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Theater im arabischen Sprachraum

Theatre in the Arab World

Theater im arabischen Sprachraum

Theatre in the Arab World

Herausgegeben von / Edited by Rolf C. Hemke

Recherchen 104

© 2013 by Theater der Zeit

Texte und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich im Urheberrechts-Gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeisung und Verarbeitung in elektronischen Medien. / All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted, in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopied, recorded or otherwise, without the prior permission of the publisher.

Verlag Theater der Zeit

Verlagsleiter / Publisher Harald Müller

Im Podewil | Klosterstraße 68 | 10179 Berlin | Germany

www.theaterderzeit.de

Grafik / Design: Bild1Druck, Berlin

Covergestaltung / Cover Design: Sibyll Wahrig Titelphoto aus der Aufführung: Ici Tunis, Regie: Taoufik Jebali, © El Teatro, Tunis

Printed in Germany

ISBN 978-3-943881-28-8 (Druckausgabe)

Theater im arabischen Sprachraum


Theatre in the Arab World


Herausgegeben von / Edited by Rolf C. Hemke

Theater derZeit

Recherchen 104

INHALT

Vorwort / Foreword

Vorwort / Foreword

Editorial / Editorial

Ägypten/Egypt

Sarah Enany

In der Schwebe hängen: Ägyptisches Theater nach dem 25. Januar

Hanging in the Balance: Egyptian Theatre post January

Nedjma Hadj

Kreative Dringlichkeit – das Theater von Laila Soliman

Creative Urgency – The Theatre of Laila Soliman

Algerien/Algeria

Marina Da Silva

Kheireddine Lardjam, Wanderer zwischen zwei Ufern

Kheireddine Lardjam, Traveller between Two Shores

Irak/Iraq

Arifa Akbar

Ein theatrales Vagabundenleben – der irakische Regisseur und Schauspieler Monadhil Daood

The Life of a Theatrical Vagabond – Iraqi Director and Performer Monadhil Daood

Ahmed Sharghi / Muhaned Al Hadi / Rolf C. Hemke

Das Alltagstheater des Muhaned Al Hadi

The Theatre of Everyday Events: Muhaned Al Hadi’s Theatre

Kuwait/Kuwait

Graham Holderness

Sulayman Al Bassam – Portrait eines zeitgenössischen arabischen Theaters

Sulayman Al Bassam – Portrait of a Contemporary Arab Theatre

Libanon/Lebanon

Rolf C. Hemke

Brückenkopf zur Freiheit – Theater in Beirut

A Bridgehead to Freedom – Theatre in Beirut

Rolf C. Hemke

Issam Bou Khaled ­– Kampf gegen die Absurdität der eigenen Existenz

Issam Bou Khaled ­– A Fight against the Absurdity of his own Existence

Anna Furse

Maya Zbib – Unabhängiges Theater als politische Position

Maya Zbib – Independent Theatre as a Political Position

Peter Sellars

Vielfalt und Demokratie – eine Hommage auf Zoukak

Diversity and Democracy – A Tribute to Zoukak

Marokko/Morocco

Ahmed Massaia

Das junge Theater in Marokko

Young Theatre in Morocco

Rajae Rouijel

Naima Zitane – Das Theater als Waffe

Naima Zitane – Theatre as a Weapon

Palästina/Palestine

Rolf C. Hemke

Ramallah, Amman, Haifa – Die palästinensische Theaterszene in der West Bank und der Diaspora

Ramallah, Amman, Haifa – The Palestinian Theatre Scene in the West Bank and Diaspora

Ala Hlehel

Ein Fingerbreit Freiheit – das Theater von Amir Nizar Zuabi

An Inch of Freedom – The Theatre of Amir Nizar Zuabi

Syrien/Syria

Rolf C. Hemke

Wo das Theater versagt – die Syrer Omar Abusaada und Mohammad Al Attar

Where Theatre Has Failed – The Syrians Omar Abusaada and Mohammad Al Attar

Mudhar Al Haggi

Das Schicksal der syrischen Jugend – das Theater der Raghda Al Sharani

The Destiny of Syrian Youth – The Theatre of Ragdha Al Sharani

Abdullah Al Kafri

Die innere Emigration des Oussama Ghanam

The Inner Emigration of Oussama Ghanam

Tunesien/Tunisia

Moez Mrabet

Das tunesische Theater: Vom Widerstreit zur Revolution

Tunisian Theatre: From Opposition to Revolution

Valérie Baran

Lotfi Achour – Auf dem Weg zu einem dramatischen und dokumentarischen Theater

Lotfi Achour – Towards Dramatic and Documentary Theatre

Rolf C. Hemke

Meriam Bousselmi – Der Charme der Provokation

Meriam Bousselmi – The Charm of Provocation

Mohamed Moumen

Eine Träumerei vom Chaos – das Theater von Fadhel Jaïbi

Dreaming of Chaos – The Theatre of Fadhel Jaïbi

Thameur Mekki

Taoufik Jebali – Im Trüben schwimmen

Taoufik Jebali – Swimming in Troubled Waters

Die Autoren des Buches

Authors

Adressenverzeichnis

Directory

weitere Recherchetitel

Vorwort

„Nichts Absurderes als einen Kriegsalltag“ gibt es, so sagt der libanesische Theatermacher Issam Bou Khaled, dessen Heimatstadt Beirut sich vierzig Jahre lang im ununterbrochenen Ausnahmezustand befand, „alles was surreal ist, wird im Laufe der Zeit tatsächlich zu einer Art Normalität“. Jahrzehntelang mussten die in diesem Buch porträtierten Theatermacherinnen und Theatermacher Grausamkeit, Unterdrückung und Willkür erleiden. Unter diesen Umständen konnte sich kein Leben und kein Werk in den Elfenbeinturm zurückziehen und von den Bränden der Gegenwart abkapseln. Diese Unentrinnbarkeit verleiht dem Theaterschaffen in den arabischen Ländern eine ungeheure Aktualität und Brisanz. Im besten aufklärerischen Sinne erklärt und interpretiert es, wo tagesaktuelle Nachrichtenmedien bestenfalls informieren, es erkundet unauslöschliche Widersprüche und öffnet den Raum für das Unaussprechliche.

