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Harry Hold

Käufliche Opfer

Sex & Crime 8

 

 

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Das Buch:

Hobbynutten, Taschengeldladies, private Sexanzeigen. Nach dem Mord an einer 28-jährigen Frau auf einem Parkplatzsextreff in der Nähe Frankfurts ermittelt die Kripo im Milieu von Frauen, die sich im horizontalen Gewerbe Geld hinzuverdienen. Jörg Rock, der die Kripo mit seiner Journalisten-Spürnase unterstützt, ist auch wieder mit von der Partie. Er versteht die Welt nicht mehr, angesichts dessen, was er im Laufe der Ermittlungen über die Sex-Szene erfährt ...

Der Autor:

Harry Hold ist das Pseudonym eines deutschen Autors, der seit etlichen Jahren Krimis unter seinem richtigen Namen veröffentlicht und nun eine Frankfurter Krimi-Reihe gestartet hat, die exklusiv als E-Book erscheint. „Willige Opfer – Sex & Crime 1“ (ISBN 9783944124117), „Perverse Opfer – Sex & Crime 2“ (ISBN 9783944124124), „Sündige Opfer – Sex & Crime 3“ (ISBN 9783944124186), „Verlockende Opfer – Sex & Crime 4“ (ISBN 9783944124209), „Berauschende Opfer – Sex & Crime 5“ (ISBN 9783944124339), „Geliebtes Opfer – Sex & Crime 6“ (ISBN 9783944124421) und „Gefügige Opfer – Sex & Crime 7“ (ISBN 9783944124483) sind bereits erschienen. Weitere Bände sind in Planung.

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Prolog

Polizeibericht 12-2015-08-17-403 von Kriminalmeister Lorenz (Kriminaldauerdienst KDD14)

Tötungsdelikt Raststätte Taunusblick, A5 Richtung Darmstadt

Am Samstag, den 17.8.2015, ging eine Meldung im KDD ein. Leichenfund auf der Raststätte Taunusblick an der A5 Richtung Darmstadt. Wir fanden vor Ort eine etwa 25-jährige Frau unbekannter Identität hinter einem Gebüsch am Rande des Parkplatzes, etwa 100 Meter entfernt von der Tankstelle mit angeschlossenem Restaurant. Würgemale am Hals und diverse Einstichstellen mit Blutaustritt legen ein Gewaltverbrechen nahe.

Wir kamen um 12.30 Uhr am Fundort der Leiche an, sicherten die Stelle und den Parkplatz weiträumig ab und informierten die Kollegen der Kripo und der KTU. Die Spurensicherung traf etwa zwanzig Minuten später ein. Leiche und Fundort wurden fotografisch dokumentiert. Die Spurensicherung des gesamten Parkplatzes und der näheren Umgebung dauerte über vier Stunden.

Hintergrundinformation: Die Raststätte Taunusblick ist seit Jahren bekannt als einschlägiger Treffpunkt zur Ausübung von Geschlechtsverkehr und anderen sexuellen Handlungen. Menschen jeden Geschlechts und Alters finden sich dort ein. In den letzten Jahren gab es zahlreiche Festnahmen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und Ausübung von Geschlechtsverkehres im öffentlichen Raum.

Gefunden wurde das Opfer von einem Herrn Albrecht aus Bamberg, der auf dem Heimweg war und seinen Hund auf dem Parkplatz Gassi führte. Der Hund hatte offenkundig die Witterung der Leiche aufgenommen und so lange an der Leine gezerrt, bis sein Herrchen mit ihm zu dem Gebüsch, dem Auffindeort des Opfers, ging. Der Mann wurde von der Kripo noch auf dem Parkplatz befragt. Er wirkte sehr besonnen, seine Aussagen glaubwürdig. Er begleitete die Kollegen aufs Präsidium und nahm ein Protokoll auf. Nachdem er es unterzeichnet hatte, entließen ihn die Kollegen und er konnte seine Heimreise antreten, da er glaubwürdig vermittelte, abends einen wichtigen Termin zu haben. Im Übrigen zeigte er sich überrascht, als er erfuhr, was es mit der Raststätte auf sich hat. Es deutete nichts darauf hin, dass er zwecks Ausübung von Geschlechtsverkehr die Raststätte angefahren hatte.

