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Nr. 180

 

Gorgans Heer

 

von Hubert Haensel

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Als Mythor in der durch ALLUMEDDON veränderten Welt zu sich kommt, dauert es geraume Zeit, bis unser Held in gewohnter Manier zu handeln vermag. Inseln des Lichts zu gründen und die Welt vor einer erneuten Invasion durch die Horden Xatans zu schützen ist sein Ziel. Und dieses Ziel erreicht er im Drachenland.

Der weitere Weg unseres Helden ist verschlungen. Da geht es um die Spur der Albträume, um die Gründung weiterer Oasen des Lichts, um Coerl O'Marn, den Albtraumritter, der über das DRAGOMAE, das Werk der Weißen Magie, verfügt. Es geht auch um die anbrechende Auseinandersetzung zwischen Gorgan, dem Krieger, und Vanga, der Hexe, und um die Waffen des Lichtboten. Und es geht schließlich um das BUCH DER ALBTRÄUME, dessen einzelne Kapitel in Verstecken ruhen, die vor dem Zugriff der Finstermächte sicher zu sein scheinen.

Wie trügerisch diese Sicherheit ist, bewies der Raub des ersten Kapitels durch den Dämon Trillum. Und auch das vom Krieger Gorgan in Sworgeda bewachte zweite Kapitel konnte entwendet werden.

Gorgan selbst scheint es aber nicht viel auszumachen, dass Xatan ihn überlistete. Der Krieger rüstet jetzt zu neuen Taten. Sichtbarer Ausdruck dieser Bestrebungen ist GORGANS HEER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Mythor – Unser Held in der Hirdanai und im Land der Heroen.

Ilfa, Sadagar und Gerrek-Mu – Mythors Gefährten.

Tersa und Joranda – Ein junger Schmied und eine junge Hexe.

Gorgan – Der Krieger will sich »aufwärmen«.

Helge – Eine Hexe wird zum Werkzeug Xatans.

1.

 

Seit beinahe zwei Monden lebte er nun schon in dem kleinen Dorf am Fuß der Berge und hatte oft nach getaner Arbeit mit den jugendlichen Schönen gesprochen. Er konnte sich nicht entsinnen, jemals ein solch zartes, anmutiges Gesicht erblickt zu haben. Ihr helles Haar umfloss sie wie ein Schimmer von Licht, und ihre Augen, tief und klar wie ein Bergsee, ließen ihn nicht mehr los.

Sie lächelte.

Tersa stieß das Eisen, das er gerade bearbeitete, heftig in die Glut. Funken stoben knisternd auf und tanzten wie Irrlichter durch die Schmiede.

»Wer bist du?«, hörte er sich fragen. »Was willst du?« Das klang schroff. Zugleich schalt er sich einen Narren; mit diesem Tonfall würde er die Jungfer nur verschrecken.

Sie schloss die Tür hinter sich, blickte sich suchend um und stellte den Korb, den sie trug, auf den Amboss.

»Ich bin Joranda«, ließ sie ihn wissen.

Tersa wischte seine Hände an der Hose ab. Der aus dünnen Ruten geflochtene Korb erinnerte ihn daran, dass es um die Mittagszeit sein musste. Seit Beginn der Morgendämmerung arbeitete er an dem Schwert.

»Die Meisterin schickt dich?«, vermutete er. »Hat sich die Krankheit des Meisters verschlechtert?« Seit vier Tagen lag der Schmied mit hohem Fieber darnieder, in dieser Zeit hatte seine Frau stets das Essen gebracht. Im Grunde genommen war Tersa ganz froh darüber, dass die griesgrämige, zänkische Alte heute ausblieb. Sie hatte ihm ihre Abneigung nie verhehlt, seit er auf seiner Wanderschaft in das Dorf gekommen war und Arbeit gefunden hatte. Ganz anders der Meister, der sich mit seiner Arbeit zufrieden zeigte und ihn oft seiner Geschicklichkeit wegen lobte.