Jetzt liegt erstmals ein umfassendes Kompendium des heutigen arabischen Theaters vor. Wir danken dem Theater an der Ruhr, dessen Festival Theaterlandschaft Neues Arabien im Herbst 2012 und 2013 den Rahmen für die Zusammenstellung dieses Recherchen-Bandes bildet. Wir danken den Verlagen Theater der Zeit, Berlin, und Sud Editions, Tunis, die das Wagnis einer jeweils zweisprachigen Veröffentlichung des Buches in deutscher/englischer und französischer/arabischer Sprache auf sich nehmen. Vor allem aber danken wir dem Herausgeber und Kurator des Festivals, dem Mülheimer Dramaturgen Rolf C. Hemke, für seine mutige und beharrliche Recherche zu einer in Europa viel zu wenig bekannten Theaterszene, die sich im arabischen Raum mit Geschick und Können auf vielfach vermintem Gelände behauptet.

Hortensia Völckers

Vorstand / Künstlerische Direktorin

Kulturstiftung des Bundes

Alexander Farenholtz

Vorstand / Verwaltungsdirektor

Kulturstiftung des Bundes

Foreword

“There is nothing more absurd than everyday life during war,” according to the Lebanese theater director Isaam Bou Khaled, whose hometown of Beirut has found itself in an unbroken state of emergency for the past forty years, “Everything that is surreal becomes, over the course of time, a sort of normality.” For decades, the theatre producers portrayed in this book have suffered from cruelty, oppression, and despotism. Under these circumstances they could not simply withdraw themselves to work and live in ivory towers, to shut themselves away from the flames of today’s world. This inevitability bestows an immense timeliness and explosiveness on theatrical work in the Arab countries. In the best sense of enlightenment, theatre explains and interprets where daily news, at best, only informs; it explores insurmountable contradictions, and opens up a space for the inexpressible.

Now, for the first time, a comprehensive compendium of contemporary Arab theatre is available. We would like to thank the Theater an der Ruhr, whose festival Theatre Landscapes of the New Arabia in the autumn of 2012 and 2013 provides the framework for the compilation of this research volume. We would like to thank the publishers Theater der Zeit, Berlin, and Sud Editions, Tunisia, for taking on the risk of a bilingual publication of the book in German / English, and French / Arabic. Above all, we would like to thank the editor and curator of the festival, the Mülheim dramaturg Rolf C. Hemke, for his courageous and tenacious research into a theatre scene too little known in Europe, but one which, with skill and aptitude, is asserting itself on the perilous terrains of the Arab world.

Hortensia Völckers

Board/Artistic Director

Kulturstiftung des Bundes

Alexander Farenholtz

Board/Director of Operations

Kulturstiftung des Bundes

Translation from German: Andrea L. Schmidt

Vorwort

Kaum eine Region in der Welt steht so unter politischen Spannungen wie der arabische Kulturraum. Der Nahostkonflikt, als eine Folge des zweiten Weltkrieges, ist seit Jahrzehnten so sehr Alltag geworden, dass er uns in den friedensverwöhnten europäischen Ländern nur noch schlaglichtartig zu einem Bild aus den Nachrichten gerinnt. Nachdem vor über zwei Jahren der arabische Frühling in dieses Spannungsfeld hinein zündete, liegen heute Hoffnungen auf neue, gerechtere gesellschaftliche Strukturen mit den verschiedensten Beharrungskräften im blutigen Kampf. Keine Zeit für Kunst, möchte man meinen? Falsch: Künstler und Intellektuelle waren treibende Kräfte der Identitätsfindung und Mobilisierung der Reformbewegung. Das Theater vermochte den Sehnsüchten und Hoffnungen Ausdruck zu geben und stellte sich kompromisslos an die Seite derer, die sich empörten. Das Interesse an diesen gesellschaftlichen Umbruchsprozessen ist hierzulande groß, das Wissen um das Theater und seine Akteure eher gering. In diesem Buch kommen die Theaterleute zu Wort, schreiben über ihre Sicht auf die Welt und auf ihr Land und erklären, was sie antreibt Theater zu machen, leidenschaftlich, besessen, unter Einsatz ihres Lebens. Wir wünschen diesen Menschen aktive Partner hierzulande. Dieses Buch soll dabei helfen.

Thomas Engel, Direktor, ITI Deutschland

Foreword

There is hardly any other region in the world that is subject to so much political tension as the Arab cultural arena. Over the decades, the Middle East conflict resulting from the Second World War has become so mundane that for us, in peace-privileged Europe, it has been reduced to mere images on the news. It is over two years since the Arab Spring ignited in this field of tension; hope for new and more just social structures now lies with the various insistent forces in the bloody battle. No time for art, maybe? Wrong: artists and intellectuals have been driving forces in the search for identity and mobilisation of the reform movement. Theatre gave a means of expression to longing and hope, and stood uncompromisingly on the side of those who rebelled. In Germany the interest in this social transition process is great, but there is an overarching lack of knowledge of the theatre and its stakeholders. In this book, theatre people have a chance to speak, to write down their thoughts about the world and their country, and explain what drives them to create theatre, so passionately and obsessively, whilst gambling with their lives. We would like to find active partners for these people over here. This book aims to serve that purpose.

Thomas Engel, Director, ITI Germany

Translation from German: Andrea L. Schmidt

Editorial

Kaum eine Weltregion ist in unseren Medien derzeit so präsent wie der arabische Sprachraum mit seinen Revolutionen, Revolten, Kriegen. Und selten wurde mit einer solch eigenartigen Mischung aus Sympathie, Befremden und Unverständnis über welthistorische Ereignisse berichtet wie über das, was seit dem Dezember 2010 in Tunesien und Ägypten, Libyen und Syrien passiert. Vom arabischen Theater ist da allerdings nicht die Rede. Dieses Buch wurde vor dem Hintergrund der Umwälzungen und im Bewusstsein verfasst, dass das Theater oft die politischste und spontanste aller Kunstformen sein kann. So kann Theater als Seismograph gesellschaftlicher Zustände funktionieren.