Weiterhin waren zu dem Zeitpunkt, als Kollege Hofmeister und ich auf dem Parkplatz eintrafen, zwei Personen vorzufinden. Ein Ehepaar aus Limburg, Herr und Frau Ohlheide, beide um die 60. Sie versicherten glaubhaft, nichts von der Leiche gewusst und niemanden sonst gesehen zu haben. Sie hätten lediglich Rast gemacht, einen Mittagssnack, belegte Brote, zu sich genommen und wollten gleich wieder aufbrechen.

Niemand der Befragten konnte Angaben zum Täter/zur Täterin bzw. zu verdächtigen Personen machen, keiner hatte etwas von dem Mord mitbekommen.

Nachdem die Leiche abtransportiert und die Absperrbänder entfernt waren, verließen wir die Fundstelle um 17.37 Uhr.

Copyright © 2015 mainbook Verlag, mainebook

Herausgeber: Gerd Fischer

Alle Rechte vorbehalten

Layout: Anne Fuß

Titelbild: © gremlin – istockphoto.com

Lektorat: Mia Beck

Besuchen Sie uns im Internet:

www.mainbook.de und www.mainebook.de

ISBN 978-3-944124-68-1

 

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Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

1

Umsichtig fuhr Jörg Rock an dem dichten Gebüsch vorbei, in dem die Leiche der jungen Frau gefunden worden war. Die Raststätte Taunusblick wirkte trist, der Asphalt schimmerte grau. Er parkte seinen alten Golf etwa zwanzig Meter weiter neben einem verdorrten Rasenstück, auf dem zwei Rastplatztische und ein paar Bänke aus Holz standen.

Ein Mann aus Bamberg hatte sie gefunden. Er hatte auf dem Rückweg nach Hause Rast gemacht und seinen Hund ausgeführt, der die Tote in einem Gebüsch erschnüffelte. Der Hund hatte angefangen zu bellen und nicht mehr damit aufgehört, bis sein Herrchen nach dem Rechten schaute.

Rock blieb noch eine Weile hinterm Lenkrad sitzen und ließ seinen Blick schweifen. Wenig los für einen Sonntagmittag. Er erkannte lediglich einige LKW auf der anderen Seite. PKW zählte er nur sechs auf dem gesamten Gelände. Im Hintergrund hörte er den Lärm des vorbeirasenden Verkehrs.

Apropos: Die Raststätte sei ein einschlägiger Sextreff, hatte ihm Hauptkommissar Carlo Funke mitgeteilt. „Schau dich da mal unauffällig um“, hatte er gesagt und ihm die ersten Informationen der Spurensicherung und des Gerichtsmediziners übergeben.

Rock hatte sogleich eingewilligt. Ihm war langweilig, seine Freundin Esther war noch auf Kuba und hatte lange nichts von sich hören lassen, und außerdem reizte ihn ein solcher Ort. Einen Parkplatzsextreff hatte er nie zuvor betreten. Er konnte sich nicht vorstellen, wie es dort aussah oder was dort ablief. Er hatte auch noch nie mit jemandem gesprochen, der einem solchen Hobby nachging.

Einige Satzfetzen des Gerichtsmediziners schossen ihm durch den Kopf. Die Leiche wies 18 Messerstiche auf. Verteilt auf dem Oberkörper. Einige Schnitte im Gesicht. Wie bei einer Blutorgie. Hoher Blutverlust. Todesursache waren je ein Stich in Herz und Lunge.

War das Opfer mit dem Täter hier verabredet gewesen? Etwa zu einem Sextreffen? Oder hatte der Täter die Leiche im Kofferraum hierher gebracht und dann im Gebüsch entsorgt?

Seine Atmung ging schneller. Gestern war also eine junge Frau auf bestialische Weise ermordet und eventuell hier abgeladen worden. Manchmal ging ihm diese Stadt tierisch auf den Sack. Sie zerstörte die Menschen, die Bewohner, machte Zombies aus ihnen, die sich gegenseitig abschlachteten. Wobei das in kleinen Käffern natürlich nicht anders war, musste er zugeben, aber hier war es offensichtlicher, greifbarer. Und geballter.

