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Lukas Magnaguagno

FÖRDERUNG VON SOZIALEN KOMPETENZEN IM FACH SPORT
Unterrichtskonzept für die Praxis und Befunde einer sportpädagogischen Intervention
ISBN Print: 978-3-0355-0349-4
ISBN E-Book: 978-3-0355-0350-0

1. Auflage 2015

Alle Rechte vorbehalten
© 2015 hep verlag ag, Bern

www.hep-verlag.com

Inhaltverzeichnis

Vorwort

1

Worum geht es?

1.1

Sozialerziehung und Sportunterricht

1.2

Aufbau des Beitrags

2

Was weiß man?

2.1

Ziel und Vorgehen des Projekts

3

Wie sieht das Unterrichtskonzept aus?

3.1

Unterrichtsmethode

3.2

Unterrichtsinhalt

3.3

Unterrichtsstruktur

3.4

Lektionsaufbau und -beispiele

3.5

Schulungsmaßnahmen

4

Welche Projekterkenntnisse gibt es?

4.1

Umsetzungsqualität der Lehrkräfte

4.2

Auswirkungen auf das Selbstbild sozialer Kompetenzen

5

Welches Fazit wird gezogen?

6

Literatur

7

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Vorwort

Die Durchführung eines Forschungsprojekts bedarf der Unterstützung und Beteiligung verschiedener Personen und Institutionen. Ich bedanke mich bei der Pädagogischen Hochschule Bern (PHBern), die im Rahmen ihrer antragsbasierten Forschungsförderung das Projekt «Entwicklung der Sozialkompetenz im Schulsport» finanzierte, infrastrukturelle sowie personelle Ressourcen bereitstellte und ebenso die Herausgabe dieser Publikation in der Reihe «Beiträge für die Praxis» möglich machte. Ein weiteres Dankeschön geht nicht nur an die formale und inhaltliche Unterstützung von Seiten des Instituts für Sportwissenschaft (ISPW) der Universität Bern, sondern mit Nachdruck auch an alle Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schüler der partizipierenden Klassen aus dem Kanton Bern. Ohne ihr Interesse und Engagement hätte dieses Forschungsprojekt nicht durchgeführt werden können. Ich danke auch den Schulleitungen und den Eltern, die mir ihr Einverständnis zur Durchführung dieses Projekts gegeben und mir somit ihr Vertrauen ausgesprochen haben.

Lukas Magnaguagno
Bern, im August 2015

1Worum geht es?

«Musik macht schlau und Sport bessere Menschen» (Brettschneider 2008, S. 15). Mit diesem Bonmot wird eine tradierte Thematik angesprochen, die nach wie vor sport- und bildungspolitisch von enormer Bedeutung ist (Conzelmann, Schmidt & Valkanover 2011, S. 11). Bis heute scheinen sich Sportverbände, Sportvereine und auch viele Politikerinnen und Politiker darüber einig zu sein, dass Sport eine positive Wirkung auf die Menschen hat und damit eine Vielzahl pädagogisch-psychologischer Funktionen erfüllt (Hoffmann 2006). Er macht resistenter gegenüber Drogen, schützt vor Gewalt, hilft bei der Bekämpfung von Rechtsradikalismus sowie Rassismus, fördert soziale Integration und unterstützt die Entwicklung der Persönlichkeit in all ihren Facetten (Brettschneider 2008). Gerade die persönlichkeitsbildende Funktion des Sports genießt einen hohen Stellenwert. Diesbezüglich nimmt der Schulsport1 eine gesonderte Rolle ein, denn auf sozialerzieherischer Ebene wird er im Kindes- und Jugendalter als einflussreiches Instrument bezeichnet, um einen Beitrag zur Erarbeitung überfachlicher Schlüsselqualifikationen wie etwa dem Erwerb von sozialen Kompetenzen zu leisten. Der Sportunterricht als Sozialisationsinstanz soll demnach soziokulturell bedingte Defizite kompensieren sowie prosoziale Verhaltensformen vermitteln (Gebken 2010). Diese bildungspolitische und sportpädagogische Zielsetzung bildet eine Begründungslinie des Schulsports und wird in sämtlichen Rahmenrichtlinien sowie Handreichungen explizit formuliert (ebd.). Dadurch gehört der Aspekt der Sozialerziehung im Schulsport zum allgemeinen Bildungsauftrag der Institution Schule. Allerdings erreicht er für die Praxis des Sportunterrichts erst dann Relevanz, wenn neben Erkenntnissen zur tatsächlichen Wirkung von bildungspolitisch begründeten Erwartungen auch die Frage nach didaktisch-methodischen Handlungsempfehlungen und Umsetzungsbedingungen beantwortet wird. Vor diesem Hintergrund bietet dieser Beitrag nicht nur eine empirische Bewährungsprobe zur normativ gehaltenen Argumentationsdiskussion, sondern liefert zudem für Lehrpersonen, Studierende von Pädagogischen Hochschulen aber auch Dozierende in der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften einen Vorschlag für die Unterrichtsgestaltung, um das Potenzial des Sportunterrichts für soziale Lernprozesse nutzbar zu machen.