Nehmen wir als Beispiel zwei Produktionen, die im vergangenen Jahr im London, anlässlich des kulturellen Rahmenprogramms zu den Olympischen Spielen, für Aufsehen sorgten. Beide Künstler werden in diesem Buch vorgestellt. Der irakische Regisseur Monadhil Daood inszenierte eine zeitgenössische Adaption von Romeo und Julia vor dem Hintergrund der immer wiederkehrenden bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzung zwischen Schiiten und Sunniten. Die Aufführungen in Bagdad wurden heiß diskutiert. Der tunesische Regisseur Lotfi Achour begann seine persönliche Aufarbeitung der Ben-Ali-Diktatur, indem er eine in seiner Heimat ebenfalls hochumstrittene Macbeth-Paraphrase Macbeth: Leïla and Ben – A Bloody History herausbrachte.

Doch dieses Buch will nicht nur von dem erzählen, was das Theater im arabischen Sprachraum leisten kann und leisten darf. Die Rede muss natürlich auch davon sein, wie sich die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Ländern wie Tunesien oder Ägypten zu Lasten der Freiheit der Kunst entwickeln. Von neuen Repressionen durch salafistische Schlägerkommandos, unter denen die Künstler im postrevolutionären Tunesien leiden, weiß die schon jung international preisgekrönte Autorin und Regisseurin Meriam Bousselmi Bände zu berichten.…

Unter ganz anderen Umständen arbeiten derzeit die syrischen Theatermacher, die in diesem Buch zu Worte kommen, soweit sie überhaupt noch künstlerisch tätig sein können. Der bis 2011 in Damaskus ansässige irakische Regisseur und Autor Muhaned Al Hadi etwa ist trotz der instabilen Sicherheitslage wieder in seine Heimat zurückgekehrt. Seine letzte Regiearbeit aber legte er in Tunis am El Teatro des in diesem Buch ebenfalls portraitierten Taoufik Jebali vor.

Wie sich schon aus diesen Ausführungen ergibt, sind die Netzwerke in der arabischen Welt gut, die Zusammenarbeit – je nach finanziellen Möglichkeiten – eng. Die Fäden laufen an einigen zentralen Orten zusammen: den Theatermetropolen Tunis und Beirut, Kairo und Casablanca. Diesen sind dann auch einige Kapitel in diesem Buch gewidmet. Um einen Überblick über die reiche Theaterszene in all den Ländern zu geben, deren Theaterkünstler Aufnahme in dieses Buch gefunden haben, findet sich im Anhang ein kommentiertes Adressverzeichnis.

Vor ziemlich genau drei Jahren konnte ich das Datum unter das Vorwort des älteren „Bruders“ dieses Buches setzen: Theater südlich der Sahara / Theatre in Sub-Saharan Africa. Es erschien im Frühjahr 2010 und war immerhin ein so nachhaltiger Erfolg, dass gerade Gespräche mit dem Verlag über eine teilaktualisierte Neuauflage des Bändchens laufen. Wie damals sei auch für dieses Buch darauf hingewiesen, dass der Fokus auf der Theaterpraxis liegt. Das meint die eher konventionelle Theaterarbeit von Regisseuren, die ausgehend von einem Text arbeiten oder sich im Laufe ihrer Arbeit eine Struktur oder ein Textgerüst gemeinsam mit ihrem Kreativteam erarbeiten.

So werden in diesem Buch weder reine Theaterautoren, noch Choreographen oder Performance-Künstler behandelt. Auch versteht sich dieses Buch weder als Enzyklopädie, noch erhebt es irgendeinen Anspruch darauf in seiner Auswahl repräsentativ zu sein. Im Gegenteil: Es ist Resultat einer ganz subjektiv geprägten Recherche- und Kuratorentätigkeit, die ich bereits seit einigen Jahren für meinen Arbeitgeber, das Theater an der Ruhr in Mülheim an der Ruhr, ausüben darf. Eine Tätigkeit, die mich in den vergangen Jahren insbesondere zu einem regelmäßigen Gast der großen arabischen und afrikanischen Festivals hat werden lassen, so dass die Wahl der Künstler zumindest nicht nur auf den Eindrücken einzelner Aufführungen beruht, sondern aus einer überwiegend jahrelangen Beobachtung ihrer Arbeit resultiert.

An dieser Stelle gilt es zu danken: natürlich an allererster Stelle der Kul­turstiftung des Bundes und dem Internationalen Theaterinstitut (ITI/UNESCO), Sektion Deutschland, Berlin, die mit substanzieller finanzieller Unterstützung das Erscheinen dieses Buches möglich gemacht haben – und zwar in sage und schreibe vier Sprachen! Denn der Band erscheint parallel in einer deutsch/englischen Ausgabe im Verlag Theater der Zeit und in einer arabisch/französischen Ausgabe bei Sud Editions in Tunis. Ich danke den Verlagsleitern, Herrn Harald Müller und Paul Tischler in Berlin, und Mohammed Masmoudi in Tunis, der mit besonders viel persönlichem Engagement und Vertrauen in meine Arbeit das Wagnis der tunesischen Edition angegangen ist. Dank gilt zugleich auch Mohammed Moumen, der die französische und arabische Redaktion des Buches übernommen hat und Penny Black, London, für das Korrektorat der englischen Fassung. Last but not least gilt mein Dank der künstlerischen Leitung des Theater an der Ruhr, die mir alle Unterstützung für dieses Projekt angedeihen ließ: Helmut Schäfer, Sven Schlötcke und Dr. Roberto Ciulli, der in einer Zeit, als das Wort Interkultur noch unbekannt war, die Internationale Arbeit des Theater an der Ruhr entwickelte und zu einer Wirkung entfaltete, die bis heute noch weit über den deutschen Sprachraum hinausreicht.

