Autor: Klaus H. Carl

Mit ausführlichen Textzitaten aus Dr. Dorothea Eimert:

Die Kunst und Architektur des 20. Jahrhunderts.

Mitarbeit an der deutschen Ausgabe:

Romy Fischer

 

Layout:

Baseline Co. Ltd

61A-63A Vo Van Tan Street

4. Etage

Distrikt 3, Ho Chi Minh City

Vietnam

 

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© Erich Heckel Estate, Artists Right Society (ARS), New York / VG Bild-Kunst, Bonn

© Karl Schmidt-Rottluff Estate, Artists Right Society (ARS), New York / VG Bild-Kunst, Bonn

© Max Pechstein Estate, Artists Right Society (ARS), New York / VG Bild-Kunst, Bonn

© Gabriele Münter Estate, Artists Right Society (ARS), New York / VG Bild-Kunst, Bonn

© Heinrich Nauen Estate, Artists Right Society (ARS), New York / VG Bild-Kunst, Bonn

© Paul Klee Estate, Artists Right Society (ARS), New York / VG Bild-Kunst, Bonn

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© George Grosz Estate, Artists Right Society (ARS), New York / VG Bild-Kunst, Bonn

© Otto Dix Estate, Artists Right Society (ARS), New York / VG Bild-Kunst, Bonn

© Conrad Felixmüller Estate, Artists Right Society (ARS), New York / VG Bild-Kunst, Bonn

 

Weltweit alle Rechte vorbehalten.

Soweit nicht anders vermerkt, gehört das Copyright der Arbeiten den jeweiligen Fotografen, den betreffenden Künstlern selbst oder ihren Rechtsnachfolgern. Trotz intensiver Nachforschungen war es aber nicht in jedem Fall möglich, die Eigentumsrechte festzustellen. Gegebenenfalls bitten wir um Benachrichtigung.

 

ISBN: 978-1-78310-693-6

Klaus H. Carl

 

 

 

DEUTSCHE MALEREI

VOM MITTELALTER BIS ZUR NEUEN SACHLICHKEIT

 

 

 

 

 

 

Inhalt

 

 

Die Malerei des Mittelalters

Von den Anfängen zur Romanik

Die Buchmalerei

Die Glasmalerei

Die Wandmalerei

Die Tafelmalerei

Gotik

Die Glasmalerei

Die Tafelmalerei

Meister Wilhelm und die Kölner Malerschule

Stephan Lochner

Die Malerei der Neuzeit

Renaissance

Die Spätgotik und die Frührenaissance

Hans Pleydenwurff

Michael Wolgemut

Martin Schongauer

Die Hochrenaissance

Albrecht Dürer

Hans Leonhard Schäufelin und Hans Süß von Kulmbach

Albrecht Altdorfer

Matthias Grünewald

Hans Baldung Grien

Hans Holbein der Ältere

Hans Holbein der Jüngere

Hans Burgkmair der Ältere

Christoph Amberger

Lucas Cranach der Ältere

Lucas Cranach der Jüngere

Barock und Rokoko

Adam Elsheimer

Joachim von Sandrart

Johann Heinrich Roos

Johann Liss

Das Rokoko

Johann Baptist Zimmermann

Matthäus Günther

Klassizismus

Daniel Nikolaus Chodowiecki

Anton Raphael Mengs

Johann Heinrich Wilhelm Tischbein

Asmus Jakob Carstens

Romantik

Carl Anton Joseph Rottmann

Friedrich Preller der Ältere

Caspar David Friedrich

Philipp Otto Runge

Johann Wilhelm Schirmer

Die Nazarener

Peter von Cornelius

Johann Friedrich Overbeck

Philipp Veit

Edward Ritter von Steinle

Biedermeier

Adrian Ludwig Richter

Carl Spitzweg

Wilhelm von Kaulbach

Georg Friedrich Kersting

Realismus

Carl Blechen

Adolph von Menzel

Anton von Werner

Arthur Kampf

Carl Theodor von Piloty

Franz von Lenbach

Wilhelm Leibl

Hans Thoma

Hugo von Habermann

Historismus des 19. Jahrhunderts

Max Klinger

Anselm Feuerbach

Hans von Marées

Die Malerei der Moderne

Impressionismus

Am Ende des 19. Jahrhunderts

Käthe Kollwitz

Heinrich Zille

Max Liebermann

Franz Skarbina

Max Slevogt

Ludwig von Hofmann

Walter Leistikow

Lovis Corinth

Fritz von Uhde

Symbolismus

Franz von Stuck

Expressionismus

Der europäische Rahmen

Paula Modersohn-Becker – Die Wegbereiterin in Worpswede

Die Farbe löst die bestehende Form auf

Die Brücke

Ernst Ludwig Kirchner

Erich Heckel

Karl Schmidt-Rottluff

Max Pechstein

Otto Mueller

Emil Nolde

Christian Rohlfs

Ludwig Meidner

Der Blaue Reiter

Karl Hofer – Von der N.K.V.M. zum Blauen Reiter

Franz Marc

Gabriele Münter

Paul Klee

Der Rheinische Expressionismus

Die Ausstellung Rheinische Expressionisten

August Macke

Heinrich Campendonk

Max Ernst

Max Beckmann

Neue Sachlichkeit

George Grosz

Otto Dix

Conrad Felixmüller

Die „Entarteten“

Die Ausstellung Entartete Kunst

Bibliografie

Abbildungsverzeichnis

Unbekannt, Christus in Herrlichkeit, 1120.