1.1Sozialerziehung und Sportunterricht

Die generelle Annahme, dass Sport im positiven Sinne zur Persönlichkeitsentwicklung des Menschen beitrage, hat nicht nur eine lange Tradition, sondern bildet gleichermaßen den Ursprung für pädagogische Postulate. Richtet man den Blick auf den deutschsprachigen Raum können im bildungspolitischen Kontext zwei Positionspapiere als beispielhafte Umsetzung dieser Argumentationslinie aufgeführt werden. Zum einen wird in der Erklärung der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) vom 28. Oktober 2005, die sich mit der Bewegungserziehung und Bewegungsförderung in der Schule beschäftigte, auf der ersten Seite vermerkt, dass Bewegungserziehung und Bewegungsförderung für alle Schülerinnen und Schüler zum Bildungsauftrag gehören: Der Schulsport soll dabei einerseits einen Beitrag zur Gesundheitsförderung, andererseits auch zur Persönlichkeitsentwicklung leisten. Zum anderen umschreibt das im September 2009 gemeinsam von der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft, dem Deutschen Sportlehrerverband und dem Deutschen Olympischen Sportbund beschlossene «Memorandum zum Schulsport» auf Seite 5 den pädagogischen Auftrag des Schulsports folgendermaßen: «Grundsätzlich […] geht es um die doppelte Aufgabe, sowohl die Sport- und Bewegungskultur als auch die Persönlichkeit zu entwickeln.» Damit kommt der sogenannte Doppelauftrag – Entwicklungsförderung durch Bewegung, Spiel und Sport sowie Erschließung der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur (Brettschneider 2008) – zum Ausdruck, welcher den Schulsport nicht ausschließlich durch die Erziehung zum Sport, sondern ebenso Erziehung durch Sport legitimiert und in den meisten Schulsport-Curricula an öffentlichen Schulen im deutschen Sprachraum unbestritten ist (Balz 2003).

Ein zentraler Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung, der als Schlüsselkompetenz maßgeblich zum privaten sowie beruflichen Erfolg und Wohlbefinden beiträgt (z. B. Limbourg, Steins 2011), ist die Sozialkompetenz.2 Ihr wird mitunter die frühzeitige Prävention von möglichen Risikoentwicklungen wie Gewalt oder Delinquenz sowie die Vorabreduktion der Eintretenswahrscheinlichkeit von potenziellen Belastungen wie soziale Isolation bescheinigt (Brinkhoff 2000; Jerusalem, Klein-Hessling 2002). Insbesondere im Kindes- und Jugendalter wird der Entwicklung der Sozialkompetenz sowohl von entwicklungspsychologischer als auch bildungspolitischer Seite große Bedeutung beigemessen und bildet damit einen integralen Bestandteil des allgemeinen Bildungsauftrages. Brohm (2009) verweist bei der schulischen Vermittlung sozialer Kompetenzen aber nicht nur auf den Selbstzweck, den gesetzlich vorgeschriebenen Sozialzielen Genüge zu tun, sondern sieht darüber hinaus das sozialkompetenzbezogene Lernziel als zentralen «Bestandteil der in den Gesetzen geforderten an Menschen- und Freiheitsrecht ausgerichteten schulischen Werteerziehung und Persönlichkeitsentwicklung» (S. 191). Nach wie vor ist die Sozialerziehung im schulischen Kontext also ein wichtiges und relevantes Thema und stellt eine wesentliche gesellschaftliche Aufgabe gegenüber den heranwachsenden Generationen dar, der alle erwachsenen Bezugspersonen wie Lehrerinnen und Lehrer verpflichtet sind. Nach Limbourg und Steins (2011) bleibt jedoch weitgehend unklar, wie man soziale Lernprozesse systematisch und differenziert in der Schule gestalten soll.

Obschon die Förderung von sozialen Kompetenzen in der modernen Gesellschaft erwartet und soziales Lernen u. a. als Erwerb von Wissensbeständen im Rahmen bestimmter Fächer und ihren Teilgebieten verstanden wird, findet man kaum eine curriculare Strukturierung, um soziale Lernprozesse stufenübergreifend in den erzieherischen Auftrag der öffentlichen Institution Schule zu integrieren. Auf diese Weise stellt die Entwicklung dieser überfachlichen Kompetenz auch nicht wirklich einen integrativen