Rolf C. Hemke, Herausgeber,

Köln und Mülheim an der Ruhr im April 2013

Editorial

These days, few regions of the world enjoy as much presence in our media as the Arab world, with its revolutions, revolts, and wars. And there has rarely been, in the reporting of world historic events, such a strange mixture of sympathy, dismay and incomprehension, as in the coverage of what has been going on in Tunisia and Egypt, Libya and Syria since December 2010. Arab theatre, however, is not mentioned in the coverage. This book was written with the context of the upheavals in mind, and with the awareness that theatre is often the most political and the most spontaneous of all forms of art. Hence, theatre can function as a seismograph of societal conditions.

Take the example of two productions which caused a stir in London last year on the occasion of the Olympic Games’ cultural program. Both artists are presented in this volume. Iraqi director Monadhil Daood staged a contemporary adaptation of Romeo and Juliet against a backdrop of the recurrent civil war-like confrontations between Shiites and Sunnis. The performances in Baghdad were hotly debated. Tunisian director Lotfi Achour, for his part, tried to personally come to terms with the Ben Ali dictatorship by launching a re-working of Macbeth that was equally controversial in his home country entitled Macbeth: Leïla and Ben — A Bloody History.

But this book is not just aiming to explore what theatre in the Arab world is able and allowed to accomplish. We also have to address the question how the political and social transformations in countries like Tunisia and Egypt negatively affect the freedom of art. Writer and director Meriam Bousselmi, who has already won international prizes at a young age, could fill volumes about new forms of repression suffered by artists in post-revolutionary Tunisia at the hands of Salafi thug squads.

The Syrian theatre makers who have their say in this book work under quite different circumstances at the moment, if they are able to continue their artistic work at all. Iraqi director and writer Muhaned Al Hadi, for instance, who lived in Damascus until 2011, has returned to his home country despite the fragile security situation there. He presented his most recent directing work in Tunis at Taufik Jebali’s El Teatro. Jebali is also portrayed in this volume.

As these examples illustrate, networks in the Arab world work well and there is close cooperation depending on the availability of funding. Several central locations form the hubs of these networks: the theatre metropols of Tunis, Beirut, Cairo and Casablanca. Accordingly, some chapters of this volume are dedicated to each of them. And to give an overview of the rich theatre scene in the countries whose theatre artists have been included in this book, there is an annotated directory in the appendix.

Almost exactly three years ago, I was able to put the date under the preface of this book’s so-called older brother, entitled Theatre in Sub-­Saharan Africa. It appeared in spring 2010 and has met with a success sustainable enough to initiate talks with the publisher about a partially-updated new edition of the volume. As was the case back then, I would like to point out for this book as well that one that the focus is on the practice of theatre. This refers to rather conventional dramatic work by directors who start from a text or who elaborate a structure or a textual framework during the course of their work together with their creative team.

Hence, this book does not deal with playwrights, choreographers, or performance artists. Moreover, it should not be understood as an ency­clopedia, nor does it raise any claim to be representative in its selection. Quite the contrary: this book is the result of a very subjective research and curating activity that I have had the privilege of carrying out for several years now for my employer, the Theater an der Ruhr in Mülheim an der Ruhr. This activity has notably turned me into a regular guest at major Arab and African festivals in recent years. The choice of artists is therefore not just based on the impressions left by a single show, but mostly on an observation of their work that has lasted for many years.

At this point I have to express my gratitude: first of all, to the German Federal Cultural Foundation and the German Center of the International Theater Institute (ITI/UNESCO) in Berlin, who have, with their substantial financial support, made this volume’s publication possible in no less than four languages! This book is both published as a German/English edition at Theater der Zeit and, in parallel, as an Arabic/French edition at Sud Editions in Tunis. I would like to thank the directors of the publishing houses: Harald Müller and Paul Tischler in Berlin, and Mohammed Masmoudi in Tunis, who tackled the adventure of the Tunisian edition with an enormous amount of personal commitment and trust in my work. Thanks are also due to Mohammed Moumen who took on the Arabic edition of the book and Penny Black, London, for correcting the English version. Last but not least, I wish to thank the artistic directors of the Theater an der Ruhr, who granted me every kind of support for this project: Helmut Schäfer, Sven Schlötcke, and Dr. Roberto Ciulli, who developed and unfolded the International Activities of the Theater an der Ruhr to their full potential to this very day, they have a reach far beyond the German-speaking world at a time when the term ‘interculture’ was still unknown.

Rolf C. Hemke, editor, Cologne and Mülheim an der Ruhr, April 2013

Übersetzt aus dem Deutschen: David Kreuer

Ägypten

In der Schwebe hängen: Ägyptisches Theater nach dem 25. Januar

Von Sarah Enany

In den 1990er Jahren wandte sich eine Gruppe unabhängiger feministischer Theatermacherinnen an den Vorstand eines bedeutenden Kulturzentrums eines europäischen Landes und bat um finanzielle Mittel für ihr Frauen-Theaterprojekt. „Aus zuverlässigen Quellen weiß ich, dass Theater keine genuine ägyptische Kunst ist“, sagte der hochrangige europäische Beamte, „und daher finanzieren wir nur indigene ägyptische Kunstformen wie Geschichtenerzählung und Puppenspiel.“

Glücklicherweise hat sich diese enge Sicht heute größtenteils verändert und die Zeit ist vorüber, in der die koloniale Wahrnehmung Hand in Hand mit repressiven ägyptischen Gesetzen unwissentlich das freie Theater zu ersticken versuchte. Wie in vielen Ländern weltweit existieren jetzt auch in Ägypten traditionelle Theaterarten neben, und manchmal auch zusammen mit, neuen und andersartigen Formen: Stand-up Comedy, Geschichtenerzählung und traditionelles ägyptisches Schattentheater, auf der klassischen Guckkastenbühne werden ägyptische und ausländische Texte gespielt. Aber das sagt natürlich nichts über die Qualität dieses Theaters aus.

