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Wolfgang Ilg / Friedrich Schweitzer (Hg.)

JUGEND GEFRAGT!

Empirische Studien zur Realität evangelischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg

buch+musik

Impressum

© 1. Auflage 2016

ISBN Buch 978-3-86687-167-0

Gestaltung: buch+musik, Heike Volz

Bildnachweis

Die abgebildeten Personen und Situationen auf der Titelseite sowie im Buch stammen aus verschiedenen Kontexten der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg. Sie stehen jedoch in keinem direkten Zusammenhang mit den einzelnen Studien oder Interviews.

Die Studie „Jugend gefragt“ wird unterstützt durch das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren Baden-Württemberg mit Mitteln aus dem Zukunftsplan Jugend.

www.ejw-buch.de

Weitere Informationen zur Vertiefungsstudie und zum Buch:

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

(Wolfgang Ilg / Friedrich Schweitzer)

Teil A: Einleitung

Einführung und zusammenfassende Beobachtungen

(Friedrich Schweitzer / Wolfgang Ilg)

Teil B: Vertiefungsstudie zu „Jugend zählt“

Hintergrunddaten aus „Jugend zählt“

(Wolfgang Ilg / Gottfried Heinzmann / Mike Cares)

Jugendaktive Kirchengemeinden in Baden-Württemberg: Eine qualitative empirische Studie zur Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Die Vertiefungsstudie zu „Jugend zählt“

(Michael Pohlers / Hanne Lamparter / Nadine Quattlender / Wolfgang Ilg / Friedrich Schweitzer)

1. Einleitung

2. Methodik

3. Örtliche Gegebenheiten in städtischem und ländlichem Umfeld

4. Kennzeichnende Elemente der Kirchengemeinde

5. Die Rolle von Haupt- und Ehrenamtlichen

6. Kooperationen und andere Formen der Zusammenarbeit

7. Ressourcen (Räumlichkeiten, Ausstattung, Materialien, finanzielle Mittel)

8. Werbung und Öffentlichkeitsarbeit

9. Ziele und Ausrichtung der Arbeit

10. Konzepte und Strukturen

11. Herausforderungen und gesellschaftliche Veränderungen

12. Die verschiedenen Arbeitsbereiche im Fokus

13. Kinder- und Jugendarbeit

14. Musikalische Arbeit

15. Kindergottesdienst

16. Konfirmandenarbeit

17. Zusammenfassende Fragen und Thesen

18. Reflexionsbogen und Anregungen zur Beschäftigung mit den Ergebnissen

Anhang: Codesystem und Literatur

Teil C: Weitere empirische Studien

Kirche, Jugendarbeit und Schule machen sich auf: Wissenschaftliche Begleitung des Projekts „Kirche – Jugendarbeit – Schule“

(Lena Wolking)

1. Zum Projekt „Kirche – Jugendarbeit – Schule“

2. Wissenschaftliche Begleitung des Projekts „Kirche – Jugendarbeit – Schule“: Fragestellungen, Vorgehensweise und Aussagekraft der Ergebnisse

3. Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung

4. Weiterführende Impulse

Literatur

Nachgefragt – Jugendarbeit und Schule in Baden

(Maike Schweizer / Kerstin Sommer / Katja Stange)

1. Hintergrund: Das Projekt „In Bewegung“

2. Die Befragung der Träger

3. Zusammenfassung

Dokumentation des Fragebogens und Literatur

„Die Jugendlichen bringen gar nichts mehr mit“? Vorerfahrungen württembergischer Konfirmanden mit kirchlichen Angeboten für Kinder

(Wolfgang Ilg)

1. Hintergrund: Die zweite bundesweite Studie zur Konfirmandenarbeit

2. Datengrundlage und Methodik

3. Kontakte zur Kirche im Rückblick – Deskriptive Ergebnisse

4. Zusammenfassung: Die Konfirmanden bringen einiges mit!

Dokumentation des Fragebogens und Literatur

Teil D: Kommentare

Kommentar aus Sicht der Kinder- und Jugendarbeit

(Mike Cares / Gottfried Heinzmann)

Kommentar aus Sicht der Kirchenmusik

(Matthias Hanke / Kord Michaelis)

Kommentar aus Sicht des Kindergottesdienstes

(Frank Widmann / Christine Wolf)

Kommentar aus Sicht der Konfirmandenarbeit

(Thomas Ebinger / Stefan Kammerer)

Kommentar aus einer bundesweiten Perspektive

(Mike Corsa)

Kommentar aus Sicht der Kirchenleitung

(Werner Baur, Ulrich Heckel, Matthias Kreplin, Christoph Schneider-Harpprecht, Bernd Wildermuth)

Teil E: Anhang

Die Herausgeber und Autoren

VORWORT

Ist die Jugend gefragt in Kirche und Gesellschaft? Finden Kinder und Jugendliche einen Platz, an dem sie sich willkommen fühlen, Räume, die sie mitgestalten können? Für den Bereich der Evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg zeigten die 2014 unter dem Titel „Jugend zählt“ veröffentlichten statistischen Daten, wie vielgestaltig und zahlreich die Angebote in Kinder- und Jugendarbeit, musikalischer Arbeit, Kindergottesdienst und Konfirmandenarbeit verbreitet sind. Die Ergebnisse deuteten zugleich aber auch auf erhebliche Veränderungen hin, die oftmals von schulischen und gesellschaftlichen Prozessen ausgelöst werden und sich in der außerschulischen Bildungsarbeit niederschlagen.

Wird zu all diesen Veränderungen auch die Jugend gefragt? Viele gesellschaftliche Entwicklungen betreffen zwar Kinder und Jugendliche, können von diesen aber kaum mitgestaltet werden. In Baden-Württemberg bestimmen Diskussionen über Veränderungen im Schulsystem und zur Ganztagsschule die Debatten über die Lebensphase Jugend, meist unter Ausschluss der Betroffenen. Leicht wird übersehen, dass wesentliche Lebenskompetenzen außerhalb der Schule erworben werden, nicht zuletzt in den Vergemeinschaftungsformen von Jugendverbänden und Kirchen. Gerade in solchen durch Freiwilligkeit und Partizipation bestimmten Räumen sind junge Menschen als Subjekte gefragt.

Wenn Veränderungsprozesse in Gesellschaft und Kirche – und Veränderungen sind im Sinne des lutherischen „ecclesia semper reformanda“ geradezu ein Kennzeichen von Protestanten – so gestaltet werden sollen, dass junge Menschen dabei ihren Platz finden, dann ist die Jugend gefragt, sich aktiv und gestaltend einzubringen. Jugendliche sollen zu Wort kommen und ernst genommen werden.