»Der Schatten des Totenvogels fällt auf das Lager meines Stiefvaters«, sagte das Mädchen tonlos. »Hörst du das Rauschen seiner Schwingen?« Sie schwieg abrupt. Tatsächlich war ein fernes, dumpfes Rumoren zu vernehmen. Eine abgehende Gerölllawine, vermutete Tersa. Inzwischen kannte er den naturverbundenen Glauben der Bewohner dieses Landes, der ihm, der aus Torrei gekommen war, mitunter banal erschien.

Siedendheiß durchfuhr es ihn. »Stiefvater«, hatte das Mädchen gesagt. Bis eben wusste er nicht, dass sein Meister eine solch begehrenswerte Jungfrau zur Tochter hatte.

Von draußen her erklangen laute, aufgeregte Stimmen. Tersa verstand nicht, was sie riefen. Er starrte das Mädchen an und sie ihn, als gäbe es nichts außer ihnen beiden, was noch von Wichtigkeit war.

Viel zu heftig wurde er aus seinen Gedanken aufgeschreckt. Jemand stieß die Tür zur Schmiede auf. »Joranda«, dröhnte eine dumpfe Stimme, »dein Vater ... er weilt nicht mehr unter uns.«

Als Tersa langsam hinter ihr auf den Dorfplatz hinaustrat, vernahm er den heiseren Schrei eines Vogels über sich. Aufblickend gewahrte er ein mächtiges, schwarzes Tier, das mit schwerfälligem Flügelschlag in den wolkenlosen Himmel strebte.

 

*

 

An den folgenden Tagen kam Joranda oft in die Schmiede. Sie stand dann dort, wo ihr Stiefvater stets gearbeitet hatte, und starrte stumm in die zuckenden Flammen.

Tersa hatte viel zu tun. Dutzende von Wagenrädern mussten erneuert werden, Pferde beschlagen, und außerdem arbeitete er noch immer an seinem Schwert, das allmählich Gestalt annahm. Es sollte eine gute Klinge werden, im Eiswasser der Gebirgsbäche gehärtet, die aus den Gletschern nördlich des Dorfes entsprangen.

»Du wirst uns verlassen?«, fragte Joranda zaghaft, während er seine Klinge bis zur Weißglut erhitzte.

»Wieso?«, machte er verblüfft, zog den zwei Fuß langen Stahl aus dem Feuer und begann, ihn auszuschmieden.

»Hier brauchst du kein Schwert. Nie gab es Hass oder Feindschaft in unserem Tal, und Fremde verirren sich selten in diese Region des Gebirges.«

Für die Dauer zweier Hammerschläge hielt er inne, stieß dann den noch immer glühenden Stahl in den Bottich mit dem Eiswasser. Das Brodeln und Zischen übertönte vorübergehend jedes andere Geräusch. Dichter Dampf stieg auf.

»Bleib!«

Als Jorandas Hände seine Schultern berührten, ließ er Zange und Schwert fahren. Mit glühendem Gesicht wandte er sich zu ihr um.

»Wer sagt das?«, wollte er wissen.

»Ich sage es«, lächelte Joranda. »Genügt das nicht?«

Bereute sie ihre Verwegenheit, oder wie sonst sollte er das flüchtige Aufblitzen in ihren Augen deuten? Bevor sie zurückzucken konnte, umfasste er ihre Handgelenke und zog sie noch näher an sich heran. Sie schloss die Augen, ihre Lippen zitterten leicht – aber als sie einander in den Armen lagen, wurde sie lodernde Leidenschaft. Ihr Kuss raubte ihm den Atem, ließ seine Sinne sich verwirren.

Sie zog ihn einfach mit sich, in den Raum hinter der Schmiede, in dem Werkzeug, Erze und Kohle lagerten, und von da aus durch eine verborgene Tür ins Freie. Niemand konnte sie sehen, denn das Gebäude war dicht unter einer überhängenden Felswand errichtet.