Zwar gibt es eine staatliche Aufführungsstätte, die sich aktuell „Avant Garde Theatre“ nennt, aber es ist allgemein nachvollziehbar, dass die offi­ziellen staatlichen Produktionen seit den frühen 1990er Jahren den bereits gesetzten „Avantgarde“-Trends freier Theatermacher folgen. Trotz der so genannten „Goldenen Sechziger“ war das Theater der damaligen Zeit in Wirklichkeit von der Regierung produziert, Politik-gesteuert betrieben und ideologisch geprägt, um Präsident Nassers neue Ideologie zu verbreiten und als Sicherheitsventil für Dissidenten zu dienen. Allerdings war dies für die Künstler nicht immer besonders sicher, da viele von ihnen ins Gefängnis kamen. Was das Theater tat, war sorgfältig alles zu meiden, was unter die Devise „das Persönliche ist politisch“ fällt. Weder wurde der
Versuch unternommen – in welcher Form auch immer – den traditionellen, patriarchalen und familiären Status quo herauszufordern, noch wurde das religiöse Gebot, den Machtrepräsentanten zu gehorchen oder die Rolle der Frau in Frage gestellt, etwa indem etwas Unkonventionelles über Sexualität geäußert worden wäre.

Die 1970er Jahre waren nicht besser: Präsident Sadats neue, konservative Ideologie und seine Fügsamkeit den Islamisten gegenüber, führten zu einer fast völligen Vernachlässigung des Theaters. Die so entstandene Lücke schlossen kommerzielle Musicals, die von einem golf-arabischen Publikum besucht wurden und – florierten.

Karte_Arabien.jpg

1 Syrien/Syria

14 Oman/Oman

2 Jordanien/Jordan

15 Jemen/Yemen

3 Libanon/Lebanon

16 Sudan/Sudan

4 Saudi-Arabien/Saudi Arabia

17 Bahrain/Bahrain

5 Kuwait/Kuwait

18 West Sahara/Western Sahara

6 Irak/Iraq

19 Mauritanien/Mauritania

7 Ägypten/Egypt

20 Tschad/Chad

8 Libyen/Libya

21 Eritrea/Eritrea

9 Algerien/Algeria

22 Dschibuti/Djibouti

10 Tunesien/Tunisia

23 Somalia/Somalia

11 Marokko/Morocco
12 Katar/Qatar

24 Israel und Palästina/
Israel and Palestine

13 Vereinigte Arabische Emirate/

United Arab Emirates

Von daher kann von den heutigen freien Theatermachern nicht wirklich behauptet werden, dass sie an eine bereits existierende ägyptische Tradition anschließen würden. Sie leiteten die meisten ihrer kulturellen Ideen und künstlerischen Methoden von denen ihrer Avantgarde-Kollegen weltweit ab – sei es von Freire, Grotowski, Boal oder noch anderen –, ebenso wie von Quellen außerhalb des Theaters, wie dem Kino und der bildenden Kunst.

Einen unterstützenden Einfluss hatte das – von konservativen Philologen seinerzeit immer wieder verunglimpfte – heute nicht mehr existierende Cairo International Festival for Experimental Theatre (1988–2010). Insbesondere in seinen frühen Jahren erwies sich das Festival als eine Inspirationsquelle für eine ganze Generation jüngerer Theatermacher. Es bot vielen ihre erste und einzige Plattform, um im internationalen Theaterbetrieb Beachtung zu finden.

Dem Slogan „das Persönliche ist politisch“ zu folgen, erwies sich als eine riskante Angelegenheit. Trotz der Versuche einiger Schriftstellerinnen, dem weitgehend patriarchalischen und phallozentrischen ägyptischen Theater einen feministischen Zug zu verleihen, dauerte es bis in die 1990er Jahre, bis solche alternativen Theatergruppen wie Effat Yehias Caravan und Nora Amins La Musica entschieden feministisch orientierte Aufführungen auf die Bühne brachten, die viele Tabus und persönliche Themen berührten. Maher Sabry war der erste Dramatiker und Regisseur, der schwule und lesbische Liebe auf eine einfühlende Art und Weise auf der Bühne darstellte. Trotz ihres Mutes befinden sich diese freien Theatermacher stets in einem harten Existenzkampf, der allzu oft mit dem Exil oder Konkurs endet – es sei denn, sie haben einflussreiche Freunde oder das Glück, jemanden zu kennen, der gut Förderanträge schreiben kann. Sabry wurde nach seinem Einsatz für Schwulenrechte von der Staatssicherheit gejagt und ins US-amerikanische Exil gezwungen; Amin verbringt einen Großteil ihrer Zeit damit, Workshops im Ausland zu leiten; Effat Yehia und die Dramatikerin und Regisseurin Dalia Basiouny haben eine Zuflucht in der American University in Kairo gefunden, während Dalia el-Abd – wie viele ihrer Tänzer- und Choreografen-Kollegen – nur auftreten kann, wenn sie einen Spielort in einem ausländischen Kulturzentrum findet. Andere Künstler sind schlichtweg in Vergessenheit geraten.

Es wäre sehr einfach, nun einen orientalistischen Blick auf diese Entwicklungen zu werfen und diese dem Druck der „islamischen“ Kultur und dem dazugehörigen Konservatismus zuzuschreiben. Die Erklärung ist wie immer nuancenreicher. Trotz eines tief verwurzelten patriarchalischen Erbes war Ägypten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Tat Zeuge bedeutender Bemühungen um eine Liberalisierung. Zum Beispiel rissen – während der Revolution von 1919 – Frauen ihre Gesichtsschleier herunter, bei einer großen öffentlichen Demonstration gegen die heimliche Kollaboration der Monarchie mit der britischen Kolonialmacht, während Fatma Rushdi, Gründerin einer eigenen Theatergruppe, demonstrierenden Studenten Zuflucht gewährte, die vor den Gewehren der Briten flohen.