Der vorliegende Band entstand aus dem Impuls, nach der statistischen Veröffentlichung „Jugend zählt“ eine Vertiefungsstudie durchzuführen, die Aufschlüsse darüber gibt, wie gelingende Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gestaltet werden kann. Diese „Vertiefungsstudie zu Jugend zählt“ bildet den umfangreichsten Teil des Bandes. Drei weitere aktuelle Studien fügen sich an und beleuchten zum einen das innovative Feld der schulbezogenen Kinder- und Jugendarbeit (einmal in Baden, einmal in Württemberg) sowie evangelische Angebote für Kinder aus der Perspektive von Konfirmandinnen und Konfirmanden. „Jugend gefragt“ ist keine Jugendstudie im engeren Sinne, sondern eine empirische Annäherung an die Realität der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, in der insbesondere die Wahrnehmungen lokaler Verantwortungsträger empirisch aufgenommen wurden.

Beide Bände, „Jugend zählt“ und „Jugend gefragt“, verstehen sich als Beitrag zu einer engeren Verzahnung zwischen religionspädagogischempirischer Wissenschaft und den verschiedenen Praxisfeldern. Dieser Verzahnung dienen auch die Kommentare im Teil D, für deren Erstellung wir den Zuständigen aller Arbeitsfelder (sie ließen sich ausnahmslos für einen Beitrag gewinnen!) sehr danken. Der Band lehnt sich nicht nur in der äußerlichen Gestaltung eng an „Jugend zählt“ an, sondern auch bei den Begrifflichkeiten. Wie bei „Jugend zählt“ werden aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit geschlechtergerechte Sprachformen nicht durchgehend verwendet.

Allen Autorinnen und Autoren gilt unser herzlicher Dank für ihre lesenswerten Beiträge. Viele weitere Personen haben an der Erstellung der Studie mitgewirkt, ihre Namen sind zum Teil bei den jeweiligen Beiträgen genannt. Wolfgang Wilka übernahm wiederum die Geschäftsführung des Projekts. Das bewährte Team um Alexandra Schlierf (Diagramme), Heike Volz (Buchgestaltung) und Martina Mühleisen (Verlagsbegleitung) sorgte für einen raschen und angenehmen Entstehungsprozess des Buchs. All diesen Personen, insbesondere aber auch den vor Ort interviewten Expertinnen und Experten, danken wir für ihren Beitrag zur Erstellung dieses Buchs.

Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Gottfried Heinzmann, in dessen letzte Dienstwochen als Leiter des Evangelischen Jugendwerks in Württemberg die Veröffentlichung dieses Buchs fällt. In seiner Funktion als Projektleiter sowohl für „Jugend zählt“ als auch für „Jugend gefragt“ hat er wesentlichen Anteil daran, dass die Verbindung von Jugendarbeitspraxis und Wissenschaft in den letzten Jahren deutlich intensiviert werden konnte.

Eine Kirche, die sich – auch über das Instrument der wissenschaftlichen Begleitung – mit den Herausforderungen der Zeit auseinandersetzt, bleibt beweglich und dadurch mit ihrer Arbeit für Kinder und Jugendliche, so ist unsere Hoffnung, auch weiterhin bei der Jugend gefragt!

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Wolfgang Ilg

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Friedrich Schweitzer

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EINFÜHRUNG UND ZUSAMMENFASSENDE BEOBACHTUNGEN

Friedrich Schweitzer / Wolfgang Ilg

Von „Jugend zählt“ zu „Jugend gefragt“

Als vor zwei Jahren der Band „Jugend zählt! Ergebnisse, Herausforderungen und Perspektiven aus der Statistik 2013 zur Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in den Evangelischen Landeskirchen Baden und Württemberg“ vorgelegt wurde, war dies eine echte Innovation, und dies gleich in mehreren Hinsichten. Erstmals war es gelungen, eine Statistik zur evangelischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vorzulegen, bei der die beiden evangelischen Landeskirchen in Baden-Württemberg zusammen arbeiteten und zugleich nicht nur der Bereich der traditionell so bezeichneten Kinder- und Jugendarbeit in den Blick genommen wurde, sondern eben – darauf verweist in diesem Buch die Formulierung „evangelische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“ – auch die kirchenmusikalische Arbeit mit jungen Menschen, der Kindergottesdienst und die Konfirmandenarbeit. Auf diese Weise wurde eine Zusammenschau erreicht, die sich auf weite Bereiche des evangelischen Engagements im Bildungsbereich erstreckt. Auch wenn es natürlich noch weitere Bereiche gibt, an die zu denken wäre – etwa Tageseinrichtungen für Kinder in evangelischer Trägerschaft (Kindergärten usw.), evangelischer Religionsunterricht sowie Schulen in evangelischer Trägerschaft oder pädagogische Angebote im Bereich der Diakonie –, wurde schon die damit erreichte Blickerweiterung als ein enormer Fortschritt wahrgenommen. Mehr denn je erscheint es aus theoretischer wie praktischer Perspektive sinnvoll und notwendig, die Beschränkung auf den jeweils eigenen Arbeitsbereich immer wieder hinter sich zu lassen und nach weiterreichenden Orientierungen zu suchen. Positive Effekte, die sich aus neuen Kooperationen zwischen einzelnen Handlungsfeldern ergeben können, werden aus vielen Gründen, die im vorliegenden Band im Einzelnen angesprochen werden, immer wichtiger.

Als eindrücklich wahrgenommen wurden aber auch die Befunde selbst, die in „Jugend zählt“ präsentiert werden. Dabei ist sowohl an die über 300.000 jungen Menschen zu denken, die regelmäßig an einem Gruppenangebot teilnehmen, als auch an die über 70.000 Personen, die sich für dieses Feld – zumeist ehrenamtlich – engagieren. Schon allein solche Zahlen führen vor Augen, dass sich der Bereich der non-formalen Bildung nicht vor dem der Schule als dem formalem Bildungsbereich verstecken muss. Evangelische Angebote für Kinder und Jugendlichen gehören zu den wichtigsten außerschulischen Bildungsmöglichkeiten und leisten damit einen außerordentlich wichtigen Beitrag nicht nur für die Arbeit der Kirche, sondern für die Gesellschaft insgesamt.