Wandgemälde. Apsis, Kirche St. Peter

und Paul, Reichenau-Niederzell.

 

 

Die Malerei des Mittelalters

 

 

Von den Anfängen zur Romanik

 

Als die Römer den größten Teil des von germanischen Stämmen bewohnten Landes nördlich der Alpen erobert und zur Sicherung ihrer Herrschaft neben befestigten Lagern für ihre Truppen auch Kolonien gegründet hatten, aus denen später häufig Städte entstanden, stießen sie bei der Einführung ihrer Kulturform auf keinen nennenswerten Widerstand. Die Bau- und Bildhauerkunst war den Germanen selbst in ihren ursprünglichen Formen fremd, und es ist sogar zu vermuten, dass sie als Krieger die aus einer verfeinerten Kultur hervorgegangene Kunstausübung als unwürdig empfanden.

Erst als die Römer begannen, Bäder und Gebäude für gemeinnützige Zwecke, Schutzbauten, Straßenanlagen, Wasserleitungen und anderes zu errichten, mag sich die Einstellung der Germanen allmählich geändert haben. Mehr und mehr nutzten sie die Vorteile, die ihnen die fremde Kultur der anfangs so verhassten Eroberer brachte. Dann dürfte bald auch der Nachahmungstrieb unter ihnen erwacht sein. Die Römer fühlten sich ihres Besitzes so sicher, dass sie sich besonders an den Ufern des Rheins und seiner Nebenflüsse prächtige Landhäuser bauen ließen, die sie mit dem in ihrer Heimat üblichen künstlerischen Dekor, insbesondere mit Bildwerken und Mosaiken, ausstatteten.

Die Künstler, die den Heeren der Eroberer gefolgt waren, kamen allerdings nicht weit über ein gewisses Maß an handwerklicher Tüchtigkeit hinaus, das sogar umso bescheidener wurde, je mehr der Bedarf an Kunstwerken in den römischen Siedlungen stieg. Am häufigsten waren die Bildhauer mit der Herstellung der in großer Anzahl erhalten gebliebenen Grabsteine und Grabdenkmäler beschäftigt. Aus diesen kann man ableiten, dass die Künstler sich hauptsächlich an das Gegenständliche hielten und die Porträts der Toten in derb realistischer Art und ohne jegliche künstlerische Veredelung wiedergaben.

Der Kontakt mit Rom brach allmählich ab. Aber auch ohne diese Distanz wäre der römischen Kunst auf germanischem Boden kein frisches Blut mehr zugeströmt, da auch in Rom die alte Kunst ins Schlichte, Einfallslose versunken war. Aus dieser nüchtern-realistischen Kunst hätten sich in der neuen Heimat vielleicht dennoch gesunde Keime entwickeln können, wenn die Stürme der Völkerwanderung mit der römischen Herrschaft nicht auch die römische Kultur vernichtet hätten.

Als sich dann aus dem Chaos neue Staaten gebildet hatten, die über eine gewisse Zeit hinweg auch Bestand hatten, war die Pflege der Kunst wohl die letzte Sorge der jeweiligen Herrscher; und wenn sie sich doch darum kümmerten, dann war es eine Kunst, die zunächst ihnen selbst zugute kam. Sie befriedigte ihre Prachtliebe und das Bedürfnis, ihre Diener, Krieger und Vasallen durch großzügige Spenden bei Laune zu halten. Aus Grabfunden ist auch einiges über die ursprüngliche germanische Kunstausübung bekannt. Insbesondere sind zahlreiche Spangen, Gewandnadeln, Gürtelbeschläge, Brust- und Haarschmuck aus Gold, Silber und anderem Metall in fränkischen Gräbern, etwa aus der Zeit vom 3. bis zum 8. Jahrhundert, gefunden worden. Wenn auch in der Form meistens von römischen Vorbildern beeinflusst, zeigen diese Schmuckstücke doch eine durchaus eigenständige Ornamentik, ein Spiel von wunderbar verschlungenen Linien und zusammengeflochtenen Bändern, die in fratzenhafte Menschen und Tierköpfe auslaufen. Diese Ornamentik verschwand keineswegs aus dem Formenschatz der Germanen und sollte später in der Kunst des romanischen Mittelalters wiederauftauchen.

Obwohl die merowingischen Herrscher im Kirchenbau eine umfangreiche Tätigkeit veranlassten, ist keines ihrer Bauwerke erhalten geblieben. Aus schriftlichen Überlieferungen ist jedoch bekannt, dass ihre Kirchen sich an den Typ der altchristlichen Basiliken anlehnten und meistens Kreuzformen hatten. Das eigentlich nationale Element in der Kunst wurde damals nur durch die von den ersten Verkündigern des Evangeliums im nordwestlichen Deutschland, von irischen und schottischen Mönchen, mitgebrachte Miniaturmalerei vertreten.