Ob diese Versuche Erfolg gehabt hätten, wenn man sie hätte gewähren lassen, können wir heute nur vermuten. Jedenfalls wurden derartige Volksaufstände durch die selbsternannte „Revolution von 1952“ im Keim erstickt, die in Wirklichkeit ein Staatsstreich des Militärs war, das die Macht an sich riss und nie wieder abgab. An der Oberfläche war Nassers Regime sehr liberal und ermutigte die Frauen, „sich aufzulehnen und neben den Männern zu kämpfen“, wie es in einer Zeile eines damals vom Staat produzierten Liedes hieß. In Wirklichkeit aber gab es einen omnipräsenten und andauernden Terror der Spione des Staates, die tatsächlich überall lauerten.

Seit 1952 wurde jede eigenständige, kreative Vision systematisch zerschlagen und es gab einen ständigen Hang dazu, Regierungsposten – insbesondere solche mit Entscheidungskompetenzen – mit den am wenigsten qualifizierten Personen zu besetzen. Dies führte zu einer mittlerweile 60 Jahre andauernden Tradition der Ausgrenzung, in der die Entscheidungsträger in erster Linie aufgrund ihrer Loyalität gegenüber dem Regime ausgewählt wurden und die ihr ureigenes Interesse an der Erhaltung des Status quo hatten; diejenigen aber, die dazu in der Lage gewesen wären, auf einer solchen Position frische und eigene Vorstellungen zu entwickeln, wurden beiseite geschoben.

Dies erklärt, wieso es trotz der Revolution möglicherweise eine Verschwendung von Energie bedeuten würde, zu versuchen, den Staatstheaterapparat in nächster Zukunft zu reformieren, so lange dieser von Anhängern des alten Regimes durchsetzt bleibt, die sich mehr um ihre Gehaltszahlungen sorgen als um die Qualität der Vorstellungen – und zwar auf jeder erdenklichen Organisationsebene.

Vor diesem Hintergrund ist es kaum eine Übertreibung, festzustellen, dass die treibende Kraft der Entwicklung des ägyptischen Theaters die unabhängigen Künstler sind.

Doch selbst wenn aller Enthusiasmus unabhängiger Theaterproduk­tionen zusammenkommt, bleibt ein dringender Bedarf an passenden Spiel­orten, die für alle offenstehen. Obwohl die ägyptische Bevölkerung nun fast 90 Millionen Menschen zählt, übersteigt die Zahl aller aktuell betriebenen Theater nicht einmal 50 – wenn man einmal von den unregelmäßig bespielten Kulturhäusern und -palästen (Relikten aus der sozialistischen Ära) in den Provinzen sowie den behelfsmäßig eingerichteten Räumen absieht, die von ausländischen Kulturzentren allenfalls für zwei, drei Aufführungen zur Verfügung gestellt werden. Auch hier sorgt einmal mehr der unabhängige Sektor selbst für Abhilfe: durch das Sawy Cultural Center (wenn es auch für seine Selbstzensur bekannt wurde), das Rawabet und
andere mit der Townhouse Gallery verbundene Veranstaltungsstätten – in Alexandria Mahmoud Abou-Doma‘s Teatro und die Garage des Jesuitischen Zentrums.

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Ibsens „Ein Volksfeind“ in der Inszenierung von Nora Amin, die als Darstellerin ganz rechts im Bild zu sehen ist. / “An Enemy of The People” by Ibsen, directed by Nora Amin, who can be seen as an actress on the right of the picture. © Nora Amin

Was Proberäume angeht, gibt es das Studio Emad Eddin von Ahmad Al Attar, das allerdings für eine Stadt mit 15 Millionen Einwohnern wie Kairo allein nicht ausreichen kann, zumal die anderen Orte ständig in ihrer Existenz bedroht sind.

Ein guter Aspekt der ägyptischen Revolution des 25. Januar ist – immerhin und trotz des allgemeinen Fortbestands des Status quo –, dass die alte rechtliche Regelung, die jede Form von Straßentheater unterband, be­vor es entstehen konnte – dieser Artikel der Notstandsgesetze, welcher „öf­fentliche Versammlungen“ von mehr als fünf Personen verbot –, abgeschafft wurde schon aus den ersichtlichen praktischen Gründen. Der Aufstand vom 25. Januar 2011 durchbrach das öffentliche Versammlungsverbot und brachte eine ganze Welle von spontaner Theateraktivität hervor. Daraus entstand schnell ein neues Genre: quasi-dokumentarisches und mit Zitaten arbeitendes Theater; Improvisationskunst benutzten Künstler und Aktivisten in ganz Ägypten, verstärkt jedoch rund um den Tahrir-Platz und andere Orte in Kairo. Diese Performance-Aktivitäten wurden zumeist während der großen Demonstrationen, die zum Sturz Mubaraks führten, im öffentlichen Raum aufgeführt. Sonstige Veranstaltungsorte waren alter­native Plätze, wie etwa die Innenhöfe oder Gärten historischer Stätten.

Zu den prominentesten Darbietungen dieser Art zählen Hany Abdel-­Nassers als komödiantisches Musical realisiertes politisches Kabarett Seiten aus der Erinnerung des Platzes, Dalia Basiounys Geschichte von Tahrir, Abeer Alis John Doe, Hamada Shushas Ein Abend mit der Revolution, Amr Qabeels Geschichte vom Platz und Mohamed Abdel-Fattahs Haala Group, die sowohl als Künstler, als auch als Demonstranten am Tahrir-Platz aktiv waren. Die Rawabet Gallery gab an zwei Abenden Künstlern die Möglichkeit, öffentlich davon Zeugnis abzulegen, wie sie an Demonstrationen teilgenommen hatten, inhaftiert und von der Militär­poli­zei in den Kellern des Ägyptischen Museums gefoltert wurden – Laila Soliman hatte diese Aussagen unter dem Titel No time for art zusammengestellt.