Studien wie „Jugend zählt“ werfen naturgemäß auch Fragen auf. Gerade der so eindrückliche Erfolg der evangelischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen macht bewusst, dass dieser Erfolg nicht einfach gleichmäßig über das Bundesland oder die beiden Landeskirchen hinweg verteilt ist. Ganz offenbar gibt es Gemeinden, bei denen sehr viele Kinder und Jugendliche an zahlreichen Programmen teilnehmen können und auch tatsächlich teilnehmen, während sich das Bild in anderen Kirchengemeinden deutlich anders darstellt. Hier werden dann weniger junge Menschen erreicht, und es gibt auch ein entsprechend eingeschränktes Programm.

Der Eindruck in diesem Sinne diskrepanter Verhältnisse in der evangelischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen auch innerhalb der beiden beteiligten Landeskirchen in Baden und Württemberg drängte sich vielen auf, denen die Befunde aus „Jugend zählt“ vorgestellt wurden – nicht zuletzt auch in den Synoden, die ein erfreulich ausgeprägtes Interesse an den Befunden zeigten. Woran könnte es denn liegen, so wurde gefragt, dass die evangelische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in manchen Gemeinden so überaus gut gelingt, während die Resonanz an anderen Orten gering bleibt? Können Gemeinden auch voneinander lernen? Gibt es Erfolgsfaktoren, die sich identifizieren und beschreiben lassen, so dass sie auch an anderen Orten zum Tragen kommen können?

Die Frage nach dem Erfolg oder dem Gelingen evangelischer Bildungsarbeit, wie wir in abgekürzter Weise formulieren, bildete dann auch den Ausgangspunkt für diesen Band. Vor allem mit einer Vertiefungsstudie, die direkt an die Statistik zur evangelischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen anschließt, sollte geprüft werden, welche Faktoren für das Gelingen dieser Arbeit entscheidend sind und was daraus zu lernen wäre. Diese Vertiefungsstudie steht im Zentrum des vorliegenden Bandes. Mithilfe von Methoden der qualitativen Sozialforschung sollte ergründet werden, wie sich Erfolg oder Gelingen evangelischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen erklären lassen oder wie jedenfalls Einblicke in die entsprechenden Fragestellungen gewonnen werden können. Darüber hinaus bot es sich an, auch weitere aktuelle Untersuchungen, die in anderen Zusammenhängen entstanden waren, hier mit aufzunehmen. Auch dafür war der Zeitpunkt günstig, weil verschiedene Studien ungefähr zeitgleich abgeschlossen wurden und der Öffentlichkeit noch nicht oder nur in geringem Umfang zugänglich waren. Auch diese Studien beziehen sich in ihrer Weise auf die Voraussetzungen des Gelingens evangelischer Bildungsarbeit und knüpfen zumeist direkt an die Ergebnisse von „Jugend zählt“ an.

Mit seinem Ausgangspunkt in der Statistik zur evangelischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg ist der vorliegende Band zunächst als eine Regionalstudie oder als Zusammenführung verschiedener Regionalstudien zu begreifen. Darin liegt eine Beschränkung, die nach heutigem Verständnis jedoch zugleich auch entscheidende Vorteile bietet. Darüber hinaus steht der vorliegende Band in einem weiteren religionspädagogischen Kontext, der im Folgenden ebenfalls eigens ausgeleuchtet werden soll.

„Jugend gefragt“ als Regionalstudie

Die Erfahrung zeigt, dass Regionalstudien immer wieder auf ein besonderes Interesse stoßen, vor allem in der Region, in der Landeskirche oder in dem Bundesland, auf das sie sich beziehen. Dieser Effekt ist wohl leicht zu erklären. Anders als etwa bei bundesweiten Studien, die sich notwendig auf Durchschnittsangaben für sehr große Bezugsgrößen wie Deutschland beziehen und die deshalb auch nur sehr allgemeine Aussagen zulassen, die deshalb zwangsläufig auf die von einem selbst erfahrene Situation vor Ort nur in sehr grober Weise zutreffen können, zeichnen sich Regionalstudien von vornherein durch eine weit größere Nähe zum eigenen Handlungsbereich aus. Das macht sie attraktiv und manchmal auch so herausfordernd, eben weil dabei Verhältnisse zur Sprache kommen, die mit dem eigenen Erleben zumindest deutlich verwandt sind.

Regionalstudien werden heute in vielen Bereichen gerne genutzt, beispielsweise in der Politikwissenschaft, in der Geschichtsforschung oder auch für Bildungsberichte. In jedem Falle wird auf die größere Tiefenschärfe solcher Studien verwiesen. Der Bezug auf nur eine bestimmte Region erlaubt es, sich weit mehr auf Einzelaspekte einzulassen, als dies bei Untersuchungen für ein ganzes Land möglich ist. Deshalb gelten Regionalstudien in ihrer Begrenzung doch als besonders aufschlussreich.

Gerade im Bildungsbereich, auch im kirchlichen Bildungsbereich also, sind alle Verantwortlichkeiten und Entscheidungsbefugnisse regional angelegt. Die Leitung von Landeskirchen bezieht sich eben auf den Bereich dieser Kirchen, nicht auf Kirche allgemein. Insofern kommt es bei Regionalstudien wie „Jugend gefragt“ zu einer glücklichen Passung zwischen dem Untersuchungsgegenstand und möglichen (kirchen-)politischen Entscheidungsbereichen. Sollen beispielsweise bestimmte Konsequenzen aus einer Untersuchung gezogen werden, so wird dies eher bei einer Regionalstudie erreichbar sein als bei einer bundesweiten Studie.

Die Entscheidung, sowohl in „Jugend zählt“ als auch in „Jugend gefragt“ das Gebiet des Bundeslands Baden-Württemberg als Ausgangspunkt zu wählen, bietet einerseits einen klaren regionalen Bezugsrahmen, sodass spezifische Erkenntnisse möglich sind. Andererseits erfolgt der Bezug nicht zu kleinteilig – bewusst auch nicht auf nur eine Landeskirche begrenzt –, damit die Ergebnisse nicht nur für den kirchlichen Bereich mit seinen aus einem nicht-kirchlichen Blick eigen(tümlich)en Regionalgrenzen aussagekräftig sind. Vielmehr bietet der Bezug auf das gesamte Bundesland Baden-Württemberg Anknüpfungsunkte auch über den kirchlichen Bereich hinaus, beispielsweise für die Jugendhilfeplanung auf Landkreis- oder Landesebene sowie für den fachlichen Diskurs sowohl im Feld der Theologie und der Religionspädagogik als auch in der Sozialpädagogik bzw. Sozialen Arbeit.