Im Gegensatz zu den byzantinischen Bilderhandschriften, bei denen das Hauptgewicht auf die vom Text getrennten bildlichen Darstellungen gelegt wurde, strebten die irischen Mönche nach einer künstlerischen Durchbildung der Schrift selbst. Die führten sie in größter Sauberkeit und Zierlichkeit aus, sodass ihnen die Entwicklung der eigentlichen Schönschrift, der Kalligrafie, zu verdanken ist, die sie außerdem auch mit reicher Verschnörkelung an kunstvollen Initialen, Einfassungen, Randverzierungen und anderem Dekor versahen. Ohne von einer fremden Kultur beeinflusst zu sein, hatten sie aus ihrer Heimat einen eigenen ornamentalen Stil mitgebracht, der in seinen Grundformen und insbesondere in der starken Neigung zum Fantastischen und in dem unerschöpflich vielfältigen Spiel mit grotesken Tiergestalten der altgermanischen Ornamentik so eng verwandt war, dass er Verständnis und willige Aufnahme fand.

Diesem kalligrafischen Grundzug ihrer Miniaturmalerei ordneten die irischen Mönche, deren Handschriften sich über ganz Deutschland bis in das schweizerische St. Gallen verbreiteten und somit einen nicht geringen Einfluss auf die Kunst des 7. und 8. Jahrhunderts ausübten, auch die bildlichen Darstellungen unter. Letztere verloren schließlich jeden Zusammenhang mit der Natur und konnten daher den fränkischen und angelsächsischen Schreibern, die in der Darstellung der menschlichen Gestalt zwar immer noch unter dem Einfluss der durch ihre Vorbilder nachwirkenden antiken Kunst stehend, aber bereits weiter vorgeschritten waren, nicht als Muster dienen. Wohl aber ist die irische Ornamentik von ihnen aufgenommen und noch reicher ausgebildet worden.

Die Malerei wurde entweder als Wandmalerei zum Schmuck der Kirchen oder als Buchmalerei zur Verzierung religiöser Schriften eingesetzt. Die Themen und Gestaltungsmerkmale waren bei Wand- und Buchmalerei gleich. Vor allem durch die Kreuzzüge gelangten auch byzantinische Stilelemente nach Mitteleuropa. Weil der größte Teil der Bevölkerung analphabetisch war, stellte man Szenen aus der Bibel bildlich in Form eines Zyklus’ dar; in diesen Bildfolgen wurden zu einem Thema mehrere Ge-schichten erzählt. Die Kunst hatte damit nicht nur eine dekorative, sondern vor allem eine belehrende Funktion. Besonders die Apsis und die Wände des Langhauses einer Kirche wurden bemalt. In manchen Regionen waren aber auch Ornamente und geometrische Muster an der Decke und den Säulen der Kirche üblich. Dabei verwendete man häufig Blau, Rot, Weiß und Schwarz. Von den Wandmalereien aus romanischen Kirchen sind nur wenige erhalten geblieben, sie wurden später entweder übermalt oder durch Brände zerstört. Die bei karolingischen Malereien noch erkennbare Nähe zur Antike ging verloren, man gestaltete die Werke weniger prunkvoll und repräsentativ. Ihre Kennzeichen sind die Flächigkeit durch den Verzicht auf Raumtiefe, feste Umrisslinien, symmetriebetonte Anordnung der Bildgegenstände und eine ausdrucksstarke Gebärdensprache. Die Körperlichkeit der Figuren wird negiert und durch eine sinnbildliche Funktion von Farbe und Proportion ersetzt.

Die Menschen des Mittelalters konnten mit Ausnahme der Geistlichkeit weder lesen noch schreiben. Die Bibel lag nur in griechischer oder lateinischer Sprache vor, die Predigt in den Gottesdiensten wurde ebenfalls nur in Latein gehalten. Um diesen Menschen die Heilige Schrift näherzubringen, waren die Wände romanischer Kirchen mit monumentalen Fresken überzogen. Man sprach von der biblia pauperum, der „Armenbibel” (d. h. Fresken oder Illustrationen auf Papier für die des Lesens und Schreibens Unkundigen). Die Malerei auf beweglichem Bildträger, die Tafelmalerei – in der Romanik zumeist Holz –, begann ihren Weg durch die abendländische Kunst zwar recht behutsam, dafür dienten aber großformatige Wandteppiche ebenfalls der bildlichen Erzählung biblischer und historischer Geschichten.

Unbekannt, Initiale des Buchs Daniel:
Daniel im Löwengraben, 105 r., Lateinische Bibel:

Altes Testament, Buch der Propheten, Schwaben (Weingarten),

um 1220. Pergament, 479 x 335 cm (Text 335 x 205 cm).

Unbekannt, Ada-Evangeliar, Matthäusbild,

folio 15 verso, um 800. Pergament,

36,6 x 24,5 cm. Stadtbibliothek Trier, Trier.

