Wyatt Earp 138 – Der Trick des Regenmachers

Wyatt Earp –138–

Der Trick des Regenmachers

William Mark

Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: http://www.keltermedia.de

E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74091-640-4

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Es flimmerte über dem gelben Sand.

Weißglühend und gleißend schleuderte der Feuerball aus dem azurfarbenen Arizonahimmel eine infernalische Hitze auf das ausgedörrte Land. Die Grasbüschel schienen mehr und mehr in sich zusammenkriechen zu wollen, und selbst die zähen Mesquitesträucher hatten sich niederbeugen lassen von der wabernden Sonnenglut.

Nur dem Sand schien die Hitze nichts anhaben zu können. Im Gegenteil, er schien mit ihr befreundet zu sein und alles auffressen zu wollen, was da noch zu existieren versuchte.

Durch das ausgetrocknete Flußbett des kleinen Indian-Creek trottete ein Mann mit gesenktem Kopf. Die Arbeit vieler Jahrzehnte hatte seinen breiten Rücken krumm gemacht. Er trug einen mißfarbenen Hut mit ausgefranster Krempe, ein graues Kattunhemd und graubraune Levishosen, die von zerfetzten Hosenträgern fast unter den Achseln festgehalten wurden. Seine Stiefel waren vom pulverfeinen Sand gelb gepudert. An der rechten Hüftseite trug der Mann in einem Halfter an einem dünnen Riemen einen uralten Revolver.

Es war ein schnauzbärtiger Mann mit tiefbraunem faltenzerfurchtem Gesicht. Schritt um Schritt stapfte er durch das öde Flußbett vorwärts.

Ein trostloser Anblick, trostlos wie das Land ringsum.

Nach etwa einer Dreiviertelstunde verließ der Mann das Flußbett, stieg auf das niedrige Ufer hinauf, blieb stehen und beschattete die Augen mit der linken Hand.

Vor ihm lag nur flimmerndes Land, das hier jedoch von dem zähen Mesquitegras stark durchsetzt war und sich an einer Hügelkette ostwärts zog. Die Sonne hatte hier nicht die gleiche Kraft wie auf der ausgedörrten Südwestseite des Hügels, wo auch das zäheste Gras der Erde, nämlich eben Mesquite, völlig verbrannt worden war.

Der Mann schritt noch etwa zwanzig Yard vorwärts, blieb dann wieder stehen, und diesmal schob er sich den Hut tief in die Stirn.

Obgleich William Corner seit vielen Jahren an die gleißende Helle dieses Landes gewöhnt war, mußte er die Augen jetzt doch zu spaltengen Schlitzen schließen, um nicht von der Weißglut der Vormittagssonne geblendet zu werden.

Der Rancher hatte den dreistündigen Weg durch das Flußbett des Indian-Creek nicht gescheut, um nach der Regentonne zu sehen, die er hier vor zwei Tagen aufgestellt hatte. Mit unendlicher Mühe hatten er und sein Sohn die Tonne hier heraufgeschleppt und mit dem letzten Wasser gefüllt, das unten auf der Ranch noch zu entbehren war.

Als er jetzt vor dem Faß stand, konnte er den pulvertrockenen Boden sehen. Die Faßdalben hatten sich in der Hitze schon gebogen. Zwei winzige Löcher unten am Ende des Fasses hatten das Wasser auslaufen lassen.

Der Rancher wandte den Kopf und blickte die Halde hinauf. Da oben stand seine Herde. Und die Rinder schienen zu ihm herunterzustarren auf das leere Faß, das wie ein Hohn vor ihnen stand. Es wäre ohnehin nicht Wasser genug gewesen, die ganze Herde zu tränken. Aber die Tatsache, daß überhaupt ein großes Faß mit Wasser dastand, war für die Rinder beruhigend. Die Arizonas waren eine zähe abgehärtete Rasse, die genügsam war und nicht viel Wasser brauchte.

Lange Wochen war es dem Rancher gelungen, sie mit Wasser durchzubringen. Anfangs hatten sie Gräben vom Indian-Creek in die Weide gezogen. Aber als dann der kleine Fluß austrocknete, war auch das vorbei, und sie mußten Wasser von der Ranch heranschaffen. Eine ganze Zeitlang ging das gut. Aber dann wurde das Wasser auf der Ranch selbst knapp, und zu seinem größten Entsetzen hatte der Rancher in der vergangenen Woche feststellen müssen, daß das Faß auf der Weide ausgelaufen war. Eine Dalbe war herausgebrochen.

Ehe er sich auf den Heimweg gemacht hatte, hatte er sich gebückt, die zerbrochene Dalbe genauer betrachtet und festgestellt, daß sie nicht zerbrochen, sondern von einem Schuß zertrümmert worden war!

Und diesmal hatten sie das Faß angebohrt. Dieses Faß war sein letztes.

Die Dürre schuf ohnedies eine verzweifelte Lage. Und in dieser Situation gab es also noch Menschen, die rücksichtslos, brutal und teuflisch genug waren, den Rindern den letzten Tropfen Wasser zu entziehen.

Reglos dösten die Tiere in der Sonnenglut vor sich hin.

