat eure Geschicke, ihr Länder,
Aneinander gebunden -
Zu eurem Unheil, o wie lange!
Mit ihres Himmels schmachtendem Blau,
Ihrer Goldfruchthaine Duft und Glanz
Lockte die Zauberin des Südens
Deutschlands Fürsten und Völker
In ihre Armidagärten,
Daß sie bei Brunnenrieseln
Unter Myrtengebüsch und leuchtenden Marmorbildern
Nicht ihres Reiches und Volks mehr gedachten.
Dann aus Wollustträumen der Nacht
Fuhren sie auf;
An den eisernen Panzer
Pochte ihr Herz in Begier,
Ueber das Land der Götter zu herrschen;
Es zuckte das Schwert aus der Scheide,
Und hochauf schlug die Flamme des Kampfes;
Städte loderten und erstanden neu
Zum Rachekrieg aus der Asche;
Von Gift gewürgt
Sank der größte der Kaiser
Bleich auf den fieberatmenden Boden;
Selbst die Bande des Bluts
Löste der Haß,
Ganze Geschlechter von Italiens Söhnen
Niederwälzte die mordende Schlacht;
Und als verhallt der Schwertschlag,
Der Siegesruf und die Totenklage,
Erschöpft, ohnmächtig lagt ihr beide,
Ein Hohn und Spott dem Fremden.

Sei denn, wie einst zum Verderben,
Nun euch zum Heil, eu'r Schicksal
Unauflöslich verbunden,
Und, wie in einer Sonne Mittagsglanz
Eu'r Auferstehungsfest ihr feiert,
So schreitet Arm in Arm
Der größern Zukunft entgegen.

Erinnerung an Italien
(Alfred de Musset)

Inhaltsverzeichnis

Bei Rückkehr seines Bruders Paul de Musset.

Zurück nun kehrst Du aus dem Lande,
Das mir im Sinn am Heimathsstrande
Gleich wie ein Traum!
Wo die Orangen duftig glühn,
Uns zu entschädigen für's Blühn
Von Eva's Baum.

Du sahst den Himmel, der erschließet
Das Weltgeheimniß, drin zerfließet
Der Zauber all
So klar, daß jeder Seufzer hoch
Zu Gott steigt, wie sonst nirgend noch
Vom Erdenball!

Du sahst den Sitz entschwundner Gäste,
Die Stadt der schwarzen Prachtpaläste,
Die heißt Florenz,
Noch mehr als Mailand, öd, fatal,
Wo die Cerito vier fünf mal
Stets tanzt im Lenz.

Du sahst am Wasser, prächtig ragend
Und sein Mezzaro heiter tragend
Auch Genua;
Geschminkt das Antlitz, blickend Glanz,
Spielt's, plappert's, lacht's, den Eichenkranz
Trifft's auch noch da.

Sahst alten Port, der gleicht der Brache,
In dem in längsterstorbner Sprache
Noch rauscht die Fluth;
Wo Stendhals reizend feiner Geist
Das Konsulamt versah, umkreist
Von Lebensmuth.

Sahst auch hochmüthig das Fantom noch,
Das einst die Welt beherrscht als Rom noch
Im Kaiserthum?
Cäsar in seinem Purpur fiel,
Die Wittib hing zum Pfaffenspiel
Das Kreuz sich um!

Du schwammst im Meer, so klar am Stapel,
Wo zum Azur aufwirft Neapel
Die Lavaschlack;
Wo für das Lazzaronikind
Geboren Makkaroni sind,
Musik und Schnack!

Betrügend, ehrlich, oder scheltend,
Ist's doch ein Volk voll Zauber, geltend
Als Arlekin;
Es hockt voll Lust vor jeder Thür,
Giebt Ruhm wie Schönheit lachend für
Orangen hin!

Daß in Palermo Du gewesen,
Wo Dir's gefiel, hat man gelesen;
Doch als ein Plus
Erscheint's, daß nicht Du als Tourist
Erzählst, daß Du verliebt fast bist
In Syrakus!

Ach, sie sind schön, kaum welsch, kaum spanisch.
Die Augen — fast mohammedanisch, —
Siziliens!
Ihr Blick ist gar so feurig still,
Die Antwort schwer auf dies Idyll
Trinakriens!