 

 

Die Buchmalerei

 

Wichtige Kunstformen waren in der Romanik die meist von Mönchen ausgeführte Buchmalerei und die aus Elfenbein geschnitzten Verzierungen der Buchdeckel kostbarer Handschriften. Die Buchmalereien entstanden in klösterlichen Schreibstuben als bildhafte Vermittlung des Textes. Merkmale der Buchmalerei waren Initialen (große, besonders verzierte Anfangsbuchstaben), ornamentale Randleisten und figurale Darstellungen.

Die Figuren waren einfach und auf das Wesentliche beschränkt. Man verwendete lebhafte, leuchtende Farben und kräftige Umrisslinien. Gold und Rot symbolisierten die höchste Würde. Die Größe einer Person im Bild hing von ihrer Bedeutung ab (Bedeutungsperspektive), so wurde Jesus immer größer als ein Engel dargestellt, als Ausdrucksträger wurden häufig die Augen und Hände besonders betont. Die Figuren wirken kaum bewegt und zeigen nur wenige typische Gesten. Zum Teil sind sie symmetrisch angeordnet und werden lediglich durch kleine Abweichungen belebt. Die Darstellung des Heiligenscheins wurde aus der byzantinischen Kunst übernommen, Kleidung wurde mit wenigen, stilisierten Gewandfalten dargestellt. Auf Schatten und räumliche Tiefe wurde verzichtet, eine naturalistische Darstellung wurde nicht als Aufgabe angesehen.

Die Entwicklung der mittelalterlichen Gegenden Italiens während der romanischen Epoche lässt sich in ihren Zusammenhängen nur durch die Werke der Miniaturmalerei, d. h. durch die Illustration der Mess-, Gesangs- und Evangelienbücher für den Gebrauch in Kirchen und Klöstern nachvollziehen, zu denen schon frühzeitig Abschriften der Werke griechischer und römischer Schriftsteller und Lehrbücher für Klosterschulen kamen.

Als dann etwa seit der Mitte des 12. Jahrhunderts unter dem Einfluss der Blüte des Rittertums eine weltliche Dichtung entstand, die schnell einen glänzenden Aufschwung nahm und einerseits in der lyrischen Poesie der Minnesänger, andererseits in großartigen, erzählenden Dichtungen gipfelte, wurden auch die Handschriften dieser Dichtung in der Art der kirchlichen Handschriften künstlerisch ausgestaltet. Nur wurde statt der farbigen Malerei auf Goldgrund die Federzeichnung bevorzugt, die eine größere Schnelligkeit der Herstellung, eine freiere Bewegung und eine Aus-drucksweise gestattete, die der Darstellung zeitgenössischer Figuren und Ereignisse besser entgegenkam als die mit den herkömmlichen Typen arbeitende Miniaturmalerei. Diese Federzeichnungen wurden manchmal auch leicht koloriert und sind somit als Vorläufer der späteren Holzschneidekunst anzusehen, auf deren ältesten Erzeugnissen die Umrisse ebenfalls mit Farbe ausgefüllt, „illuminiert“, wurden.

Unbekannt, Codex Manesse, folio 219 verso und 220 recto,

um 1160/1170-1330. 426 Pergamentblätter, 35,05 x 25 cm,

mit 140 Dichtwerken, 137 Miniaturen und einer Federzeichnung.

Universitätsbibliothek Heidelberg, Heidelberg.

 

 

Die Glasmalerei

 

Die Glasmalerei der romanischen Fensterrosetten vermittelt den Gläubigen einen ersten Eindruck himmlischer Pracht. Der Ursprung der Glasmalerei liegt vermutlich bei den altpersischen Sassaniden. Etwa seit dem frühen Mittelalter wurde sie sowohl im Kirchenbau als auch im Profanbau eingesetzt. Dabei kamen für die Herstellung zwei unterschiedliche Verfahren zum Einsatz: Entweder wurde die Zeichnung auf farbiges Glas aufgetragen, oder farblose Gläser wurden mit Schmelzfarbe bemalt. Bei den zunächst in pulvriger Form vorliegenden Farben selbst gibt es neben den genannten Schmelzfarben noch das Glasbeizen mit Diffusionsfarben und die Edelmetallfarben.

Durch die farbigen Glasfenster wurde das Dekor des Kircheninneren vervollständigt, sodass die bemalten Flächen durch die Licht spendenden Fensteröffnungen nicht unterbrochen wurden. Die sogenannte „Glasmalerei des Mittelalters“ ist eigentlich ein Zweig der musivischen Kunst, denn die zunächst auf Papier oder Pergament im Ganzen entworfenen Darstellungen wurden mosaikartig aus in der Masse gefärbten und zurechtgeschnittenen Glasplättchen zusammengesetzt, die durch die gleichzeitig die Umrisse bildenden Bleifassungen miteinander verbunden wurden. Die feineren Einzel-heiten der Zeichnung wurden mit Schwarzlot aufgetragen und dieses mit den Glasplatten durch Einbrennen verschmolzen.

