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Nr. 185

 

Kristallmond

 

von W. K. Giesa

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Mythors Weg auf der durch ALLUMEDDON veränderten Welt ist verschlungen. Da geht es um die Gründung von Inseln des Lichts und um die Abwehr von Invasionen durch Xatan und seine finsteren Horden. Es geht um die Spur der Albträume und um das DRAGOMAE, das Werk der Weißen Magie, und um die Waffen des Lichtboten. Und es geht schließlich um die drohende Auseinandersetzung zwischen Gorgan, dem Krieger, und Vanga, der Hexe, und um das BUCH DER ALBTRÄUME, deren einzelne Kapitel in Verstecken ruhen.

Diese Verstecke waren nicht sicher genug. Jedenfalls gelang es Trillum, dem Dämon, und Xatan, je ein Kapitel des BUCHS DER ALBTRÄUME an sich zu bringen. Dann aber nimmt Gorgan, der Ewige Krieger, den Kampf mit dem Wolfling auf und bringt ihm dank Mythors Hilfe eine schwere Schlappe bei.

Damit ist für Gorgan der Weg frei, um die Auseinandersetzung mit der Hexe Vanga zu suchen. Mythor jedoch, der mit seinen Gefährten den Krieger zur Südwelt begleitet, will OCCUNOSTA, das dritte Kapitel des BUCHS DER ALBTRÄUME, sichern.

Aber auch Mythors alte Feindin, die Zaubermutter Zaem, ist hinter OCCUNOSTA her. Sie will mit Hilfe dieses Kapitels die absolute Macht erlangen. Dabei hat sie sich schon mehr Macht angeeignet, als ihr zusteht – denn Zaem nutzt das Zeichen der Zytha, den KRISTALLMOND ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Mythor – Der Gorganer zwischen zwei Frauen.

Gorgan – Der Krieger zerstört ein Amazonenfort.

Ilfa – Mythors Gefährtin.

Zaem – Die Zaubermutter greift nach der Macht.

Fronja – Die Tochter des Kometen kommt nach Tahokum.

1.

Mythor

 

Es war beeindruckend. Nie zuvor hatte Mythor ein Bauwerk dieser Art kennengelernt. Dagegen verblassten sogar die ausgedehnten Höhlensysteme von Gavanque oder der prachtvolle Regenbogendom am Hexenstern oder der Nordstern, den er in seinem Wahrtraum von Kodor, dem ersten Sohn des Kometen, kennengelernt hatte. Selbst wenn er davon ausging, dass die Höhlen bereits vorhanden gewesen waren, so waren sie doch nicht im Naturzustand belassen worden. Und es war auch kaum glaublich, dass das Höhlenlabyrinth so groß gewesen war. Nein, hier war sehr viel Arbeit hineingesteckt worden, um es auszubauen und bewohnbar zu machen. Gewaltige, langgestreckte Korridore erstreckten sich durch den Berg, große und kleine Kavernen waren zu Sälen und Zimmern ausgebaut, alles mit Marmor oder Lichtsteinen verkleidet, von denen eine eigentümliche, fast schattenlose Helligkeit ausging. Damit nicht genug, gab es überall leicht flackernde Lampen, die duftende Öle verbrannten und einen Hauch von Wärme erzeugten. Wände, Decken und Böden waren nicht einfach Stein, sondern kunstvoll verziert. Es war ein gewaltiger Palast, versteckt in einem bizarren Felsmassiv.

Tahokum, die Insel im Bereich der Zaubermutter Zytha ...

Einst nur ein aus dem Wasser aufragender Felsklotz, aber nach ALLUMEDDON aufgestiegen aus den Fluten und jetzt von einer größeren Landmasse umgeben. Das fruchtbare Land wurde mehr und mehr besiedelt, von Amazonenforts vor Angriffen möglicher Gegner geschützt, und kultiviert. Ackerbau und Viehzucht begannen zu wachsen. Aber niemand kümmerte sich um das Felsmassiv im Innern der Insel. Denn dort gab es höchstens ein paar verkümmerte Pflanzen, aber weder tierisches noch menschliches Leben.

Glaubte man ...