In Frankfurt trugen einige Jugendliche voller Stolz ein T-Shirt mit dem Schriftzug „Hauptstadt des Verbrechens“. Das schien hip zu sein. Immer wenn er das sah, hätte er kotzen können.

Rock stand noch keine zwei Minuten auf dem Parkplatz, als jemand an seine Scheibe klopfte. Vor ihm stand eine Frau mit langen braunen Haaren, die High-Heels und einen kurzen Rock trug.

Er öffnete die Tür und stieg aus. „Ja bitte?“

„Hast du mal Feuer?“, fragte sie, während sie sich eine Kippe zwischen die Lippen steckte und den Oberkörper nach vorne beugte.

„Moment.“ Er kramte ein Feuerzeug aus seiner Hosentasche hervor und hielt ihr die Flamme hin.

Sie zündete die Zigarette an, nahm einen tiefen Zug. Das Feuerzeug steckte er wieder ein, während er sich mit dem Hintern gemütlich an den Wagen lehnte und die Arme vor der Brust verschränkte.

„Willst du ein bisschen Spaß haben, Süßer?“, fragte die Frau unvermittelt und stieß gleichzeitig Rauch durch ihre Lippen.

Rock verspürte Gelüste, sich einen Joint zu drehen, nahm aber Abstand davon. Er musterte sie näher, schätzte sie auf knapp 40 Jahre. Sie hatte es mit der Lippenstiftfarbe übertrieben. Ein Hellrot knallte aus ihrem ansonsten blassen Gesicht. Die Titten waren entweder getunt oder mit einem Push-up in eigentlich unerreichbare Höhen befördert. Eine Professionelle, dachte Rock, hundert Prozent.

„Nein“, sagte er, weil er ihr eine Antwort schuldig war.

„Pech gehabt“, stieß sie hervor und nahm einen weiteren kräftigen Zug. „Blasen und Ficken nur 25. Alles mit. Ohne Gummi geht bei mir nix.“

„Vernünftig, aber ähm ...“, brachte er unsicher über die Lippen, „... also das hier ist doch kein Straßenstrich, oder?“ Er blickte sie irritiert an.

„Nein. Ich verdien mir nur ein bisschen Taschengeld. Nebenher, mein ich.“

„Wie jetzt?“

„Hast du noch nie was von Hobbynutten gehört?“

„Doch, doch ... Ich bin nur etwas überrascht, dass ...“

„Dass du fürs Ficken bezahlen sollst?“, fiel sie ihm ins Wort. „Wolltest wohl zum Parkplatztreff, was?“

„Äh ... ja!“

„Hat schwer nachgelassen. Kommt kaum noch jemand, und wenn, dann die Schwulen.“ Sie knirschte das Wort aus ihrem Mund.

„Und du!“, witzelte Rock.

„Und ich, ja. Ich greif die ab, die hierher kommen, so wie du. Irgendwo was gelesen von Parkplatzsex und dann tote Hose.“

„Du meinst, hier läuft ohne Bezahlung gar nix?“

„Früher schon. Ganz schön wilde Zeiten waren das. Rudelbumsen und so. Sobald es dunkel war, haben die es hier überall getrieben. Einige Paare und auch Singles waren immer hier, die ficken wollten. Aber das ist Jahre her. Es hat schwer nachgelassen. Vielleicht durchs Internet oder durch die Swingerclubs? Ich weiß es nicht.“

„Hört sich so an, als kennst du dich aus. Warst du oft dabei? Damals, meine ich.“

„Klaro. Als wir jung waren, haben wir alles ausprobiert.“

Rock musste schmunzeln. Er fand die Offenheit der Frau sympathisch. Ihr gelegentliches Lächeln, das so unschuldig wirkte, gefiel ihm. Vielleicht war es auch die Art, wie sie auf Männerfang ging. Sie war nicht mehr ganz taufrisch, aber noch lange nicht abgehalftert oder verbraucht. Irgendetwas an ihr reizte ihn.