Bei der Herstellung des Glases und bei seiner Zusammensetzung musste auf die Notwendigkeit voller Durchsichtigkeit geachtet werden, und darin besaßen die Glasmacher des Mittelalters ein später nicht allzu häufig wieder erreichtes Geschick. Der Zauber der Lichtwirkungen, den die alten Glasmalereien in die mittelalterlichen Kirchen strahlen ließen, ist mit Recht mit dem Funkeln geschliffener Edelsteine verglichen worden, und diese wie aus der Tiefe kommende Leuchtkraft ist das Geheimnis der alten Glasmacher und Glasmaler geblieben. Obwohl sie schon im 10. Jahrhundert figürliche Darstellungen in die Mitte ihrer Fenster setzten, die sie dann mit einer ornamentalen Einfassung umgaben, hat es lange gedauert, bis sie zu einer freieren Behandlung der menschlichen Gestalt gelangten.

Da die Glasfenster in noch viel höherem Grad der Zerstörung ausgesetzt waren als die Wandmalereien, sind von den Glasmalereien der romanischen Zeit nur wenige erhalten geblieben. Die vermutlich ältesten Glasmalereien sind fünf Fenster in dem aus dem 8. Jahrhundert stammenden, mit seinen beiden Türmen weithin sichtbaren Augsburger Dom mit Prophetenfiguren vom Ende des 12. Jahrhunderts, die wegen der spröden Technik jener Jahre in ihrer starren Haltung hinter der Malerei dieser Zeit zurückstehen. Auch die nachfolgende Zeit begnügte sich meistens entweder mit solchen Einzelgestalten oder nur mit ornamentalen, an orientalische Teppiche erinnernden Mustern. Erst die Glasmalerei der gotischen Periode hatte sich an umfangreiche, figurenreiche Kompositionen gewagt, die mit denen der Wandmalereien wetteiferten und sie schließlich mit den dicht zusammengedrängten Figuren auf engstem Raum noch überboten.

Romanische Wandmalereien eines Meisters der
Regensburger Malerschule, Bischof Otto I. von Bamberg,

um 1125-1130. Klosterkirche St. Georg, Prüfening, Regensburg.

Unbekannt, Wandgemälde in der Heiligkreuzkapelle (Detail), um 1360.

Wandgemälde mit Blattgold. Burg Karlstein, Karlstein.

 

 

Die Wandmalerei

 

Nicht weniger bedeutend als die Buchmalerei war während der Herrschaft des romanischen Stils die Wandmalerei. Es ist bekannt, dass das Innere der Kirchen, und zwar nicht nur Wände und Deckengewölbe, sondern auch Pfeiler und Säulen über und über mit figürlichen und ornamentalen Malereien bedeckt waren. Die figürlichen Darstellungen erweiterten sich manchmal zu zusammenhängenden Bilderreihen, deren Inhalt von den Geistlichen der Kirchen nach bestimmten dogmatischen Rücksichten angegeben wurde. Leider sind diese Wandmalereien bis auf verhältnismäßig wenige zerstört, und das Wenige, das erhalten ist, ist durch Verwitterung oder spätere Übermalung so entstellt, dass danach von der hohen Bedeutung und dem reichen Inhalt der romanischen Wandmalerei kein richtiges Bild gewonnen werden kann.

Soviel lässt sich aber noch feststellen, dass genau wie die Architektur und die Plastik auch die Wandmalerei in ihren Anfängen unter den Karolingern aus der römisch-altchristlichen Kunst hervorgegangen ist und sich dann in ähnlicher Weise weiterentwickelt hat wie die Miniaturmalerei, die als die früher zur Reife gelangte Kunst die Wandmalerei vielfach beeinflusst hat.

Das älteste erhaltene Denkmal mittelalterlicher Wandmalerei in Deutschland sind die unter der Tünche entdeckten Gemälde im Mittelschiff der Georgskirche in Oberzell auf der im Bodensee gelegenen Insel Reichenau. Am Ende des 10. Jahrhunderts ausgeführt, stellen sie acht Wunder Christi dar und bezeugen in der edlen Haltung und Bewegung der Gestalten, in der Behandlung der Gewänder und in der Großartigkeit der Komposition noch den lebendigen Zusammenhang mit der karolingischen Kunst. Die zweitältesten Wandgemälde, die der Unterkirche in Schwarzrheindorf und die des Kapitelsaals der Abtei Brauweiler bei Köln, gehören bereits der Mitte des 12. Jahrhunderts an. Sie zeigen, dass die Künstler in der Zwischenzeit gelernt hatten, nach größerer Fülle und Ausdruckskraft zu streben, ohne darüber den Sinn für feierliche Wirkung zu verlieren. Diese wurde in der Folgezeit noch gesteigert, während sich die Form der äußeren Darstellung immer freier und lebendiger gestaltete und der Ausdruck in den Köpfen immer mehr vertieft wurde.

Was die romanische Wandmalerei in Deutschland auf der höchsten Stufe ihrer Entwicklung leisten konnte, wird am besten durch die aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammenden Wandgemälde im Dom zu Braunschweig veranschaulicht, von denen noch bedeutende Reste im Chor und im Querschiff, wenn auch stark übermalt und teilweise ergänzt, vorhanden sind.