»Als Kind war ich oft hier, wenn ich allein sein wollte«, sagte Joranda. Ein schmaler, von Büschen gesäumter Pfad führte zu einem Einschnitt im Fels. Hinterher vermochte Tersa nicht zu sagen, wie lange er sich durch die nahezu vollkommene Finsternis getastet hatte. Aber irgendwann durchbrach Licht die Schwärze des Berges.

Umgeben von hohen, schroffen Zinnen, erschien die kaum hundert Schritt durchmessende Hochebene wie eine eigene kleine Welt. Blühendes Moos bedeckte den Boden; selbst die kahlen Felsen, die wie die Finger einer versteinerten Hand mehr als mannshoch aufragten, waren von Schlingpflanzen überwuchert.

»Das ist mein Reich«, erklärte Joranda stolz. »Nicht einmal Mutter weiß davon.«

Bis Abendrot das Firmament überzog, lagen sie einander in den Armen, vergaßen alles um sich herum. Nur einmal dachte Tersa flüchtig daran, dass diese Berge von ALLUMEDDON verschont geblieben waren, während anderswo das Chaos Fuß gefasst hatte. Das Leben in der Einsamkeit mochte beschwerlich sein, aber es war zumindest frei von Sorgen.

Heiseres Krächzen schreckte ihn aus seinen Wachträumen auf. Keine zwei Schritt entfernt hatte sich eine Krähe niedergelassen. Ihr Blick schien ihn förmlich zu durchbohren.

»Verschwinde!«, stieß Tersa hervor, ohne sich seine plötzliche Erregung erklären zu können.

Aber die Krähe ließ sich nicht verscheuchen. Als er mit einer Handvoll Erde nach ihr warf, stieß sie nur ein angriffslustiges Kreischen aus und begann, wild mit den Flügeln zu schlagen.

»Nicht!«, rief Joranda erschreckt. Sie war bleich geworden. »Reize sie nicht. Mutter weiß nun ohnehin, wo wir sind.«

Er wollte fragen, was Jorandas Mutter mit dem Vogel zu tun hatte, doch da stieg die Krähe schwerfällig auf und schlug mit den Fängen nach ihm. Schützend hob er die Arme über den Kopf. Der Schmerz, als die Krallen blutige Striemen in sein Fleisch rissen, ließ ihn aufschreien.

Blindlings begann Tersa um sich zu schlagen. Wieder und wieder griff die Krähe an, hackte und schlug nach ihm, und er hatte Mühe, ihr zu entgehen.

Joranda verfiel in einen eigentümlichen, monotonen Singsang. Erde auf ihrer Stirn und im Gesicht verreibend, trat sie dem Vogel entgegen. Was sie murmelte, verstand Tersa nicht. Ihre Worte schienen einer fremden, uralten Sprache zu entstammen.

Magie! Etwas anderes fiel ihm dazu nicht ein. War Joranda eine Zauberin, eine Hexe? Hexen hatte er sich immer anders vorgestellt.

Aber sie stand da und focht einen seltsamen Kampf mit der Krähe aus. Die Arme emporgereckt, ihre Finger wie die Fänge des Vogels gebogen, stieß sie Beschwörungen aus.

Tersa ertastete einen faustgroßen, kantigen Stein. Ohne zu überlegen, schleuderte er ihn auf die Krähe. Federn wurden umhergewirbelt, im nächsten Moment war das Tier verschwunden.

Schluchzend brach Joranda in die Knie. Sie weinte, wich seinem Blick aus, und als er sie an sich ziehen wollte, stieß sie ihn von sich.

»Vergiss mich«, sagte sie mit bebender Stimme.

»Niemals!«, erwiderte er trotzig. »Selbst wenn ich mit Drachen kämpfen müsste, ich gebe dich nicht auf.«

Ihre Tränen ließen ihn seine Wunden vergessen. Gemeinsam kehrten sie in die Schmiede zurück. Joranda sprach nichts, hauchte ihm nur einen Kuss auf die Lippen und verschwand, ehe er sie zurückhalten konnte.

In dieser Nacht schlief Tersa kaum. Er brachte das dem Erlöschen nahe Feuer in der Esse erneut zum Auflodern und schmiedete sein Schwert.