Und eben diesen Irrglauben hatte sich Zaubermutter Zytha zunutze gemacht, als sie den Felsenpalast einrichten ließ. Denn was hier verborgen gehalten wurde, durfte niemand wissen. Einige der Zaubermütter wussten wohl, dass das dritte Kapitel des BUCHES DER ALBTRÄUME, OCCUNOSTA, versteckt war, aber nicht wo.

Zu gefährlich war dieses Kapitel, wie jedes andere aus dem BUCH. Es konnte zum Instrument der Macht, aber auch zum Instrument des absoluten Chaos werden. Die Weltordnung würde zerstört werden.

Niemand, der hier im Felsenpalast lebte, durfte diesen verlassen, ohne sich vorher einer Gedächtnislöschung zu unterziehen. Denn niemand durfte ungewollt zum Verräter werden. Wenn erst einmal bekannt wurde, wo OCCUNOSTA versteckt war, würde jeder Abenteurer versuchen, dieses Kapitel in seinen Besitz zu bringen.

Und trotz aller Geheimhaltung war OCCUNOSTA entdeckt worden. Und so war eine kleine Schar von der Nordwelt ausgezogen, um das dritte Kapitel sicherzustellen und vor dem Zugriff der Dunkelmächte zu bewahren. Bei den beiden ersten Kapiteln war dies Mythor nicht gelungen. Trillum, der Dreischreck, hatte das erste Kapitel, RAONACUM, in seinen unheiligen Besitz gebracht, Xatan das zweite, RADAMACCRA. Mehr und mehr erwuchs in Mythor die Befürchtung, dass diese beiden Vertreter der Schattenmacht sich zusammentun und die Welt ins Chaos stürzen könnten. Die Macht dazu besaßen sie nun. Und wer mehr als die Hälfte des BUCHES DER ALBTRÄUME in seinem Besitz hatte, konnte die anderen Kapitel zwingen ...

Deshalb musste Mythor dafür sorgen, dass die anderen Kapitel gesichert wurden. Die bisherigen Sicherungen hatten sich als unwirksam erwiesen. Denn sonst hätten es weder Trillum noch Xatan fertiggebracht, nicht nur Mythor zuvorzukommen, sondern auch noch die Kapitel an sich zu reißen. Aber das war nun vorbei.

Mythor war sicher, dass weder Xatan, noch Trillum, noch eine andere Macht sich hier aufhielt. Aber dennoch war OCCUNOSTA nicht vor fremdem Zugriff sicher. Denn selbst wenn die Zaubermütter es hier versteckt hielten – auch sie waren untereinander uneins. Es gab zwei Machtblöcke, vertreten durch Zahda und Zaem. Zahda war ruhig, besonnen und abwartend. Zaem dagegen aggressiv und machtsüchtig. Und die Zaubermutter Zytha, in deren Machtbereich sich der Felsenpalast befand, war eine enge Freundin der Zaem ...

Mythor zweifelte nicht daran, dass Zaem alles daran setzen würde, das Kapitel in ihre Gewalt zu bringen. Es versprach ihr noch größere Macht und Einfluss. Mythor hatte Zaems Gefährlichkeit und Machtsucht einst am eigenen Leibe zu spüren bekommen. Und niemand hatte vergessen, dass sie einst ein ganzes Heer von Amazonen zusammengestellt hatte, um den Hexenstern im Handstreich zu erobern.

Erfreulicherweise war es ihr nicht gelungen. Der Krieg am Hexenstern hatte ein rasches Ende gefunden. Aber wahrscheinlich wurde er jetzt mit anderen Mitteln weitergeführt. Mit Intrigen und Listen.

Mythors böse Befürchtungen waren bestätigt worden, als er sich unversehens der Zaubermutter Zaem gegenüber sah. Sie befand sich hier im Felsenpalast! Und sie hatte versucht, Mythor und seine Gefährten zu töten! Nur das Eingreifen der Weißmantelhexe Cyrstin hatte das Schlimmste verhütet.

Cyrstin war die eigentliche Befehlshaberin im Palast, aber sie hatte Mühe gehabt, ihre Autorität durchzusetzen und Zaem an ihrem Vorhaben zu hindern. Jetzt bewegte sich die kleine Gruppe, von Amazonen bewacht, dem Herzen des Palasts entgegen.