 

Die Tafelmalerei

 

In Deutschland wurde die Tafelmalerei bereits unter der Herrschaft des romanischen Stils gepflegt. Ein natürlich nur vereinzeltes Zeugnis dafür ist ein aus der Wiesenkirche in Soest in die Berliner Museen übergegangenes dreiteiliges Bild, das ursprünglich als Altaraufsatz gedient hatte. Es ist auf einem auf Eichenholz befestigten Pergament gemalt und stellt in der Mitte die Kreuzigung, links Christus vor dem vom römischen Prokurator zum Hohepriester berufenen und in den Jahren von 18 bis 37 amtierenden Kaiphas (übersetzt so viel wie: Deuter oder Seher) und rechts die drei Marien am Grab Christi dar, fast noch ganz unter byzantinischem Einfluss. Danach ist diese Kunst entweder durch byzantinische Künstler in Deutschland eingeführt worden, oder heimische Künstler haben sie nach byzantinischen Tafelgemälden nachgebildet, die insbesondere durch den von den Kreuzfahrern eröffneten und unterhaltenen regen Verkehr mit Byzanz häufig nach Deutschland gelangten. Der im Lauf des 12. Jahrhunderts in der deutschen Kunst erwachte Geist machte sich aber bald von den fremden Vorbildern frei und suchte auf diesem Gebiet nach dem Ausdruck seines eigenen Wesens.

Unbekannt, St. Laurentius und die Gottesmutter, darunter der Stifter,

Domdechant Philipp von Daun und seine Eltern, 1508 eingesetzt.

Aus dem Passionsfenster im nördlichen Seitenschiff des Kölner Doms, Köln.

Peter Hemmel von Andlau, Die mystische Vermählung der heiligen Katharina, um 1481.

Bleiglasfenster. Auftragswerk der Familie Volckamer, Lorenzkirche, Nürnberg.

 

 

Gotik

 

Schneller als die Plastik, die zuletzt in der Holzschnitzkunst eine von der Architektur weniger beherrschte Zuflucht fand, ist die Malerei des gotischen Mittelalters frei geworden. Zu dieser Freiheit führte sie der Selbsterhaltungstrieb, denn das Grundgesetz der gotischen Architektur bereitete der Wandmalerei ein allmähliches Ende. Nachdem die aneinander herantretenden Pfeiler mehr und mehr beseitigt worden waren, hatte die Wandmalerei keinen Raum mehr zu ihrer Betätigung. In der ersten Zeit kämpfte sie um ihre Erhaltung. Aber von diesem letzten Ringen der Wandmalerei um ihr Dasein sind nur noch wenige Überreste erhalten. Das hervorragendste Denkmal aus der Spätzeit der mittelalterlichen Wandmalerei ist ein thronender Christus in der Apsis der Kirche von Braunweiler am Rhein. Ihre letzte Zuflucht fand die Wandmalerei schließlich in den Burgen und Rathäusern, bis auch dort die Zeit dieser Art der Malerei abgelaufen war.

 

Die Glasmalerei

 

Die Rolle der Wandmalerei übernahm im Laufe der Zeit mehr und mehr die Glasmalerei, die fester Bestandteil des Gesamtkunstwerkes „gotische Kathedrale“ wurde. Sowohl in den Fenstern der Seitenschiffe, des Chores als auch in den Rosetten der Fassaden fanden sich zahlreiche farbenprächtige Bildprogramme. Die Glasmalerei unterwarf sich weniger der Architektur, als vielmehr in Wechselbeziehung mit ihr zu treten und auf sie zu referieren. Die Architektur des nach oben strebenden Sakralgebäudes fand in der Einheit mit der Plastik und den lichtdurchfluteten hohen Spitzbogenfenstern ihre Monumentalität. Ihre Blütezeit erlebte die Glasmalerei im 14. und 15. Jahrhundert.

An die Stelle der monumentalen Einzelfiguren des romanischen Stils trat eine Fülle figurenreicher Darstellungen, die durch architektonische Einfassungen zu einem wohlgegliederten Organismus zusammengefügt wurden. Die eine Darstellung stand mit der anderen in einem inhaltlichen Zusammenhang, und wie der Inhalt auf das Nachdenken, so wirkte die Farbenpracht der durchsichtigen durch ein der Umrisszeichnung folgendes Geflecht von Bleistreifen zusammengehaltenen Glasplatten auf die Sinne.

Trotz des empfindlichen, zerbrechlichen Materials haben noch verhältnismäßig viele Glasfenster die Stürme der Jahrhunderte überstanden. In Frankreich sind die Kathedralen von Reims, Beauvais, Chartres und Straßburg, aber ganz besonders die Sainte Chapelle in Paris sowie in Deutschland der Dom in Köln (der erst im Jahr 2007 durch den Kölner Künstler Gerhard Richter (*1932) ein 113 m2 großes, aus 11 273 Farbtafeln bestehendes wunderschönes neues Glasfenster erhalten hat) und die Münster in Freiburg und Regensburg noch reich an relativ unbeschädigten Glasfenstern, an denen die Kunst der alten Glasmacher und -maler sichtbar wird und wo sich noch klassische Muster der Technik finden.