Wie süß, geht Nachts die Toppatella
Im schwarzen Domino als Stella
An uns vorbei!
Man folgt ihr, haucht im Scherzgetön:
„Ich bin hier fremd, und Du bist schön,
Drum folg' ich frei!"

O Ischia Du! Du erst hast Augen!
Verliebte Leibchen auch, die taugen
Zur Hülft' ohne Ruh;
Der rothe Strumpf sitzt drall und glatt.
Der Unterrock, vergoldet matt,
Zeigt weiß den Schuh.

O, armes Ischia! Viele sahen Jüngst
Deine Mädchen blos noch nahen
Barfuß im Staub.
Man hat entsonntagt sie für Gold!
Trotzdem noch scheint die Sonne hold
Auf Noth und Raub.

Wer's immer sei, er soll nicht stutzen,
Daß Niemand mehr in den Abruzzen
Lateinisch spricht;
Und daß kein Postillon der Sohn
Apollo's, und dazu in Frohn
Der Musen nicht!

Bizarr liegt, wie beim Krug die Urne,
Knapp Kapua seltsam bei Minturne;
Halbgötter zwei,
So sielen dort sie hübsch hinein,
Und sind vom Koth, sowie vom Wein
Beschmiert dabei.

Sprich, hielten Dich nicht an Briganten,
Wo Terracina von den Kanten
Des Felsens dräut?
Ersahst Du bei des Schilfes Stumpf
Langnasigen Büffel ruhn im Sumpf,
Der wiederkäut?

Ach, ach, Du hast ja Nichts gesehen!
Die Zeit läßt, sagt man, nicht mehr stehen
Poetische Frucht!
Unsrer Chausseen sichrer Pfad
Ist wie die Lieb' langweilig, fad,
Fehlt Eifersucht.

Hätt'st Du Dich etwas nur gewendet
Und dorten, wo Ravenna endet,
Gesucht den Paß,
Voll trüben Reiz, frei, unbeschränkt,
Wo Byron einst in Lieb' ertränkt
All seinen Haß!

Mich bracht' ein ärmlich Fuhrwerk sausend
Einst nach Ferrara, nirgend pausend,
Fort überall!
Der Kerl fuhr, daß es nur gekracht,
Und kannte Furcht nicht, war's gleich Nacht;
Ein seltner Fall!

Und Padua, das ist erst die Echte!
Große Doktoren aller Rechte
Thun Wunder dort;
Doch lieb ich die Polenta mehr,
Die schmackhaft an der Brenta sehr
Im Weinlaubhort.

Du sahst auch, — mir vor'm Blicke schwankt es!
Noch lebend wohl — Gott sei gedankt es! —
Trotz unsrem Heer,
Am Lido jenes alte Weib,
Im Tröpflein Wasser halb den Leib,
Im Thränenmeer?

Prachtbauten — goldnem Leichenlinnen
Um ein Geripp vergleichbar — drinnen
Venedig ruht!
Dort blieb zurück mein armes Herz;
Ich hab's verloren dort aus Schmerz
Und Liebesgluth!

Mein armes Herz, hast Du's gefunden
Am Weg, im Trinkglas froher Stunden,
Wo's fiel hinein?
Oder von Nani im Palast,
An dem vergilbt der Sonne Glast
Schon Stein für Stein?

Fand'st unter Blumen Du's der Wiesen?
Bei Purpurtrauben auf den Fliesen
Am schwülen Tag?
In einer Gondel, die, voll Muth
Gleitend durch Schatten, trennt die Fluth
Im Ruderschlag?

Trafst Du's zerfetzt im Thränengusse
Bei jenen Gräbern dort am Flusse?
Dort muß es sein!
Ich weiß nicht, was es dort gesucht,
Schwer kennt man wohl nach Jahresflucht,
Es noch als mein!

Leichtgläubig war's, liebte Getöse,
Doch schien ihm Glauben an das Böse
Verbrechen schon;
Und jach versank's, zerschmolz, entschlief,
Wie'n Gletscher stürzt in Abgrund tief,
Drauf folgt kein Ton!