Mythor, seine Gefährtin Ilfa, der Beuteldrache Gerrek und der Albtraumritter Coerl O'Marn. Gorgan selbst hatte sich schon von ihnen getrennt, ehe sie die Felsen erreichten und ihren Aufstieg begannen. Es war ihm einfach zu dumm, sich an der »sinnlosen Jagd nach OCCUNOSTA« zu beteiligen, wie er es nannte. Lieber erprobte er seine Kräfte im Kampf gegen die Amazonen. Wahrscheinlich hatte er längst eines der Wachforts erreicht und lieferte sich mit den Kriegerinnen hitzige Kämpfe. Mythor kannte Gorgans Kraft, und er kannte die Künste der Amazonen. Er machte sich keine großen Sorgen, weder um die Amazonen noch um Gorgan.

Mehr Sorgen machte er sich um den Einfluss, den Zaem hier besaß. Besaß sie die gleiche Autorität wie die hier eigentlich regierende Zytha? Und warum war Zytha nicht auch hier?

Der Weg führte durch ein wahres Labyrinth von Gängen. Mythor versuchte sich alles einzuprägen. Aber schon nach dem ersten Dutzend Abzweigungen musste er aufgeben. Und das war wohl auch der Sinn der Aktion. Die unerwünschten Besucher sollten den Rückweg aus eigener Kraft nicht finden. Flüsternd teilte Mythor seine Befürchtung den anderen mit.

»Keine Sorge«, gab Gerrek fast unhörbar zurück. »Mich legen sie nicht herein. Ich habe den Grundriss schon halbwegs im Kopf.«

Nach einiger Zeit erreichten sie einen großen Raum. Ein paar Aasen und Aasinnen huschten davon. Gerrek beäugte sie mit Interesse. Aber er wusste selbst, dass er hier weder Lankohr noch Heeva wiederfinden würde.

Zaem, die vorangegangen war, ging bis zur Mitte des Raumes und wirbelte dann herum. Ihr Regenbogenmantel umwehte sie schwungvoll. Zaem streckte die Hand aus und deutete auf Mythor.

»Zum zweiten Mal kreuzt du meinen Weg«, sagte sie. »Einst kamst du zum Hexenstern, um der Ersten Frau von Vanga Schaden zuzufügen, und jetzt kommst du hierher, um das zu stehlen, das dir Macht bringt ... ich werde es nicht zulassen. Ihr alle seid des Todes.«

»Es steht nicht dir zu, Zaubermutter Zaem, Todesurteile zu verkünden«, warf Cyrstin schneidend ein.

Mythor presste die Lippen zusammen. Das alles sah nach einer Kraftprobe zwischen der weißbemantelten Hexe und der Zaubermutter aus. Sicher, der weiße Mantel besagte, dass sich Cyrstin im höchsten aller erreichbaren Hexenränge befand und damit nur eine einzige Stufe unter der Zaubermutter stand, aber Zaem war nicht nur die mächtigste aller Zaubermütter, sondern es war geradezu ein Sakrileg, sich gegen eine Mutter zu stellen ...

Wenn sich Cyrstin dennoch gegen Zaem stellte, dann stand mehr auf dem Spiel, als Mythor vorerst ahnen konnte. Auf jeden Fall bedurfte es einer ganzen Menge persönlichen Mutes, Zaem so entgegenzutreten.

»Du vergisst dich, Hexe«, zischte die Zaubermutter.

»Noch bin ich hier die Befehlshaberin«, sagte Cyrstin kalt. »Geh zu Zytha, sorge dafür, dass sie mich meines Amtes enthebt. Aber sei dir nicht sicher, ob sie es wirklich tun wird. Auch nicht aus Freundschaft zu dir ...«

»Cyrstin ...«

Die winkte ab. »Das hier ist keine Gerichtsverhandlung, Zaubermutter Zaem, und solltest du dich noch einmal hier in meine Zuständigkeit mischen, lasse ich dich aus dem Saal weisen.«

»Das wagst du nicht.«

Cyrstin hob die Schultern. Sie hielt es nicht für nötig, darauf zu antworten. Mythor sah es als ein Zeichen der Stärke. Nachdenklich musterte er Cyrstin. Sie mochte etwa fünfzig Sommer zählen, war also reif genug, um genau zu wissen, was sie tat. Und sie war am Ende ihrer Karriere angelangt, höher konnte sie nicht mehr aufsteigen, und so konnte auch niemand mehr ihrem Aufstieg Steine in den Weg legen.