Aber die frische Empfänglichkeit, mit der die Menschen des Mittelalters gerade den erzählenden Teil dieser Bildkunst aufnahmen, ist in der heutigen, durch die Menge der aufgenommenen Informationen aller Art übersättigten Zeit verloren gegangen. Daher können die Versuche, die alte Glasmalerei auch in ihrem Inhalt wieder lebendig zu machen, überwiegend nur archäologisches Interesse erregen.

Unbekannt, Der Minnesänger Walter von der Vogelweide,

in: Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse),

um 1300-1340. Universitätsbibliothek Heidelberg, Heidelberg.

 

 

Die Tafelmalerei

 

Als die Malerei in den nördlichen Ländern, nachdem ihr die Wände weggenommen waren, nach einem neuen Betätigungsfeld suchte, fand sie sich mit der Bildnerei zusammen. Der Dekor der Altäre war ihr gemeinsames Ziel, und lange Zeit haben sie dabei einträchtig zusammengearbeitet. Die Plastik schuf das architektonische Gerüst für die Malerei, ganze Gebäude, die auf den Altären aufgerichtet und mit geschnitztem Bildwerk ausgestattet wurden. An diesem bemalten und vergoldeten Gerüst hatte die Malerei zuerst größeren Anteil als an der Bemalung von Holzflächen, die in die vom Rahmenwerk der Architektur freigelassenen Plätze eingefügt wurden.

Lange Zeit bildete das Schnitzwerk sogar den vornehmsten Teil des Altarschreins oder Altaraufsatzes, dessen Ausführung so kostbar war, dass er den Andächtigen nur an hohen kirchlichen Festen gezeigt, ihnen an den anderen Tagen aber mittels der zugeklappten Flügel vorenthalten wurde. Nur diese Flügel waren außen und innen mit figürlichen Malereien versehen – ein Zeichen dafür, dass man der Malerei während der Vorherrschaft der Gotik eine deutlich geringere Bedeutung beimaß als der Plastik, die in vielen Gegenden Deutschlands, im Norden wie im Süden, sogar bis in das 16. Jahrhundert hinein ihre führende Rolle in der kirchlichen Kunst behaupten konnte.

Erst etwa ab der Mitte des 15. Jahrhunderts gelang es der Malerei, auch die Mitteltafel der Flügelaltäre für sich zu gewinnen und damit ein Feld zu erobern, auf dem sie sich in voller Freiheit entwickeln, von Skulptur und Architektur unabhängig machen und zur eigentlichen Tafelmalerei entwickeln konnte. Die ersten Schritte auf diesem Weg waren am Niederrhein schon seit dem Ende des 14. Jahrhunderts von den Malern in Köln und in den Niederlanden gegangen worden.

Das wichtigste Ereignis auf dem Gebiet der Malerei in diesem Zeitraum war also das Aufkommen der Tafelmalerei und ihre schnelle Entwicklung zu einer selbstständigen Kunstgattung, die aus dem Schatten der Architektur heraustrat und sich ihre eigenen Gesetze schuf. An den Altarschreinen, an denen sie zuerst auftrat, spielte sie nur eine Nebenrolle. Wie die in Holz geschnitzten Hauptdarstellungen dieser Altarwerke mit ihren zahlreichen Figuren mehr Gemälden als plastischen Kunstwerken glichen, so wollte die als Ergänzung dienende Malerei wieder mit der Bildnerei wetteifern, indem sie die Figuren möglichst plastisch darzustellen suchte, ohne jedoch die der Farbe innewohnende Kraft auszunutzen.

Unbekannt, Meister Heinrich Frauenlob, in:
Große Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse),

um 1300-1340. Universitätsbibliothek Heidelberg, Heidelberg.

 

 

Meister Wilhelm und die Kölner Malerschule

 

Die Anfänge dieser neuen Malerei in Köln gehen auf einen Meister Wilhelm (bis 1378) zurück, der vom Magistrat in Köln mit Malarbeiten jeglicher Art und jeglicher Größe, mit Wandgemälden, mit Bildern für Fahnen und Wimpel und mit Buchminiaturen beschäftigt wurde. Seine Leistungen müssen für die damalige Zeit außerordentlich gewesen sein, da selbst ein zeitgenössischer Geschichtsschreiber, der Chronist der Stadt Limburg/Lahn, des Künstlers und seiner Arbeiten gedachte, und dies sogar in einer bei Chronisten sonst nicht üblichen Begeisterung. Seinesgleichen sei damals in der ganzen Christenheit nicht gewesen, „[…] also künstlich malte er jedermann ab, als wenn er lebte.“ Aber nicht in der Nachbildung der Wirklichkeit hat die Kölner Malerschule ihren Ruhm gesucht und gefunden, sondern in einem poetischen Idealismus, der die Natur der gemeinen Wirklichkeit zu entrücken strebte.