Sie ließ ihre Kippe auf den Asphalt fallen und trat sie mit dem Stöckelschuh aus. „Also, was is nu? Hastes dir überlegt? Wird ne schöne Nummer. Ich bin gut, ich versprechs dir.“

„Nee, lass mal. Heute nicht. Wie heißt du?“

„Ilona. Vielleicht sieht man sich mal wieder. Bist ja ein ganz schnuckeliges Exemplar. So einen schönen blonden deutschen Mann trifft man selten. Sind ja nur noch Hawaks unterwegs, gell.“

„Danke fürs Kompliment. Vielleicht beim nächsten Mal, Ilona.“ Er blinzelte ihr zu.

„Ich nehm dich beim Wort. Okay, ich bin dann mal weg. Tschüssi, Süßer!“

Sie stöckelte zum nächsten Wagen, der etwa fünfzig Meter weiter geparkt war und ließ Rock etwas konsterniert zurück. Er schaute ihr lange nach, sah den Schwung ihrer Hüften bei jedem Schritt, wenn sie sich auf dem Asphalt etwas unsicher mit den High-Heels vorwärts bewegte. Ihr Po war erste Sahne, fand er.

Rock war sichtlich überrascht, hier auf eine Hure zu treffen. Er kannte sich in der Szene nicht mehr aus und hatte damit überhaupt nicht gerechnet. Sie tat ihm leid, sich hier anbiedern zu müssen. Da musste man schon ganz schön runtergekommen sein, mutmaßte er. Gleichzeitig grübelte er über die Vermutung der Kripo nach, der Mord habe etwas mit den Sextreffen zu tun, die angeblich hier stattfanden.

Nach Ilonas Worten zu schließen, stand noch lange nicht fest, ob es da einen Zusammenhang gab. Und sogar ob es hier wirklich einen Sextreff gab, war noch nicht ausgemachte Sache. Ilona jedenfalls hatte das Gegenteil behauptet.

Rock betrachtete sich im Seitenfenster seines Wagens. Schnuckeliges Exemplar. Wenn er frisch rasiert war wie heute, ging er glatt für unter dreißig durch. Dass er inzwischen 38 war, sah man ihm tatsächlich nicht an. In den letzten Monaten waren seine blonden Haare sehr lang geworden, er hatte sie mit einem Haarband zusammengebunden. Das sei cool, hatte seine Tochter Lena gesagt, die seit einigen Monaten bei ihm wohnte. Er hatte sie erst kennengelernt, als sie bereits 13 Jahre alt war und ihre Mutter nicht mehr mit ihr zurechtkam. Carmen hatte sie bei ihm abgeliefert, also ihr eigenes Kind zum Vater abgeschoben. Seitdem liebte er Lena über alles. Sie zofften sich zwar häufig, aber das gehörte dazu. Eine Art Ritual.

Rock setzte sich in Bewegung und schlenderte über den Parkplatz, als wolle er sich die Füße vertreten. Er streifte an einem alten olivgrünen Mercedes vorbei und spähte in den Innenraum des Wagens. Aufgeräumt und sauber. Der Fahrer war nirgends auszumachen. Das Fahrzeug sah einsam und verlassen aus. Unter dem linken Wischerblatt an der Windschutzscheibe klemmte ein Werbeflyer. Hatte den Wagen hier jemand hier abgestellt?

Rock gab das Kennzeichen in sein Handy ein und simste es an Hauptkommissar Carlo Funke, zusammen mit der Aufforderung: Prüf das mal!

Es war inzwischen kurz vor 14 Uhr und auf dem Parkplatz war so gut wie nichts los. Niemand beachtete ihn. Niemand war da, der sich verdächtig verhielt. Alles wirkte trostlos. Im Hintergrund dröhnte der Verkehrslärm. Wahrscheinlich war das die ganz normale Atmosphäre auf allen Rastplätzen Deutschlands. Eventuell würde es sich lohnen, noch einmal hierherzukommen, wenn die Dunkelheit einsetzte, überlegte Rock.

Auf dem Weg zurück zu seinem Wagen sah er Ilona etwa vierzig Meter entfernt auf der Lehne einer Parkbank sitzen und die Lage peilen. Potenzielle Freier waren weit und breit keine vorhanden. Die Geschäfte schienen mies zu laufen. Sie winkte ihm zu. „Na, Süßer, hastes dir anders überlegt?“, rief sie zu ihm herüber.