Alle diese Argumente zielen natürlich nicht darauf, größer angelegten Studien das Recht absprechen zu wollen. Wie etwa die im Folgenden noch aufzunehmenden bundesweiten und international ausgerichteten Studien zur Konfirmandenarbeit zeigen, sind auch solche Studien für die kirchliche Bildungsarbeit überaus informativ und anregend. Umgekehrt sollte aber ebenfalls deutlich sein, dass Regionalstudien ebenfalls ein eigenes Recht besitzen. Sie können als gleichsam komplementäre Ergänzung breiter angelegter Studien eine Lücke füllen.

Dass die Statistik-Veröffentlichung „Jugend zählt“ sowohl auf der regionalen Ebene als auch bundesweit einige Aufmerksamkeit erfuhr, wurde in verschiedener Weise deutlich. Bei zahlreichen Veranstaltungen wurden die Ergebnisse vorgestellt und diskutiert, einerseits auf lokaler Ebene und bei Bezirkssynoden, andererseits in Gremien und Präsentationen vor kirchlichen und nicht-kirchlichen Interessenten in Baden-Württemberg und auf der Bundesebene. Auf fachlicher Ebene wurde das Buch „Jugend zählt“ sogar als „einzigartige und beispielhafte Quelle“ statistischer Daten hervorgehoben (Miehle-Fregin 2015, vgl. Stollenwerk 2015). Eine kritische Aufnahme findet sich in einem Artikel von Werner Lindner in der Fachzeitschrift „deutsche jugend“, der die im Geleitwort von „Jugend zählt“ geäußerte Annahme, dass Empirie „gewissermaßen eine Basis für rationales Handeln in normativen Kontexten“ bildet (Rauschenbach 2014, 13), als „vage Hoffnungsformel“ beurteilt. „Die neue Anforderung liegt nun darin, von folgenloser auf folgenreiche Datenproduktion ‚umzuschalten‘“, so Lindners Fazit (Lindner 2016, 74). Inwiefern statistische Daten „folgenlos“ oder „folgenreich“ bleiben, wird sich erfahrungsgemäß erst nach einigen Jahren herausstellen – die hier vorgelegte Vertiefungsstudie kann in diesem Kontext bereits als eine durchaus relevante Folge von „Jugend zählt“ verstanden werden. Wie selten Forschungsprojekte zur Jugendarbeit und ihrem Gelingen publiziert werden, zeigt beispielhaft der Literaturbericht in derselben Ausgabe der „deutschen jugend“ (Brenner 2016): Unter dem Stichwort „Empirische Forschung zu Jugend und Jugendarbeit“ werden dort verschiedene Publikationen vorgestellt, die sich zumeist mit der gesellschaftlichen Situation Jugendlicher, kaum aber mit konkreter Jugendarbeit beschäftigen.

„Jugend gefragt“ und die Desiderate religionspädagogischer Forschung im non-formalen Bereich

Eine neuere Überblicksdarstellung zum Stand religionspädagogischer Bildungsforschung (Schreiner / Schweitzer 2014) zeigt, dass die Fragen der empirischen Bildungsforschung auch in der Religionspädagogik angekommen sind und aktiv verfolgt werden. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, in deren Horizont auch die positive Wahrnehmung der Befunde aus „Jugend zählt“ zu sehen ist. Zugleich machte die Überblicksdarstellung aber auch sichtbar, dass sich ein Großteil der religionspäda-gogischen Forschung nach wie vor auf Schule und Religionsunterricht bezieht. Der non-formale Bildungsbereich, der von der evangelischen Kirche getragen wird oder von dieser ausgeht, steht dahinter noch immer deutlich zurück.

Lediglich für die Konfirmandenarbeit ist es bislang gelungen, auch non-formale Bildungsangebote und Bildungsprozesse im evangelischen Raum in einer quantitativ gewichtigen Weise zu erforschen. Seit 2006 konnten hier kontinuierlich Forschungsergebnisse erzielt und publiziert werden – zunächst zur Evangelischen Landeskirche in Württemberg, dann in Gestalt bundesweiter sowie internationaler Studien (zuletzt: Schweitzer 2015a sowie Schweitzer 2015b). Auch wenn die Autoren der vorliegenden Darstellung an diesen Untersuchungen selbst beteiligt waren, erscheint es legitim, hier auf den beachtlichen Ertrag dieser Studien für die religionspädagogische Theorie und Praxis hinzuweisen. Daran ist exemplarisch abzulesen, wie groß der Gewinn empirischer Forschung auch für andere Bereiche non-formalen evangelischen Bildungshandelns sein könnte. In diesem Sinne ist die als Überschrift zu diesem Abschnitt gewählte Formulierung „Desiderate“ gemeint. Sie soll zum Ausdruck bringen, dass der vorliegende Band zumindest in manchen Hinsichten Neuland betritt und insofern eine Reihe interessanter Ergebnisse verspricht, die auch über Baden-Württemberg hinaus hilfreiche Anstöße bieten. Dabei stellt sich die Situation in den verschiedenen Handlungsfeldern, die in „Jugend zählt“ und deshalb auch im vorliegenden Band berücksichtigt werden, unterschiedlich dar (wobei auf die Forschung zur Konfirmandenarbeit nicht erneut verwiesen werden soll; zum Folgenden vgl. auch die entsprechenden Beiträge in Schreiner / Schweitzer 2014):

− Vor allem der Bereich der musikalischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Kirche ist bislang so wenig im Fokus der wissenschaftlichen Religionspädagogik, dass noch kaum empirische Erkenntnisse dazu vorliegen. In seiner faktischen religionspädagogischen Bedeutung wird er erst allmählich erkannt. In „Jugend zählt“ und im vorliegenden Band wird dieser Arbeitsbereich mit berücksichtigt und in seiner Relevanz deutlich sichtbar, insgesamt steht aber eine stärkere empirische Untersuchung dieses Felds erst in den Anfängen.

− Im Bereich des Kindergottesdienstes gibt es zwar vereinzelte kleinere Umfragen oder Dokumentationen, aber von einer empirischen Forschung kann trotz der viel weiter zurückreichenden Tradition dieses Handlungsfelds bislang nicht gesprochen werden. Angesichts der mitunter berichteten Krisenwahrnehmungen zu diesem Bereich sowie der Umbruchsituation, die sowohl in den Daten von „Jugend zählt“ als auch in den Interviews der Vertiefungsstudie greifbar wird, wäre eine intensivere wissenschaftliche Begleitung zu diesem Handlungsbereich besonders wünschenswert. Mit dem derzeit laufenden Projekt „Evangelische Bildungsberichterstattung – Kindergottesdienst (EBiB-Kindergottesdienst)“ bereitet das Comenius-Institut einen wichtigen Beitrag zur empirischen Grundlegung auf Bundesebene vor, dessen Ergebnisse allerdings derzeit noch nicht zugänglich sind (vgl. www.comenius.de).