Von den Werken des Meisters Wilhelm, der möglicherweise Wilhelm von Herle hieß, 1368 in die kölnische Weinbruderschaft aufgenommen wurde und 1370 „[…] neun Mark für Malereien“ erhielt, sind nur spärliche Reste von Wandmalereien aus dem oberen Rathaussaal, wo die neun guten Helden als nachahmungswürdige Vorbilder dargestellt sind, übrig geblieben. Einige dieser Köpfe befinden sich heute in einem Kölner Museum. Sein Name gilt aber auch als Sammelbegriff für eine ganze Reihe von Bildern der Kölner Malerschule, die die von ihm gegründete Schule noch zu seinen Lebzeiten oder bald nach seinem Tod hervorgebracht hat. Wenn er nicht selbst daran beteiligt gewesen sein sollte, so lebt in diesen Bildern doch sein Geist fort. Es sind, von der Ausnahme eines großen, aus dem Kloster der Franziskanerinnen (den Clarissen) in Köln stammenden Altarwerks mit Darstellungen aus dem Leben Jesu (jetzt im Kölner Dom) abgesehen, durchweg kleine Andachtsbilder, die für das Dekor der Altäre in den Hauskapellen der kölnischen Patrizier gemalt wurden. Umfangreiches Schnitzwerk architektonischen Charakters wäre in diesen engen Räumen, wo die stille Andacht ihre Einkehr halten sollte, fehl am Platz gewesen.

Damit trat die Malerei in den Vordergrund, und sie wusste so beredt zu den Andächtigen zu sprechen, dass ihre natürliche Sprache allein schon durch ihr Lieblingssujet, die Madonna, die den mittelalterlichen Menschen verehrungswürdiger geworden war als Christus selbst, schnell verstanden wurde. Überall hatte sich der halb romantische, halb derb-sinnliche Frauenkult so eng mit der Marienverehrung verschmolzen, dass Göttliches und Weltliches nicht mehr zu trennen waren. Die kölnischen Maler sahen das Ziel ihrer Arbeit in der unermüdlichen Schilderung des Marienideals, das gleichzeitig das Frauenideal darstellte. Sie erfuhren dann auch die Befriedigung, dass ihre Bilder voll lieblicher Anmut von den Meistern späterer Zeiten zwar oft nachgeahmt, aber nur selten übertroffen werden sollten.

In ihren Bildern fand gleichzeitig die mit dem Minnesang, dem höfischen Heldenepos und der geistlichen Lehrdichtung begonnene geistige Bewegung ihren Abschluss. Nicht in den Miniaturen der älteren Handschriften, sondern in den Bildern der Kölner Schule erhielt die Frühzeit des Minnesangs eine ebenbürtige Verkörperung durch die Kunst. Jede Blume, jeden Grashalm bildeten die kölnischen Maler naturgetreu nach, und diese mühsam zusammengesuchten Herrlichkeiten flochten sie wie die Fäden eines Teppichs ineinander, um sie der gebenedeiten Gnadenmutter bildlich zu Füßen zu legen.

Diesem poetischen Drang ist es zu verdanken, dass sich das Malerische früher als das Zeichnerische und die Empfindung lebhafter als der Ausdruck des Charakters entwickelten. Die Madonna selbst verflüchtigte sich zu einem überaus anmutigen, aber unpersönlichen Gebilde, das im Allgemeinen nur den landläufigen Schönheitstyp verkörperte, wobei aber an dem nackten Kind die mangelhafte Kenntnis des Körpers immer auffälliger hervortrat. Für diese Mängel entschädigte jedoch reichlich der malerische Reiz, und zum ersten Mal zeigte sich ein Gegensatz zwischen Licht und Schatten, zum ersten Mal wurde die Farbe, je nachdem, wie sie dem Licht ausgesetzt war, heller oder dunkler, und zum ersten Mal erwuchs aus all dem die Errungenschaft der Modellierung durch die Farbe, die bisher allein der Bildhauerkunst vorbehalten war.

Innerhalb der altkölnischen Malerei, deren zahlreiche Denkmäler sich in den Kirchen und Museen Kölns erhalten haben, unterscheidet man eine ältere und eine jüngere Schule. Die ältere ist von Meister Wilhelm ausgegangen: Ein kleiner Flügelaltar, der in der Mitte die Madonna mit einer Bohnenblüte in der Hand, auf dem linken Flügel die Heilige Katharina und auf dem rechten die Heilige Barbara darstellt. Eine ähnliche Madonna mit der Bohnenblüte gibt es im Germanischen Museum in Nürnberg, eine von weiblichen Heiligen umgebene Madonna mit dem Kind auf blumiger Wiese in einem Berliner Museum sowie eine Heilige Veronika mit dem Schweißtuch Christi (um 1420) in der Alten Pinakothek in München. Diese Darstellungen sind für den künstlerischen Charakter der älteren Schule ebenso bezeichnend wie für ihren Umkreis.

Konrad Witz, Der wunderbare Fischzug, 1444.

Holz, 132 x 151 cm. Musée dart et dhistoire, Genf.