Geschäftstüchtig, dachte Rock und grinste. Er schüttelte den Kopf, winkte zurück, stieg in seinen Wagen und fuhr davon.

2

Rock stand am Wasserhäuschen, so wurden in Frankfurt die Kioske genannt, das am Rande eines kleinen Parks im Stadtteil Dornbusch lag. Seine eigene Wohnung war nur unweit entfernt. Hier plauderte er ab und zu mit einigen Trinkern, die sich schon morgens ein paar Korn reinzogen, oder mit dem Inhaber.

Er nippte gerade an seiner Cola, als Carlo Funke um die Ecke bog und schnurstracks auf ihn zulief.

„Carlo-Bärchen“, sprach Rock ihn mit dessen Spitznamen an, den Funke seiner korpulenten Statur und seiner Vorliebe für Gummibärchen zu verdanken hatte.

„Nenn mich nicht so!“, zischte dieser zurück, als er bei ihm angekommen war. Er kramte in seiner Jacketttasche und zauberte eine Tüte mit Cola-Fläschchen hervor. „Wenn ich Stress hab, brauch ich was Süßes!“

„Ganz schön dünnhäutig geworden, was?“, bemerkte Rock.

„Lassen wir das! Wir haben Wichtigeres zu tun.“

„Ich höre!“ Rock verdrehte die Augen.

Funke schaute sich um und blickte in die Gesichter von einigen zwielichtigen Gestalten, die sich am Verkaufstresen mit 0,04 l-Fläschchen Wodka zuprosteten. „Wo du dich rumtreibst, Rock!“ Er schüttelte den Kopf.

„Hast du was gegen meine Freunde?“ Rock lächelte.

„Seit Esther auf Kuba ist, muss man sich ernsthaft Sorgen um dich und Lena machen. Das ist doch hier schon die Vorgosse. Komm mit!“

Er winkte ihm. Sie gingen einige Meter einen Parkweg entlang.

„Also was gibts?“, lenkte Rock von dem für ihn unangenehmen Thema ab.

„Wie wars auf der Raststätte?“, fragte Funke.

„Keine Spur von irgendwelchen Leuten, die da angeblich Sextreffen veranstalten. Vielleicht in den Abend- oder Nachtstunden. Ich fahr später noch mal raus.“

„Okay. Hör zu! Das Kennzeichen ...“

„... des Mercedes?“

„Genau. Er gehört Mark Terenz ...“

„Was?“ Rock blickte Funke lange an. „Du meinst ... der Ex-Eintracht-Stürmer?“

„Richtig.“

„Wow! Das ist ja mal interessant.“

„Ich fahre jetzt zu ihm. Hast du Zeit?“

Die beiden blieben stehen. Rock schaute Funke eindringlich an. „Carlo, ich bin kein Bulle ...“

„Weiß ich“, antwortete Funke genervt. „Leider! Aber ... dein Näschen und die personelle Situation ...“

„Die personelle Situation! Wenn ich das schon höre! Wie lange soll das eigentlich so weitergehen, häh? Ich kann doch nicht permanent einspringen ...“

„Du springst nicht nur ein ... Du gehörst gewissermaßen dazu. Von den Oberen hab ich den Segen. Seit du diese Bestseller-Dinger schreibst, ist das Image der Frankfurter Kripo auf einen Schlag ins Positive geschossen, weil die Leute durch deine Reality-Crime-Bücher lesen, was an der Front wirklich abgeht. Unsere Chefetage fährt drauf ab, wie du die Fälle in deinen Büchern beschreibst.“

„Klar, weil die Bullerei dabei gut wegkommt. Sollte ich mal überdenken.“

„Nein, weil du die Kriminalfälle realistisch schilderst. Also alles, was andere Schreiberlinge vermissen lassen. Das kommt an. Der Job wird so hart dargestellt, wie er ist. Das spielt den Oberen in die Karten, denn dadurch haben sie was in der Hand, um beim Polizeipräsidenten Gehör zu finden.“

„Du meinst, Sie rennen da hin mit meinen Krimis in der Hand?“

„Ist mir zu Ohren gekommen.“

„Das gibts ja gar nicht.“

„Und ob!“

Rock schüttelte ungläubig den Kopf. „Okay, du willst also, dass ich tatsächlich in dem Rastplatzfall mit dir ermittle?“