 

*

 

»Du warst nicht in deiner Kammer?« Die schrille, keifende Stimme der Meisterin ließ ihn jäh herumfahren. »Hier ist dein Essen. Sieh zu, dass die Arbeit gemacht wird, und träume nicht.« Sie stellte den Korb auf den Boden, warf ihm einen giftigen Blick zu und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.

In der Hoffnung, eine Nachricht von Joranda zu finden, durchwühlte Tersa den Korb. Doch da lagen nur ausgedörrtes, schimmliges Brot und eine mit brackigem Wasser gefüllte Schweinsblase. Er rührte beides nicht an.

Sein Schwert war inzwischen so weit gediehen, dass ein einziger sanfter Streich den Korb samt Inhalt zweiteilte. Tersa war zufrieden. Das Heft, aus einem Ast der uralten Eiche geschnitzt, die neben der Schmiede aufragte, umwickelte er mit Bast. Es sollte sicher in der Hand liegen.

Ich werde dich Joranda nennen, murmelte der junge Schmied, als er sanft über die Klinge strich. Er schlief mit der Waffe neben sich und erwachte schweißgebadet. Nur verschwommen erinnerte er sich an seine Albträume. Aber eben diese Träume schienen erschreckende Wirklichkeit zu werden, als erneut die Meisterin das Essen brachte. Zornig funkelte sie ihn an. Innerhalb eines einzigen Tages schien sie um Jahre gealtert zu sein.

»Wo ist Joranda?«, fragte er zögernd.

»Fort«, lautete die schroffe Antwort. »Glaubst du wirklich, ich gäbe sie einem dahergelaufenen Handwerksburschen zur Frau?«

»Aber ... wir mögen uns.«

»Vergiss das Mädchen!« Das Gesicht der Meisterin verzerrte sich. Für die Dauer eines Herzschlags glaubte Tersa, einen Vogelschädel vor sich zu sehen. Instinktiv griff er nach seinem Schwert.

»Wo ist sie?«

»Du Narr«, spottete die Frau. »Joranda ist dort, wo du sie niemals erreichen kannst. Auf dem Schwarzen Berg wird sie lernen, den Willen ihrer Mutter zu achten.« Ihr spöttisches Lachen stach wie mit glühenden Nadeln in sein Fleisch. Er wusste selbst nicht zu sagen, was in ihn gefahren war, als er blindlings, aber ohne zu treffen, auf sie einschlug und dann aus der Schmiede stürmte, als hetze eine Heerschar von Dämonen hinter ihm her. Unfähig, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, rannte er durch das Dorf, stolperte den Bach entlang, bis die Abendsonne ihm ins Gesicht schien. Erst allmählich kam er wieder zu sich.

Tersa wusste nicht, wo er war. Er hatte sich vermutlich weit vom Dorf entfernt. Ein kühler Wind strich von den Bergen herab und ließ ihn frösteln. Es wurde Zeit, dass er sich eine Bleibe für die Nacht suchte, denn in dieser Region brach die Finsternis rasch herein.

»Joranda.« Die Hände trichterförmig vor den Mund gelegt, rief er ihren Namen.

»Joranda ...«, wiederholte ein vielfaches Echo. »...randa, ...randa ...«

Am Fuß einer Steilwand, im Schutz überhängender Felsnasen, ließ er sich nieder, das Schwert griffbereit neben sich. Er besaß nichts, um sich vor der Kälte der Nacht zu schützen. Lange lag er wach. Während der Frost sich durch sein Wams fraß, dachte er an Joranda und den Schwarzen Berg, von dem die Legenden der Dorfbewohner berichteten.

Fahl stand der Mond über dem Gebirge – ein Gesicht, das ihn stumm anglotzte. Ein düsterer Schemen strich durch die Lüfte. Tersa ahnte, dass es die Krähe war.

Funkelnde Sterne hielten Wacht. Der Jüngling schreckte hoch, als im Osten bereits die Dämmerung heraufzog. Die ersten Sonnenstrahlen tasteten über das Firmament und ließen die Berge aufglühen.