− Etwas besser sieht die Situation im Bereich der evangelischen Kinder- und Jugendarbeit aus. Für Württemberg kann auf eine Vorgängerstudie zu „Jugend zählt“ hingewiesen werden (Frieß / Ilg 2008). Darüber hinaus liegt mit der Untersuchung zu Realität und Reichweite der Jugendverbandsarbeit (Fauser / Fischer / Münchmeier 2006) zumindest eine ältere groß angelegte Untersuchung zur evangelischen Jugendarbeit vor, zudem kann auf kleinere Untersuchungen aus verschiedenen Landeskirchen hingewiesen werden (für Baden-Württemberg beispielsweise Kopp u. a. 2013). Ansätze einer systematischen Untersuchung gelingender Jugendarbeit finden sich in der Literatur nur selten. Exemplarisch kann dafür ein Projekt aus der Arbeit des Deutschen Jugendverbands „Entschieden für Christus“ betrachtet werden (Hüttmann / Pfalzer 2015). Das wissenschaftliche Potenzial, das sich aus den Vor-Ort-Besuchen von 40 ausgewählten EC-Jugendarbeiten ergeben könnte, wird in der Dokumentation kaum sichtbar, weil eine Hochschulanbindung des Praxisentwicklungsprojekts fehlte. Hier zeigt sich prototypisch das Dilemma vieler Jugendarbeitsuntersuchungen: Zwar spüren Verantwortliche auf Verbandsebene die Umbrüche vor Ort und sehen einen Bedarf an empirischen Erkenntnissen. Aufgrund der Verfasstheit der Jugendarbeit und ihrer zumeist geringen finanziellen Ressourcen für solche übergreifenden Fragestellungen gelingt es aber nur selten, wissenschaftlich solide Untersuchungen durchzuführen.

− Wenn auch nicht als eigenes Handlungsfeld im herkömmlichen Sinne, so doch als ein neuer Bereich evangelischer Bildungsarbeit wird im vorliegenden Band die Zusammenarbeit zwischen Kirche, Jugendarbeit und Schule thematisiert. Diese Zusammenarbeit besitzt eine besondere Nähe zur Kinder- und Jugendarbeit und wird häufig als „schulbezogene Jugendarbeit“ bezeichnet, überschneidet sich aber auch mit anderen Handlungsfeldern, beispielsweise der Schulseelsorge oder der Schulsozialarbeit. Nachdem von katholischer Seite erste Untersuchungen zur Schulpastoral als Ausdruck der Zusammenarbeit zwischen Schule und Kirche vorliegen (Köhnemann 2015), bieten die Darstellungen im vorliegenden Band erstmals empirische Einblicke in dieses innovative Arbeitsfeld aus den beiden Landeskirchen in Baden und Württemberg.

So lässt sich der vorliegende Band zunächst als Reaktion auf ein weitreichendes Desiderat ansprechen – als Reaktion auf das Fehlen wichtiger Befunde, die für das eigene Handeln bedeutsam sein könnten. Aber auch noch in einer weiteren Hinsicht verdient der Band im religionspädagogischen Kontext spezielle Beachtung. Der Versuch, von der Situation in ausgewählten Gemeinden auszugehen und von dort her nach den Voraussetzungen erfolgreicher evangelischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu fragen, wurde bislang kaum einmal unternommen. Dies erklärt sich aus der für Deutschland besonders kennzeichnenden, schon seit Jahren und Jahrzehnten kritisch hinterfragten Trennung zwischen Untersuchungen zur Gemeindeentwicklung auf der einen und Studien zu Bildungsfragen auf der anderen Seite. Besonders der in der Vertiefungsstudie bestimmende Ansatz bei jugendaktiven Gemeinden überwindet von vornherein eine solche Trennung, indem er Gemeindeentwicklung unter dem Aspekt erfolgreicher Bildungsangebote betrachtet. Auf diese Weise kann zugleich sichtbar werden, was Bildungsangebote zum Gelingen der Gemeindeentwicklung beizutragen vermögen. Die vorliegenden Studien dienen insofern nicht nur dem Brückenbau zwischen Wissenschaft und Praxis, sondern auch zwischen Feldern der Praktischen Theologie, die bislang nur spärliche Berührungspunkte aufweisen.