Cyrstin sah Mythor und seine Gefährten nachdenklich an. Dann kehrte ihr Blick zu Mythor selbst wieder zurück.

»Der Mann Mythor«, sagte sie. »Ich hätte es nie für möglich gehalten, dir einmal zu begegnen. Was hat dich und deine Begleiter nach Tahokum geführt? Ihr sucht etwas.«

Mythor nickte.

Man hatte ihn noch nicht vergessen. Der Mann Mythor, ein Mann wie Caeryll, so hatten sie ihn damals genannt. Dass er von Cyrstin akzeptiert wurde, obgleich er ein Mann war, lag nur an jenem Ruhm, den er erworben hatte. In jedem anderen Fall hätte sich die Hexe an Ilfa gewandt – eben weil sie eine Frau war.

»Wir suchen etwas, um für seine Sicherheit zu sorgen«, sagte Mythor. »Unser Weg führte uns zu diesem Felsen. Und ihr Hexen und Amazonen bewacht es.«

Zu seiner Überraschung nickte Cyrstin sofort. »Es ist hier. Aber du wirst es nicht bekommen. Denn es birgt zu große Gefahren.«

Obgleich es nicht beim Namen genannt wurde, war Mythor klar, dass Cyrstin wusste, wovon sie sprach.

»Es verwundert mich ein wenig«, gestand Mythor. »RAONACUM und RADAMACCRA befanden sich in anderen Weltebenen. Rauhnacht, das Land der Minke jenseits der Traumschranke, Sworgeda, das Verbotene Land jenseits der Mauer um die Welt ... und OCCUNOSTA soll sich hier in unserer Welt befinden? Das macht OCCUNOSTA doch noch angreifbarer.«

»Was weißt du von OCCUNOSTA?«

»Ich weiß, dass sich verborgenes magisches Wissen damit einsetzen lässt. Dass seine dunklen Träume Wirklichkeit werden und den Menschen dieser Welt Verderben bringen können. Und dass die Finstermächte dabei sind, ihre Klauen nach dem BUCH DER ALBTRÄUME auszustrecken, um es in ihre Gewalt zu bringen. Das muss verhindert werden.«

»OCCUNOSTA ist vor jedem Zugriff sicher«, sagte Cyrstin. Sie wechselte dabei einen schnellen Blick mit Zaem, deren Gesicht sich zusehends verdüsterte. Mythor atmete tief durch. Der kurze Blickwechsel sagte ihm alles. Zaem wollte die Macht, und Cyrstin wusste darüber Bescheid!

»Vor jedem?«, echote Mythor. »Das bezweifle ich. Nicht einmal in Rauhnacht und Sworgeda ließ es sich verstecken ... und hier haben wir es doch auch gefunden!«

»Mit Hilfe dieser leuchtenden Kristalle, die dieses Männchen bei sich trägt«, warf Zaem verächtlich ein.

Coerl O'Marns Gesicht verdunkelte sich. Der Albtraumritter griff zum Schwert. Aber Ilfa hielt seine Hand fest.

»Mach keinen Unsinn«, raunte sie. »Die Zaubermutter wird dich töten.«

Zaem lachte spöttisch. »Ich habe dein Kristallgewimmel ein wenig durcheinandergebracht«, sagte sie. »Du wirst nicht mehr allzu viel damit anfangen können.«

O'Marn ballte die Fäuste. Der Druck von Ilfas Hand wurde stärker. In der Tat hatten sie es alle gemerkt – zumindest eine Ortsversetzung durch das DRAGOMAE war zur Zeit nicht mehr möglich.

»Also doch«, murmelte Mythor. »Du missbrauchst den Kristallmond.«

»Ich leihe mir seine Macht aus«, erwiderte Zaem glatt. »Zaubermutter Zytha ermöglichte es mir, in ihrem Zeichen Zauberkräfte zu entfesseln.«

»Ein weiterer Schritt zur Macht, nicht wahr? Weiß Zytha, dass du sie dadurch völlig ausschalten könntest?«, fragte Ilfa.