Dies geschah kurz nachdem das Staatstheater – der Form halber – auf den fahrenden Zug aufgesprungen war. Obwohl man auf jedes staatliche Theater, das die „Revolution feiert“, getrost verzichten kann – wie etwa Abdel-Moneim Kamels Pyramide und die Revolution am Cairo Opera House oder Mohamed el-Gheitis vom Staatstheater produziertes Rosen aus dem Garten. All das ist primitiv, geht beschämend mit den jüngsten Ereignissen um, die Lieblingskünstler des alten Regimes würdigen den gesellschaftlichen Wandel nur mit Lippenbekenntnissen, während sie gleich­zeitig die letzten ägyptischen Pfund aus den staatlichen Töpfen in Anspruch nehmen. (Der Autor der letztgenannten Produktion beging einen schrecklichen Fauxpas, indem er die Familien der jungen Opfer, die auf dem Tahrir-Platz getötet worden waren, zu der Aufführung einlud, während er die Bilder der Getöteten ausstellte und ihren Tod auf der Bühne nachstellen ließ. Jeden Abend war das Auditorium von Wutschreien und Seufzern erfüllt, wie der künstlerische Leiter des Theaters bestätigte. Der Aufführungsort dieser Travestie: Das Comedy Theatre. Das Schicksal, so scheint es, hat einen Sinn für Humor.)

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Ahmad Al Attar in seiner eigenen Produktion „Die Wichtigkeit ein Araber zu sein“ / Ahmad Al Attar in his own production “The Importance of Being an Arab”. Photo: Graham White

Beim Verfassen dieses Textes, zwei Jahre nach der Revolution, die mittlerweile vom Militärrat und den Islamisten für sich in Anspruch genommen wird, hat sich eine Stimmung der Desillusion breitgemacht. Dies war deutlich spürbar in vielen Aufführungen wie in Isis Mon Amour (von Mohamed Abul Su‘ood, Premiere am El-Hanager Arts Center), in welcher die Figur des „General-aller-Zeiten“ feststellte, dass „wir noch immer die Bühne beherrschen: Wir haben nur die Schauspieler ersetzt“ – indem eine totalitaristische Herrschaft durch die andere abgelöst wurde. Das Fehlen jeglichen Impetus des Wandels oder jeglicher Agenda auf Seiten der gegenwärtigen Machthaber, die Bedingungen der Theaterleute zu verbessern, bedeutet – Revolution hin oder her –, dass das Schicksal des ägyptischen Theaters nach wie vor in der Luft hängt.

Übersetzt aus dem Englischen: Mehdi Moradpour

Egypt

Hanging in the Balance: Egyptian Theatre Post January 25

By Sarah Enany

In the 1990s, a pair of independent feminist theatre-makers approached the head of a major European country’s cultural centre to ask for funding for their women’s theatre project. “I have it on good authority that theatre is not a genuine Egyptian art form”, said the high-ranking European official, “and so we are only funding native Egyptian art forms such as storytelling and puppetry.”

Fortunately this narrow view is now mostly changed, and we are moving out of the days when colonialist perception unwittingly went hand-in-hand with repressive Egyptian laws to stifle independent theatre. As in many countries throughout the globe, traditional modes of performance now flourish in Egypt side-by-side (sometimes in tandem) with new and diverse forms. Stand-up comedy, storytelling and the traditional Egyptian qaraqoz (puppet clown) combine with proscenium arch theatre and texts both Egyptian and imported. But this is not to say that everything in the garden is rosy.

Although there is a governmental performance space actually named the Avant-Garde Theatre, it is generally verifiable that, since the early 1990s, the officially-produced state theatre has followed the ‘avant-garde’ trends first set by independent theatre makers. Despite the so-called ‘Golden Sixties’, the theatre of that time was, in fact, a government-produced, ideological, politically-driven theatre meant to disseminate President Nasser’s new ideology and to act as a safety-valve for dissent (not always safe, since many artists went to prison). What it did was carefully avoid any issues that fall under ‘the personal is political’ banner. There was no attempt whatsoever to challenge the traditional, patriarchal familial status quo, the religious command to obey those in power, or the role of women, to say nothing of unconventional sexuality.

The 1970s were no better: President Sadat’s new, conservative ideology and pandering to the Islamists resulted in an almost total neglect of theatre; filling the gap came the commercial musicals, which flourished, attended by Gulf Arab audiences. Today’s independent theatre artists cannot, therefore, really be said to be following on from an Egyptian tradition that already existed, but derived most of their cultural ideas and artistic methods from their avant-garde counterparts worldwide, such as Freire, Grotovski, Boal et al., as well as from non-theatrical sources such as cinema and the visual arts. A strengthening influence (much vilified by the classicists) was the now-defunct Cairo International Festival for Experimental Theatre (1988–2010), especially in its early years, which proved an inspiration to an entire generation of younger theatre artists, and was, for many, their first and only exposure to international theatre.

‘The personal is political,’ though, is a risky business. Despite attempts by a few women writers to introduce a feminist strain into the largely patriarchal and phallocentric Egyptian theatre, it was not until the 1990s, with such fringe troupes as Effat Yehia’s Caravan and Nora Amin’s La Musica, that firmly-oriented feminist performances touching upon many taboo subjects and personal issues came onto the scene. Maher Sabry was the first playwright/director to portray gay and lesbian love in a sympathetic manner on stage. Despite their courage, these independent theatre makers unless they are lucky enough to have influential friends or know a good grant writer are in a never-ending uphill struggle that all-too-frequently ends with exile or bankruptcy. Sabry, hounded by state security after defending gay rights issues, has been coerced into exile in the USA, Amin spends much of her time giving workshops abroad, Effat Yehia and playwright/director Dalia Basiouny have found a refuge in the American University in Cairo, while Dalia el-Abd, like many of her fellow dancer-choreographers, can only perform if she finds a space in a foreign cultural centre. Other artists have simply faded into oblivion.