Die Beiträge des vorliegenden Bandes

Herzstück des Bandes ist die in Teil B ausführlich dargestellte Vertiefungsstudie zu „Jugend zählt“, vorgestellt vom Tübinger Autorenteam Michael Pohlers, Hanne Lamparter, Nadine Quattlender, Wolfgang Ilg und Friedrich Schweitzer (siehe "Jugendaktive Kirchengemeinden in Baden-Württemberg: Eine qualitative empirische Studie zur Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Die Vertiefungsstudie zu ‚Jugend zählt'“). Da diese Studie auf die Daten der quantitativen Studie aufbaut, ist die Zusammenfassung aus „Jugend zählt“ nochmals abgedruckt (siehe "Hintergrunddaten aus ‚Jugend zählt'“). Unter dem Titel „Jugendaktive Kirchengemeinden in Baden-Württemberg“ bietet die Vertiefungsstudie dann eine qualitative empirische Untersuchung zur Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Den Anstoß für diese Studie gaben einzelne Synodale, die nach der Vorstellung der statistischen Daten von „Jugend zählt“ ihr Interesse an der Frage äußerten, warum Kirchengemeinden sich in so unterschiedlicher Weise „jugendaktiv“ zeigen. Ein eigens an der Universität Tübingen eingerichtetes Forschungsprojekt ging dieser Frage nach und setzte bei den lokalen Expertinnen und Experten an, also bei denen, die vor Ort die Verantwortung tragen. Insgesamt wurden 185 Haupt- und Ehrenamtliche in 30 Kirchengemeinden (je zur Hälfte in Baden und Württemberg) vor Ort interviewt, die aus ihrer Sicht über Gelingensbedingungen auf der lokalen Ebene berichteten. Insgesamt wurden ca. 1500 transkribierte Textseiten ausgewertet und systematisch aufbereitet. Die Vertiefungsstudie bietet dabei keine „leichte Kost“: Eine verkürzte Sicht im Sinne eingängiger und einleuchtender Rezepte würde zwar den Lesebedürfnissen mancher Praktiker entgegen kommen – aber sie würde der Realität nicht gerecht. Wer genau hinschaut, findet in jugendaktiven Gemeinden eine große Bandbreite struktureller und inhaltlicher Ausrichtungen. Ziel der Vertiefungsstudie ist es, das Spektrum gelingender Ansätze darzustellen sowie Leserinnen und Leser insbesondere zur Reflexion über die jeweils eigenen örtlichen Möglichkeiten anzuregen. Trotz der notwendigerweise komplexen Darstellungen endet jedes Kapitel der Vertiefungsstudie mit konkreten Impulsen, die über die Darstellung der Interviewaussagen hinaus auch interpretierende und perspektivenweitende Anregungen der Autorinnen und Autoren enthalten. Nach einem Durchgang durch zentrale Themengebiete (Örtliche Gegebenheiten, Kennzeichnende Elemente der Kirchengemeinden, Haupt- und Ehrenamtliche, Kooperationen, Ressourcen, Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, Ziele und Ausrichtung, Konzepte und Strukturen sowie Herausforderungen) folgen zusätzliche Hinweise, die über das Gesamtbild hinaus in spezifischer Weise für die Arbeitsfelder Kinder- und Jugendarbeit, Musikalische Arbeit, Kindergottesdienst und Konfirmandenarbeit bedeutsam sind. Trotz der Komplexität in der Einzeldarstellung soll die Vertiefungsstudie auch konkrete Gesprächsanlässe für die Praxis der Kirchengemeinden, Jugendverbände und Gremien bieten. In Kapitel 17 „Zusammenfassende Fragen und Thesen“ werden daher vier übergreifende Fragen und 20 prägnante Thesen formuliert, die wichtige Erkenntnisse bündeln. Als didaktischen „Werkzeugkoffer“ bietet Abschnitt 18.1 „Reflexionsbogen“ einen Reflexionsbogen, der die Thesen mit Lese-Hinweisen und Reflexionsfragen verbindet – und praktische Hinweise zur Arbeit mit der Vertiefungsstudie in Gremien formuliert.

Die schulbezogene Kinder- und Jugendarbeit, die sich in „Jugend zählt“ als ein wichtiges Wachstumsfeld erwies, sollte in der Vertiefungsstudie bewusst eher am Rande in den Blick genommen werden. Dieses Feld bedarf detaillierterer Untersuchungen und wird daher in zwei eigenständigen Darstellungen aufgenommen:

Unter dem Titel „Kirche, Jugendarbeit und Schule machen sich auf“ stellt Lena Wolking Befunde aus der am Tübinger Lehrstuhl für Religionspädagogik durchgeführten wissenschaftlichen Begleitung des Projekts „Kirche – Jugendarbeit – Schule“ der Evangelischen Landeskirche in Württemberg vor. Mit externer Perspektive begleitete sie sieben lokale Projekte, in denen neue Wege der Kooperation mit der Schule im Rahmen eines Projekts umgesetzt werden, das vom Evangelischen Jugendwerk in Württemberg sowie dem Pädagogisch-Theologischen Zentrum im Auftrag der württembergischen Landeskirche getragen wird und die Entwicklung dieses wachsenden Felds anstoßen und fördern soll. In Gesprächen mit lokalen Expert/innen werden Fragestellungen auf drei Ebenen bearbeitet: Innerschulisch geht es um die Frage der Bedeutung für die Schüler/innen, die Ausstrahlung des Projekts auf die Schule sowie die Strukturbildung innerhalb des Schulsystems. Außerschulisch werden die Bedeutung für die Jugendarbeit sowie für Gemeinde und Kirche untersucht. Auf der Metaebene wird nach der Modellhaftigkeit der untersuchten Projekte sowie nach einer Gesamtbewertung des Projektes „Kirche – Jugendarbeit – Schule“ gefragt. Wie auch bei der Vertiefungsstudie wurden nicht Jugendliche selbst, sondern die Durchführenden beziehungsweise Verantwortlichen befragt – womit zugleich ein Desiderat markiert wird, weil aus religionspädagogischer Sicht bei solchen Zugängen noch stärker die „Jugend gefragt“ werden müsste, was aus forschungsökonomischen Gründen sowohl bei der Vertiefungsstudie als auch hier nicht in angemessener Weise zu realisieren war. Die Interview-Aussagen sowohl von kirchlichen Akteuren als auch von Schulleitungen ergeben wichtige Wahrnehmungen für schulbezogene Jugendarbeitsaktivitäten. Festgestellt wird eine breit aufgestellte Vielfalt unterschiedlicher Arbeitsformen, die einerseits ein großes Potenzial erkennen lässt, andererseits manche ungeklärten Fragen aufwirft: Wie können die unterschiedlichen kirchlichen Systeme noch besser miteinander verzahnt und – insbesondere – nach außen verständlich gemacht werden? Wie werden rechtliche Klärungen zur Möglichkeit einer pluralitätsbewussten weltanschaulichen Positionierung praktisch vor Ort umgesetzt und wie gelangen die Akteure vor Ort hierbei zu einer verbesserten Sprachfähigkeit im Blick auf das christliche Profil ihrer Arbeit? Damit verbunden werden ekklesiologische und theologische Fragestellungen deutlich, die nach der schnellen Wachstumsphase schulbezogener Angebote nun einer gründlicheren Reflexion bedürfen. Langfristig angelegte Innovationsprozesse müssen sich dann auch in geänderten Profilen von Aus- und Fortbildung niederschlagen. Nicht zuletzt steht und fällt die Zukunft schulbezogener Kinder- und Jugendarbeit aufgrund der dafür benötigten Hauptamtlichkeit mit einer soliden Finanzierung.