Einst war's so heiter, kühn, voll Feuer,
Warf sich in alle Abenteuer,
Eh sich's besann;
Athmete Lüfte, rein und klar,
Und war auf Wunden stolz sogar,
Die's oft gewann.

Von wem doch sprech ich so, — im Trüben
Noch der Erinnerung mich zu üben?
Wenn, Bruder, Du
Dich bloß zerstreutest, wo ich litt,
Und gähntest, wo ich jauchzend schritt,
Und kehrst im Nu?

Dn kehrst, zufrieden mit dem Ganzen,
Schneidest schon Federn zu Romanzen.
Damit erfreust
Du Alle, bringst in unser Nest
Die Hoffnung, deren Wiegenfest
Du nun erneust.

Die Rückkehr macht den Abschied lieben;
Wir sitzen dann, wo Kohlen stieben,
Und Du erzählst
Von Allem, was erschaut Dein Geist,
Lust und Gefahr, was reizt zumeist,
Wie Du es wählst.

Und Alles, ohne Klag' zu führen,
Ohne was bitter zu berühren,
Zum Lachen blos;
Gerecht dem Glück, das Dich erreicht,
Reibst Du am Unglück Dich nur leicht,
Verfluchst kein Loos!

Ach, Freund, doch zieh nicht mehr zur Ferne;
Denn etwas Schutz hab' stets ich gerne,
Dem nie was glückt.
Ich kenn' nicht meinen Weg im Sand,
Und leichter gehts, wenn meine Hand
Die Deine drückt!

(März 1844.)

Venedig
(Alfred de Musset)

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So rot liegt dort Venedig,
Doch längst der Schiffe ledig;
Kein Netz am Uferrand,
Kein Licht am Strand.

Nur auf der Riva, oben
Der Löwe, streckt erhoben
Die Tatze, erzbehuft,
In heitre Luft.

Es ruhn um ihn in Gruppen
Fahrzeuge und Schaluppen,
Gleich Reihern rund im Kreis
Hinschlummernd leis.

Es dampft des Wassers Odem,
Und, kreuzend sich im Brodem,
Mit leichtem Wirbeldrehn,
Die Flaggen wehn.

Der Mond deckt, schon im Schwinden,
Die Stirn sich wie mit Binden
Von Wolkenstreifen falb,
Verhüllt sich halb;

So zieht auch ihren Schleier
San Groce's Äbtin, - Freier
Abscheuchend, - zimperlich
Vors Antlitz sich.

Paläste, alt, verwittert,
Prachtsäulen, mürb, zersplittert,
Die Treppen weißund breit
Der Adelszeit;

Die Brücken und die Gassen,
Die düstern Bildwerkmassen,
Der Golf, der schwankt gelind,
Und bebt vom Wind:

Schweigt Alles! - Nur die Garden
Mit langen Hellebarden
Stehn Wache am Portal
Vom Arsenal.

- Ach, mehr gibt's nun, als Eine,
Die still im Mondenscheine
Der jungen Buhlen lauscht
Und horcht, ob's rauscht?

Schon mehr als Eine freut sich
Des Balls, beguckt schon heut sich,
Wie, schwarzmaskiert, sie dreist
Der Spiegel weist.

Vanina wälzt entzückt sich
Im Duftpfühl, und sie drückt sich
Den Liebsten an die Brust,
Entschläft in Lust.

Narzissa doch, die Tolle,
Hingondelnd in der Jolle,
Vergisst beim Fest sich fern
Bis Morgens gern.

Wer hätt' auf Welschland's Fluren
Nicht selbst von Tollheit Spuren?
Nicht schönste Lebenszeit
Durch Lieb' gefeit?

Die Schlaguhr zähl' der Doge,
Der Altersmonologe
Sich hält und jede Nacht
Aus Langweil wacht.

Wir zählen lieber, Schöne,
Wie oft Dein Mund mich kröne
Durch Küsse, die er gibt
Und nimmt, verliebt.

Ich zähle Deine Reize,
Berechne wie im Geize,
Was wert uns, Kuss für Kuss
Der Lieb' Genuss!

Berliner in Italien
(Alfred Henschke)

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Die ganze Welt ist voll von Berlinern.
Deutschland, Deutschland überall in der Welt.
Ich sah sie auf der Promenade in Nervi sich gegenseitig bedienern,