Nicht nur Zaem, sondern auch Mythor sah sie überrascht an. »Woher ...?«, keuchte Zaem.

»Ich bin eine Tochter der Vanga«, gestand Ilfa lächelnd. »Und Vanga gab mir Wissen um viele Dinge. Hast du Zytha die Macht schon völlig geraubt, oder darf sie noch über ihre eigenen Kräfte verfügen?«

»Erschlagt dieses Weib!«, schrie Zaem auf und deutete auf Ilfa. Ihre Finger formten Zeichen. Ein Zauber ... aber bevor sie ihn vollenden konnte, trat Cyrstin vor Ilfa und formte eine Abwehr. Zaem knirschte hörbar mit den Zähnen.

»Hier wird niemand erschlagen«, sagte Cyrstin gelassen. »Geh, Zaubermutter. Wir werden uns in Ruhe darüber unterhalten. Nicht vor all diesen Fremden.«

»Du wirst dir wünschen, dies nicht gesagt zu haben«, fauchte Zaem. Dann entfernte sie sich mit gemessenen Schritten.

Als sie den großen Raum verlassen hatte, überzog ein Lächeln Cyrstins Gesicht. Sie deutete auf einen Platz im Hintergrund, wo es Sitzkissen und einen flachen Tisch gab, umgeben von Blumen, die einen Hauch von Dschungel ins Innere des Felsenpalastes brachten.

»Na also«, sagte Cyrstin. »Nun endlich können wir uns in Ruhe unterhalten.«

 

*

 

Sehr schwer war es Zaem nicht gefallen, einen Rückzieher zu machen. Immerhin – die Kommandantin des Felsenpalasts befand sich im Recht. Sie hatte hier zu bestimmen, und nicht Zaem. Wenn überhaupt eine Zaubermutter, dann gab Zytha die Befehle.

Aber das alles würde sich bald ändern. Spätestens dann, wenn ihr Plan von Erfolg gekrönt wurde. Zaem lächelte und betrat den Saal, in dem OCCUNOSTA aufbewahrt wurde. Die Zaubermutter trat bis dicht an das Buch heran.

Das steinerne Buch ... Sechzehn Fuß und vier Spannen in der Länge, zehn Fuß in der Breite und drei Fuß und eine Spanne stark. Ein gewaltiges, riesiges Buch aus schwarzem Stein. Dünn wie Pergament jede Seite, und doch brachen sie nicht, wenn man sie umblätterte ... so hieß es. Ein schwarzes Steinbuch, bestehend aus verfestigten Albträumen der Welt, aus dem Stein gewordenen Ur-Bösen. Und Macht verbarg sich in diesen Albträumen, unsägliche Macht.

Zaem nickte. Mochte Ambe, die Erste Frau, weiterhin die Südwelt mit ihren Träumen lenken und regieren. Sie, Zaem, würde Gegenträume aussenden. Albträume, gewonnen aus OCCUNOSTA. Albträume der Macht, und mit dieser Macht würde sie Vanga beherrschen. Es dauerte nicht mehr lange.

Die Siegel waren schon sehr dünn. Sieben Siegel aus Magie, die ständig erneuert werden mussten, weil sie nach Tag und Nacht ihre Kraft verloren. Lichtkind, Fronjas Tochter, war die einzige, die in der Lage war, die Siegel zu erneuern. Sie tat dies mit ihren Träumen vom Guten und vom Schönen der Welt. So war es wichtig, dass das Lichtkind stets gut und ruhig schlief. Darauf achteten Hexen und Aasinnen im Felsenpalast. Doch war es Zaem ein leichtes, diese fortzuschicken. Niemand wagte einer Zaubermutter zu widersprechen. Und Zaem kümmerte sich gern selbst um Lichtkind, viel zu gern ... nicht einmal Cyrstin hatte das verhindern können.

In den letzten Tagen hatte Lichtkind wenig Schlaf gefunden, und wenn, dann war dieser Schlaf sehr unruhig und nicht gerade erquickend gewesen. Entsprechend schlecht waren die Träume. Die Siegel wurden immer unvollständiger erneuert, schwanden mehr und mehr.