Unter dem Titel „Nachgefragt – Jugendarbeit und Schule in Baden“ wird im nächsten Beitrag die schulbezogene Jugendarbeit der Evangelischen Landeskirche in Baden untersucht. Die drei verantwortlichen Referentinnen der Evangelischen Schülerarbeit in Baden Maike Schweizer, Kerstin Sommer und Katja Stange können dabei auf verschiedene kleinere Studien zurückgreifen, insbesondere die wissenschaftliche Begleitung des Projekts „In Bewegung“, deren Abschlussbericht 2014 unter dem Titel „Quergedacht“ veröffentlicht und vom Team der Autorinnen nun fortgeschrieben wurde. In diesen hauptsächlich quantitativ geführten Befragungen wurden neben Lehrkräften, Schulsozialarbeiter/innen und Jugendreferent/innen auch Schülerinnen und Schüler mit Fragebögen befragt. Die exemplarischen Rückmeldungen illustrieren einige Themenkreise, die auch in „Jugend zählt“ zur schulbezogenen Jugendarbeit vorgestellt wurden, beispielsweise die Vielgestaltigkeit von Angebotsformen und die Mischung aus haupt- und ehrenamtlichen Personen, die sich engagieren. Die Rückmeldungen der Befragten zeigen, dass die Vernetzung im Sozialraum nicht nur das Hauptmotiv für die meisten Kooperationen war, sondern dass der damit erhoffte Effekt, den Horizont der Jugendarbeit über die kirchlichen Binnenstrukturen hinaus zu weiten, tatsächlich oftmals eingetreten ist. Damit Kooperationen gelingen, bedarf es einer strukturellen Verankerung der Kooperationen, die wiederum zumeist nur über hauptamtliche Kräfte sicherzustellen ist. Der mit solchen Projekten verbundene Aufwand lohnt sich aber, so resümiert der Artikel, weil sowohl die Kinder- und Jugendarbeit als auch die Schule von einer Kooperation profitieren.

Die letzte empirische Studie im vorliegenden Band stammt aus einem anderen, ebenfalls in „Jugend zählt“ untersuchten Feld: Eine Befragung von Konfirmandinnen und Konfirmanden nimmt Wolfgang Ilg zum Anlass, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, inwiefern die Behauptung „Die Jugendlichen bringen gar nichts mehr mit“ empirisch zutrifft. Bei den hier ausgewerteten Daten handelt es sich um eine Spezialstudie, die im Auftrag der Evangelischen Landeskirche in Württemberg parallel zur zweiten bundesweiten Konfirmandenstudie an der Universität Tübingen durchgeführt wurde. Die hier befragten württembergischen Konfirmanden gaben in einem Fragebogen an, welche kirchlichen Angebote sie selbst in ihrer Kindheit erlebt und welche davon sie als besonders wichtig empfunden haben. Die Auswertung zeigt, dass ein überraschend hoher Anteil der 13- bzw. 14-Jährigen zumindest über sporadische Kontakte zur kirchlichen Arbeit mit Kindern berichten kann. Dabei zeigen sich durchaus Unterschiede in der Bedeutsamkeit verschiedener Angebotsformate. Als besonders wichtig werden solche Aktivitäten beschrieben, die entweder mit großer Regelmäßigkeit besucht wurden (Jungschar / Kinderkirche) oder die durch ihre kompakte Form ein besonders intensives Gemeinschaftserleben befördern – allen voran Freizeiten und Camps. Die Ergebnisse können darin bestärken, in der Konfirmandenarbeit solche Vorerfahrungen noch bewusster aufzunehmen und sie – wie dies insbesondere mit Konfirmandenfreizeiten mittlerweile fest etabliert ist – während der Konfi-Zeit fortzusetzen.

Teil D des Buchs bietet – auch hier wieder in Analogie zum Buch „Jugend zählt“ – bewusst diskursiv gehaltene Außenperspektiven auf die Ergebnisse aus der Sicht der landeskirchlich jeweils speziell zuständigen Personen in den einzelnen Arbeitsfeldern. Die gute Zusammenarbeit zwischen den Akteuren in Baden und Württemberg kommt darin zum Ausdruck, dass es in allen Fällen gelungen ist, die Bereichsverantwortlichen aus beiden Landeskirchen für einen gemeinsamen Artikel zu gewinnen. Für die Kinder- und Jugendarbeit kommentieren Mike Cares und Gottfried Heinzmann, für die Kirchenmusik Matthias Hanke und Kord Michaelis. Der Arbeitsbereich Kindergottesdienst wird von Frank Widmann und Christine Wolf kommentiert, die Konfirmandenarbeit von Thomas Ebinger und Stefan Kammerer.

Zusätzlich zu diesen Kommentaren, die den vier untersuchten Arbeitsfeldern entsprechen, bieten zwei weitere Perspektiven einen Gesamtblick von übergeordneter Ebene: Mike Corsa, Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend in Deutschland, ordnet die Bedeutung empirischer Forschung sowie die Ergebnisse in eine bundesweite Perspektive ein. Seitens der Kirchenleitungen beider Landeskirchen beschreiben Werner Baur, Ulrich Heckel, Matthias Kreplin, Christoph Schneider-Harpprecht und Bernd Wildermuth im abschließenden Kommentar ihre Wahrnehmungen der Ergebnisse – und welche Impulse daraus für kirchenleitendes Handeln abzuleiten sind.

Zentrale Erkenntnisse und Perspektiven

Die vornehmlich qualitativen Studien des vorliegenden Bandes entziehen sich einer einfachen Zusammenfassung. Sie laden vielmehr zur Reflexion ein, wie die jeweiligen Angebote für Kinder und Jugendliche vor Ort gestaltet werden können und welche Rahmenbedingungen dafür benötigt werden. Einige wichtige Linien ziehen sich allerdings durch die Studien hindurch und sollen im Folgenden als zentrale Erkenntnisse – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – benannt werden.

Zunächst ergibt sich aus den quantitativen Einsichten von „Jugend zählt“ und aus den qualitativen Hinweisen in „Jugend gefragt“ ein Bild, das von großer Vitalität in den Angeboten für Kinder und Jugendliche zeugt. Der nüchterne Blick auf die Realität führt – anders als dies von manchen erwartet wird – nicht zum Abgesang auf die schwindende Ausstrahlung der evangelischen Kirche, wie man ihn beispielsweise aus der jüngsten EKD-Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung kennt (Bedford-Strohm / Jung 2015). Vielmehr kommt in den Blick, dass trotz diverser Herausforderungen, die auch hier klar zutage treten, die evangelischen Kirchengemeinden und Jugendverbände nach wie vor eine enorme Zahl von Kindern und Jugendlichen erreichen. Die breite Palette unterschiedlicher Angebote führt dazu, dass die meisten jungen Kirchenmitglieder an einer oder mehreren Stellen mit der Kirche in Kontakt kommen und insbesondere regelmäßige Gruppen sowie Freizeiten als persönlich bedeutsam erleben. Spätestens mit 13 Jahren ergibt sich ein flächendeckender und intensiver Berührungspunkt fast aller Evangelischen mit der Kirche: die Konfirmandenzeit. Die Voraussetzungen für gelingende Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sind also grundsätzlich gegeben. Allerdings sind die Ausprägungen, wie diese Möglichkeiten genutzt werden, in den Gemeinden sehr unterschiedlich. Erfolgreiche Konzepte, so machen die Studien deutlich, brauchen eine stetige Veränderungsbereitschaft und müssen sich immer wieder neu gesellschaftlichen Herausforderungen stellen.