It would be all too easy to create an Orientalist view of this and impute it to the pressures of ‘Islamic’ culture and its attendant conservatism. As always, the explanation is more nuanced. In fact, despite an entrenched patriarchal heritage, there were significant attempts at liberalisation in Egypt in the first half of the twentieth century. For example, in the 1919 Revolution, women ripped off their face veils in a huge public demonstration against the collusion of the monarchy with British occupation, while Fatma Rushdi, founder of her own theatre company, gave sanctuary to demonstrating students fleeing the British guns. Whether these attempts would have come to fruition if left alone is now unknowable, but in any case, the popular uprisings were nipped in the bud by the self-styled 1952 Revolution in reality a coup d’état by the military, which came to power and has never left. On the surface, the Nasser regime was very liberal, encouraging women to “rise up and fight alongside men”, as a state-produced song of the time exhorted. In reality, though, there was an all-encompassing and pervasive terror of the spies of the State, who actually were everywhere.

Since 1952, there has been a systematic crushing of any genuinely creative vision and a relentless drive to appoint the least qualified persons to government posts, especially decision-making ones. This has resulted in a 60-year legacy of exclusion, where those in power are chosen primarily for their loyalty to the regime and have a vested interest in preserving the status quo, whereas those with any sort of fresh and original vision are shunted aside.

This may make it clear why, despite the Revolution, it is probably a waste of energy to try and reform the state theatre apparatus anytime soon as it remains plagued with members of the ancien regime, who care more about paychecks than performances, at every conceivable level of operation. With this in mind, it is hardly an exaggeration to state that the main driving force moving Egyptian theatre forward is independent practitioners. But even when wholehearted enthusiasm for independent theatre­-making is present, there is also a desperate lack of dedicated theatre venues that are accessible to all.

Although the Egyptian population now numbers nearly 90 million, apart from the fitfully-operating Cultural Homes and Palaces (relics of the Socialist era) in the provinces, and not counting makeshift spaces such as the premises of foreign cultural centres borrowed for the space of 2 or 3 performances at the most, the number of operational theatres does not exceed 50. Here, as elsewhere, the independent sector comes to the rescue: the Sawy Cultural Center (although it has been known to practice internal censorship), Rawabet and other independent spaces affiliated with the Townhouse Gallery, and, in Alexandria, Mahmoud Abou-Doma’s Teatro and the Jesuit Center’s Garage. As far as rehearsal spaces go, there is Ahmad Al Attar’s Studio Emad Eddin, but it can hardly service a city of some 15 million people, and the other spaces are constantly under threat.

The good thing about Egypt’s 25 January Revolution, though, despite the general persistence of the status quo, is that the old legal clause which killed street theatre before it could even start the article of the Emergency Law forbidding the ‘public congregation’ of more than 5 people — has been, for all practical purposes, abolished. The public uprisings on 25 January 2011 blasted through the ‘public congregation’ barrier and, in addition, spawned a great deal of impromptu performance art. This quickly gave way to a new genre quasi-documentary, quasi-verbatim theatre, quasi-stand-up, performed by artists/activists all over Egypt, but mainly in Tahrir and other areas of Cairo. The performances were held for the most part in public squares during the big demonstrations leading up to Mubarak’s ousting; other venues were alternative spaces such as the courtyards or gardens of historical homes. Prominent among these performances were Hany Abdel-Nasser’s comedy-musical political cabaret Pages from the Memory of the Square, Dalia Basiouny’s Tales from Tahrir, Abeer Ali’s John Doe, Hamada Shusha’s An Evening with the Revolution, Amr Qabeel’s Tales of a Square, and Mohamed Abdel-Fattah’s Haala Group who were active in Tahrir, both demonstrating and performing. Rawabet Gallery also hosted two evenings of personal testimonies by artists who took part in the demonstrations and were subjected to arrest and torture at the hands of the military police in the cellars of the Egyptian Museum, under the title No Time for Art, compiled by Laila Soliman.

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Rehearsal for a dance intervention in the public space: The dancer Yhlem Dekkiche shows her own choreography “Zekrayat” in the framework of the festivals Nassim El Raqs in May 2013 in Alexandria. Probe zu einer Tanzintervention im öffentlichen Raum: Die Tänzerin Yhlem Dekkiche zeigt ihre eigene Choreographie „Zekrayat“ im Rahmen des Festivals Nassim El Raqs im Mai 2013 in Alexandria. Photo: Rolf C. Hemke

It wasn’t long before the state theatre, true to form, jumped on the bandwagon. Forget any governmental theatre ‘celebrating’ the ‘Revolution, like Abdel-Moneim Kamel’s Pyramids and the Revolution (Cairo Opera House) and Mohamed el-Gheiti’s Roses of the Garden (State Theatre Organization), it’s all cheap, embarrassing trading on recent events, the fat cats of the ancien regime paying lip-service to change while milking a few last pounds out of the government’s coffers. (The author of the latter committed a horrendous faux-pas by inviting the families of the young people killed in Tahrir to the show, while prominently displaying their photographs and re-enacting their deaths on stage. Every day, according to the theatre’s artistic director, the auditorium was filled with screams and wails of anguish. The venue for this travesty? The Comedy Theatre. Fate, it seems, has a sense of humor.)

As of this article, two years after the Revolution, now hijacked by the Military Council and the Islamists, a mood of disillusionment seems to have set in. This was palpable in many performances, the last of which was Isis Mon Amour, which clearly stated through the General-For-All-Time that “We are still masters of the stage; we’ve just replaced the actors”, replacing one totalitarian rule with another. The lack of any real impetus for change or any agenda on the part of anyone currently in power to improve the conditions of people working in the theatre means that, Revolution or no, the fate of Egyptian theatre still hangs in the balance.