„Ist bereits von oben abgesegnet. Die Herren prahlen halt gern mit dir. Und brauchst du nicht Stoff für ein neues Buch?“

„Ach, weißt du. Auf Frankfurts Straßen gibt es so viele Geschichten und Themen, da könnt ich noch hundert Krimis schreiben. Ob in der Gosse des Bahnhofsviertels oder in den oberen Etagen der Bankentürme – Verbrechen gibt es überall, die ein ganzes Buch füllen würden.“

„Aber ... aber dir hat es doch auch immer Spaß gemacht, für uns zu arbeiten ...“

„Früher schon, ja, als Esther und ich ... als wir noch ...“

Rock dachte an die Anfangszeit mit der Hauptkommissarin, als diese ihn ab und zu verpflichtet hatte, damals noch im Verborgenen, und anschließend mit heißem Sex entlohnt hatte. Später waren sie ein Paar geworden, was sich Rock, der einsame Wolf der Journalistenszene, bis dahin gar nicht hatte vorstellen können. Und heute war er sogar Daddy und lebte ein quasi trautes Familienleben mit Lena. Das alles war ziemlich ratzfatz passiert. Irgendwie über ihn gekommen. Eigentlich unglaublich. Und immer wenn er an Esther dachte, die jetzt an irgendeinem verlassen Strand auf Kuba eine Art Sabbatical machte und über ihr Leben nachdachte, weil sie im Polizeidienst schwer verletzt und fast vergewaltigt worden war und seitdem mit starken psychischen Problemen zu kämpfen hatte, versetzte es ihm einen Stich im Herzen.

„Okay, okay. Genug davon!“, wiegelte er ab. „Ich bin dabei. Hab sonst nix zu tun. Und dieser Terenz – ich war ein großer Fan von ihm. Der hat die Dinger reingemacht. Ein richtiger Wirbelwind im Strafraum. Wann war das noch mal?“

„Vor zehn Jahren musste er aufhören wegen einer schweren Verletzung. Ich bin auch sehr gespannt, was uns der Knabe erzählen wird.“

3

Rock und Funke waren nach Sachsenhausen gefahren, den beliebten Stadtteil, der südlich des Mains lag. Unterhalb des Lerchesbergs, Frankfurts Nobelviertel, wohnte Marc Terenz in der Nähe der Haltestelle Louisa, benannt nach dem ehemaligen Waldspielplatz. Um die Ecke lag die Buchscheer, eine der traditionellen Apfelweinwirtschaften Frankfurts. Zudem gab es hier die Kleingärten der Rosisten, eines alten Frankfurter Vereins.

Sie klingelten. Der Hausherr öffnete in Jeans-Shorts und Badelatschen die Tür. Er staunte nicht schlecht, als ihm Funke seinen Dienstausweis vor die Nase hielt. „Die Kripo? Na, wenn Sie sich mal nicht verfahren haben.“

Funke zeigte ihm ein Foto und nannte ihm das Kennzeichen des Nummernschildes, das der olivgrüne Wagen trug.

„Der alte Mercedes?“, platzte Mark Terenz heraus. „Den habe ich seit zwei Jahren nicht mehr gesehen.“

„Und wie erklären Sie sich, dass er auf der Raststätte Taunusblick abgestellt wurde?“

„Keine Ahnung.“ Der 1,90 Meter große Hüne hob die Achseln und steckte die Hände in die Taschen seiner Jeans. Seine Fußballerfigur war immer noch tipptopp. Er hielt sich sicher im Studio oder anderswo fit.

„Wer hat ihn denn zuletzt gefahren?“

„Hmmmm. Moment mal. Da muss ich tatsächlich überlegen. Es war mein Dritt- oder Viertwagen. Ich hatte ganz vergessen, dass er mir gehört. Sogar, dass er existiert, so lange ist das schon her.“

„Überlegen Sie gut! Es ist wichtig.“

„Worum geht es denn überhaupt?“

„Erst wollen wir hören, wer den Wagen zuletzt gefahren hat oder wem Sie ihn geliehen haben.“

„Geliehen?“ Terenz dachte nach. „Das könnte Karina gewesen sein, wenn ich mich nicht irre.“