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Kleine Bibliothek der Weltweisheit

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Epiktet

 

Das Buch
vom
geglückten Leben

 

Aus dem Griechischen von
Carl Conz

 

Bearbeitet und
mit einem Nachwort von
Bernhard Zimmermann

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Epiktet und ‚Das Buch vom geglückten Leben‘

EPIKTET – geboren um 50 im phrygischen Hierapolis, gestorben ca. 125 in Nikopolis in Epirus – ist ein wichtiger Vertreter der stoischen Philosophie. In seinem Handbüchlein vermittelt er eine praktische und bis heute uneingeschränkt aktuelle Lehre vom geglückten Leben. Wie allen Stoikern, so gilt auch Epiktet Tugend als höchstes Gut. Seinen Geist soll der Mensch dazu gebrauchen, um Erkenntnis zu erlangen. Diese besteht nicht zuletzt darin, die Fragwürdigkeit des den Menschen umgebenden Wertesystems zu durchschauen und sich von den damit verbundenen falschen Vorstellungen zu befreien. Hat der Mensch erst einmal erkannt, was ihn innerlich versklavt, wie er diesen Zustand überwindet und welche Übungen der Seele ihm die wahre Freiheit bringen, so kann ihn nichts und niemand mehr hindern, sein Glück auf Erden zu finden.

Textgrundlage und Übersetzung

TEXTGRUNDLAGE dieser Ausgabe bildet die bewährte Übersetzung von CARL CONZ. Sie wurde als Band-Nr. 30 in die Langenscheidt’sche Bibliothek sämtlicher griechischen und römischen Klassiker aufgenommen, wo sie unter dem Titel Epiktet. Handbüchlein der Moral und Unterredungen erschien. Die Überschriften, die Carl Conz den einzelnen Lebensregeln des Epiktet voranstellte, sind beibehalten worden, um dem Leser die thematische Orientierung im vorliegenden Band zu erleichtern. BERNHARD ZIMMERMANN hat den Text von Carl Conz für das vorliegende Buch ausgewählt, behutsam dem heutigen Sprachgebrauch angepaßt und mit einem Nachwort sowie einem kurzen bibliographischen Anhang versehen; er lehrt als Professor für Klassische Philologie (Gräzistik) an der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Breisgau.

Inhalt

Das Buch
vom
geglückten Leben

Nachwort:
Leben und Werk

Bibliographischer
Anhang

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Epiktets Handbuch
der
stoischen Philosophie

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Unser Eigentum.

I, 1. Einige Dinge sind in unserer Gewalt, andere nicht. In unserer Gewalt sind: Meinung, Trieb, Begierde, Widerwille, kurz alles, was unser eigenes Werk ist. – Nicht in unserer Gewalt sind: Leib, Vermögen, Ansehen, Ämter, kurz alles, was nicht unser eigenes Werk ist.

Vorzüge des Eigentums.

I, 2. Und die Dinge, die in unserer Gewalt stehen, sind von Natur frei; sie können nicht verhindert und nicht in Fesseln geschlagen werden. Die Dinge aber, die nicht in unserer Gewalt stehen, sind schwach und völlig abhängig; sie können verhindert und entfremdet werden.

Verwirrung aus Verwechslung.

I, 3.Wofern du nun Dinge, die von Natur völlig abhängig sind, für frei und Fremdes für Eigentum ansiehst, so vergiß nicht, daß du auf Hindernisse stoßen, in Trauer und Unruhe geraten und Götter und Menschen anklagen wirst. Wenn du aber nur das, was wirklich dein ist, als dein Eigentum betrachtest, das Fremde aber so, wie es ist, als Fremdes, so wird dir niemand je Zwang antun, niemand wird dich hindern; du wirst keinen schelten, keinen anklagen, wirst nicht eine Sache wider Willen tun, niemand wird dich kränken, du wirst keinen Feind haben, kurz du wirst keinerlei Schaden leiden.

Keine Halbheit!

I, 4. Wenn du nun so Großes begehrst, so bedenke, daß du nicht mit halbem Eifer danach greifen, sondern einiges völlig verleugnen, anderes für jetzt aufschieben mußt. Wofern du aber sowohl jenes begehrst, als auch herrschen und reich sein willst, so wirst du vielleicht nicht einmal dieses letztere erlangen, gerade weil du zugleich nach dem ersteren strebst. Gänzlich verfehlen aber wirst du das, woraus allein Freiheit und Glückseligkeit entspringt.

Äußere Dinge – was gehen sie dich an?

I, 5. Bemühe dich, jeder unangenehmen Vorstellung sofort zu begegnen mit den Worten: Du bist nur eine Vorstellung und durchaus nicht das, als was du erscheinst. Alsdann untersuche sie und prüfe sie nach den Regeln, die du hast, und zwar zuerst und vor allem nach der, ob es etwas betrifft, das in unserer Gewalt ist, oder etwas, das nicht in unserer Gewalt ist; und wenn es etwas betrifft, das nicht in unserer Gewalt ist, so sprich nur jedesmal sogleich: «Geht mich nichts an!»

Du hast dein Glück in der Hand.

II, 1. Bedenke, daß die Begierde verheißt, wir werden erlangen, was wir begehren; der Widerwille aber verheißt, es werde uns nicht widerfahren, was er zu meiden sucht. Wer nun nicht erlangt, was er begehrt, ist unglücklich, und wem widerfährt, was er gern vermeiden möchte, ist es doppelt. Wenn du aber bloß das zu meiden suchst, was der Natur der Dinge, die in deiner Gewalt sind, zuwider ist, so wird dir nichts von dem widerfahren, was du meiden willst. Willst du aber Krankheit meiden oder Armut oder Tod, so wirst du unglücklich sein.

Das Sicherste für den Anfang.

II, 2. Hinweg also mit deinem Widerwillen von allem dem, was nicht in unserer Gewalt ist, und übertrage ihn auf das, was der Natur der Dinge, die in unserer Gewalt sind, zuwider ist. Die Begierde aber entferne vorerst ganz. Denn wenn du etwas von dem begehrst, was nicht in unserer Gewalt ist, so mußt du notwendigerweise unglücklich sein. Von den Dingen aber, die in unserer Gewalt sind und die zu begehren rühmlich wäre, ist dir noch gar nichts bekannt. Nur Trieb und Abneigung laß walten, aber sachte, mit Auswahl und mit Zurückhaltung!

Gemütsruhe.

III. Bei allem, was die Seele ergötzt oder Nutzen schafft oder dir lieb und wert ist, vergiß nicht, ausdrücklich zu erwägen, welcher Art es sei, und fange beim Geringsten an. Wenn dir ein Topf gefällt, denke: «Mir gefällt ein Topf.» Zerbricht er dann, so wird es dir nichts ausmachen. Wenn du dein Kind oder deine Frau küßt, so sage dir, daß du einen Menschen küßt. Stirbt er, so wird es dir nichts ausmachen.

Wie man die Fassung bewahrt.