Eine dieser Herausforderungen liegt heute in den verdichteten Terminkalendern junger Menschen und einer zumindest subjektiv stark gestiegenen schulischen Beanspruchung. In der Folge wird an manchen Stellen die Regelmäßigkeit von Angeboten zurückgefahren – ein Trend, der angesichts der hohen Prägekraft regelmäßiger Gruppen bedenklich stimmen muss. Events und Kurzzeitangebote können einen Verlust kontinuierlicher Arbeit in Gruppen nicht auffangen, auch wenn sie durchaus wichtige und zeitgemäße Ausdrucksformen evangelischer Jugendarbeit darstellen.

Die schulbezogene Kinder- und Jugendarbeit erscheint als eine verheißungsvolle Möglichkeit, Jugendarbeit unter veränderten Rahmenbedingungen auf einem neuen Feld zu etablieren. Für dieses Feld gelten aber eigene Spielregeln, die auf der personellen Seite einen deutlich höheren Einsatz von Hauptamtlichen und damit von finanziellen Mitteln erfordern. Eine entscheidende Frage, deren Beantwortung sich aus den Erkenntnissen der schulbezogenen Projekte noch nicht eindeutig klären lässt, besteht darin, inwieweit es der Jugendarbeit gelingt, auch im Schulkontext ihre besonderen Potenziale einzubringen und als solche erkennbar zu bleiben.

Wer nach diesen besonderen Potenzialen der außerschulischen Jugendbildung fragt, hört von Befragten aus nahezu allen Arbeitsbereichen vor allem die Stichworte „Gemeinschaft“ und „Beziehung“. Im direkten Miteinander liegt die Stärke kirchlicher Angebote – und vielerorts wird der Unterschied zu anderen Gemeinschaftungsformen damit beschrieben, dass in den kirchlichen Gruppen alle willkommen seien, auch und gerade diejenigen, die nicht mit Höchstleistungen aufwarten können. Als Katalysatoren solcher Gemeinschaftserlebnisse werden von vielen die Freizeiten und gemeinsamen Fahrten erlebt. Nicht ohne Grund gehören Freizeiten und ähnliche intensive Kompaktformate zu den zentralen Angeboten fast aller Arbeitsbereiche. Exemplarisch für das Erleben steht die Aussage eines Ehrenamtlichen: Freizeiten seien für ihn deshalb so bedeutsam, weil es „die zwei Wochen im Jahr sind, in denen ich wirklich der sein kann, der ich bin. Ich habe das Gefühl, dort vor niemandem etwas verstecken zu müssen.“

Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass „Beziehungsarbeit“ den Kern vieler Angebote ausmachen kann, liegt im personalen Angebot, also den Mitarbeitenden. Die statistischen Erkenntnisse aus „Jugend zählt“ haben vor Augen geführt, dass ein Betreuungsschlüssel von einem Mitarbeitenden auf etwa drei bis vier Teilnehmende in Jungscharen, Jugendgruppen, bei Freizeiten, Kinderbibeltagen, aber auch im Kindergottesdienst und bei Konfi 3 den Normalfall darstellt. Die hiermit verbundenen Begegnungs- und Begleitungsmöglichkeiten für einzelne junge Menschen werden nur durch ein großes ehrenamtliches Engagement möglich. Entsprechend liegt ein zentraler Faktor für jugendaktive Kirchengemeinden auch im Aufbau und der Begleitung der ehrenamtlichen Mitarbeiterschaft. Hierzu liefern insbesondere die befragten Ehrenamtlichen in der Vertiefungsstudie wichtige Hinweise, beispielsweise zu den Stichworten „Freiheit“ und „Wertschätzung des Ehrenamts“.

Unübersehbar zeigt sich an verschiedenen Stellen aber eine Tendenz zu einer Verschiebung des Personals in Richtung Hauptamtlichkeit. Das rührt weniger aus einer „Krise des Ehrenamts“ als vielmehr aus Veränderungen in den Anforderungsprofilen, die in dem von Professionalisierung und Spezialisierung geprägten Sozial- und Bildungsbereich an vielen Stellen hauptamtliche Koordination als unabdingbar erscheinen lassen. Insbesondere im Kontext der schulbezogenen Kinder- und Jugendarbeit erweisen sich die Anforderungen an Verlässlichkeit und Fachlichkeit als so zentral, dass Ehrenamtliche ohne einen hauptamtlichen Brückenbauer kaum im System Schule ankommen können. Ein wachsender Grad von Hauptamtlichkeit muss allerdings nicht mit einem Rückgang des Ehrenamts verbunden sein: Sowohl die Erkenntnisse aus der Vertiefungsstudie als auch die Studien zur schulbezogenen Kinder- und Jugendarbeit zeigen, dass hauptamtliche Jugendreferenten an vielen Stellen nicht die Alternative zu ehrenamtlichem Engagement, sondern vielmehr ein Wegbereiter dafür sein können. In erstaunlich vielen jugendaktiven Gemeinden finden sich dann auch Modelle der Finanzierung eigener hauptamtlicher Stellen über Fördervereine, Stiftungen und ähnliches.

Immer wieder wird in den unterschiedlichen Studien auf die zentrale Rolle der Pfarrerinnen und Pfarrer verwiesen. Auch wenn die Affinität der hauptamtlichen Theolog/innen zur Jugendarbeit naturgemäß stark variiert: Sowohl in den Kirchengemeinden als auch in der Öffentlichkeit werden sie zumeist als Schlüsselpersonen wahrgenommen, die auch die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen entweder ermöglichen oder behindern können. Hier gilt es, nicht zuletzt in Aus- und Fortbildung für das Pfarramt, Kenntnisse über die verschiedenen Bereiche der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, insbesondere aber die Bereitschaft zu wecken, vernetzende und moderierende Aufgaben aktiv wahrzunehmen.

Evangelische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen geschieht unter Bedingungen, die genau wahrgenommen und mit Handlungsstrategien verbunden werden müssen. Ein kontinuierlicher Trend, der in „Jugend zählt“ deutlich benannt wurde (allerdings noch nicht zu der nötigen intensiven Beschäftigung der Kirchenleitungen mit