Tersa ging nach Westen.

Tagelang.

Wenn er Durst verspürte, trank er aus den kristallklaren Bächen oder schmolz den verharschten Schnee. Seinen Hunger stillte er mit Beeren und Wurzeln, die es in dieser unberührten Landschaft zur Genüge gab.

Manchmal glaubte er, Joranda zu hören, die ihn rief, aber stets war es nur der Wind, der sich zwischen den Felsen brach. Er kam von Norden und brachte Schnee mit sich. Weiter unten im Tal regnete es vermutlich, doch nahe der Baumgrenze hüllten sich die Berge über Nacht in ein prächtiges weißes Gewand. Frierend stapfte Tersa durch fußtiefen Neuschnee. Seine Spur war die einzige weit und breit.

Mitunter, wenn der Schrei eines Vogels das Knirschen seiner Schritte übertönte, musste er an die Meisterin denken. Immer dann umklammerte seine Rechte den Knauf des Schwertes. Die Frau war eine Hexe. Eifersucht und Hass mochten sie dazu getrieben haben, die dämonische Kunst der Zauberei einzusetzen.

Im Lauf vieler Tage schwanden Tersas Kräfte, er schlief länger, bis in den Tag hinein, und wenn er sich erhob, waren seine Glieder von der Kälte starr. Der Atem stand wie eine dichte weiße Wolke vor seinem Gesicht, gefror im Bart zu größer werdenden Eisklumpen.

Er hörte auf zu zählen, wie oft die Sonne in den Zenit kletterte und ihre Strahlen den Schnee in ein gleißendes Meer verwandelten. Aber irgendwann blieb er stehen und blickte verwirrt um sich.

Es roch nach Rauch. Und das Aroma von kochenden Kräutern stach in die Nase.

Da war ein kleiner Wald zu seiner Rechten. Unter der dicken weißen Last wirkten die Bäume wie verwunschene Geschöpfe. Manche schienen sich zu bewegen, andere waren starre Wächter, deren knorrige Äste sich ihm abweisend entgegenreckten.

Tersa glaubte die Bedrohung spüren zu können, die von ihnen ausging. »Verschwindet!«, wollte er schreien. »Lasst mich!« Doch wurde nur ein heiseres Krächzen daraus. Verzweifelt zerrte er sein Schwert aus der Scheide, schwang es gegen die anstürmenden Gestalten. Er hieb und stach, führte die Klinge wie der Schnitter die Sense und schlug sie im nächsten Moment gleich einer Keule von oben herab, aber die Gegner wichen nicht. In einem wilder werdenden Reigen umtanzten sie ihn, bis er entkräftet zusammenbrach.

 

*

 

Das erste, was er wieder wahrnahm, war die Hitze, die sich in seinem Mund ausbreitete und sengend durch die Kehle rann. Er wollte schreien, verschluckte sich und wurde von einem Hustenanfall geschüttelt.

»Langsam«, vernahm er eine wohlklingende männliche Stimme. »Niemand zwingt dich, alles auf einmal nachzuholen.«

Erneut wurde ein Becher an seine Lippen gedrückt. Ohne darüber nachzudenken, trank Tersa. Die warme Flüssigkeit weckte seine Lebensgeister.

»Ich fand dich halb erfroren unter einer Schneewehe«, sagte die Stimme. »Aber die Kräuter helfen besser als jeder Zauber.«

Tersa schlug die Augen auf. Er blickte in ein uralt anmutendes Gesicht. Schlohweißes, zu Zöpfen geflochtenes Haar fiel über die Schultern des Greises. Der spärliche, strähnige Kinnbart zitterte leicht.

»Wo bin ich?«, wollte Tersa wissen.

»Den Sternen so nahe wie kaum ein Sterblicher. Du kannst ihren Atem spüren, wenn du willst.«

»Und wer bist du?«

»Nur ein alter Mann, der die Welt und die Sterne erforscht, und der dabei viel Böses sah.«

»Du musst einen Namen haben.«