Mit brennenden Augen starrte der Mann zu ihnen hinüber. Dann schickte er den Blick noch einmal in die Runde zu den Hügeln hinauf und in die Savanne. Aber er machte sich nicht mehr die Mühe, wie er es früher getan hatte, nach Spuren zu suchen.

Bill Corner war viel zu müde dazu. Er hatte heute den Weg schon zu Fuß gemacht, um das Pferd nicht unnötig zu strapazieren, um nicht noch mehr Wasser zu verbrauchen. Und jetzt hatte er den gleichen Weg über drei Stunden zurück zur Ranch.

Sehr langsam ging er auf das Ufer zu, blickte noch einmal zur Herde hinüber und dachte: Wie lange werden die Tiere das durchhalten?

Wenn kein Wunder geschah, waren die Rinder verloren. Alle miteinander, sein ganzer Besitz!

Denn was stellte seine Ranch ohne die Herde dar? Ein paar Buden, ein paar Schuppen, ein Stall, ein Corral… eine wertlose Ansammlung alter Bretter.

Als der Rancher den Hof vor sich auftauchen sah, war es fast zwei Uhr. Er hatte für den Heimweg beinahe eine Stunde länger benötigt.

Vorn am Gatter des Corrals lehnte ein mittelgroßer Bursche mit struppigem Blondhaar, das ihm unterm Hutrand hervor über die Stirn fiel. Er hatte ein frisches, hartes braunes Gesicht und die gleichen hellen Augen wie der Alte.

Ben Corner war ebenso genügsam wie sein Vater. Er teilte das harte Leben hier draußen mit ihm und der alten Negerin Jessica, die vor vierundzwanzig Jahren zu den Corners gekommen war, als die Ranch doppelt so groß war wie heute, fünf Cowboys hatte und Rinder, wie sie heute in diesem Lande wahrscheinlich nur die Clanton-Ranch noch besaß.

Die Alte war der Familie treu geblieben, auch als Bens Mutter starb und ein Cowboy nach dem anderen den Hof verließ, weil einfach kein Geld mehr da war, die Männer auszuzahlen. Jessica war auch geblieben, als die Ranch so klein wurde, daß sie nur noch Vater und Sohn notdürftig ernährte. Geld bekam die treue Seele schon seit Jahren nicht mehr.

Bens Jugend war nicht sehr schön gewesen. Schon nach seiner Kindheit fing die Ranch an zu verfallen. Es war nicht die Schuld des Ranchers. Der alte Corner hatte alles getan, was man tun konnte, um seine Ranch weiter zu bringen. Nach den ersten blühenden Jahren aber war die Viehfarm der Corners mehr und mehr zusammengeschrumpft. Das lag nicht an der Sonne Arizonas, die vor einem Vierteljahrhundert genauso gebrannt hatte wie jetzt, und der Rancher hatte in seinen Anstrengungen niemals nachgelassen.

Der Untergang der Corner-Ranch hatte einen anderen Grund. Es gab Menschen in diesem Lande, die das Verderben der Corner-Ranch suchten!

Es hatte lange gedauert, bis William Corner das gemerkt hatte. Aber es war auch nicht ganz einfach, das festzustellen. Denn es waren nicht immer die gleichen Menschen, die zu seinem Unglück gewirkt hatten. Es lag kein Plan darin, es war nichts als Bosheit, und nur zufällig richtete sie sich immer wieder gegen Corner.

Vor siebzehn Jahren, als seine Frau gestorben war, hatte es angefangen. Damals waren zwei Cowboys auf seinem Hof gewesen, die ihn bestohlen hatten. Er hatte sie von der Ranch weisen müssen. Kurz darauf wurden ihm ganze Rudel Rinder von der Herde abgetrieben. Anfangs konnte es bei der Größe der Herde nicht auffallen, aber dann entdeckte er eines Tages die Spuren eines größeren Abtriebs. Aber die Herde war damals so groß, daß der Rancher schon etwas verschmerzen konnte.

Die Viehdiebstähle hörten dann auf, aber ein paar Jahr später hatte er großes Pech beim Verkauf einer Herde. Bei dem Trail nach Prescott verlor er unterwegs fast ein Drittel seiner Herde. Und als er dann zur Ranch zurückkam, waren ihm eine ganze Reihe Pferde gestohlen worden, die einen bedeutenden Teil seines Besitztums ausgemacht hatten.

Wieder war es eine ganze Weile still gewesen. Die Herde war nicht mehr das, was sie früher war. Und es schien so, als ob der Unstern über den Corner-Ranch verweilen wollte, denn wieder fiel er bei einem Verkauf herein. Diesmal hatte er das sichere Gefühl gehabt, daß auf der anderen Seite Absicht dahintergesteckt haben mußte.

Man hatte ihn ganz einfach betrügen wollen!

Danach waren auch die letzten Cowboys gegangen. Corner hatte so viel Arbeit, daß die gewaltige Last ihn fast erdrücken mußte. In diesen Jahren war der halbwüchsige Junge neben ihm und schaffte wie ein Mann. Aber der Rancher vermochte den ständigen Verfall nicht mehr aufzuhalten. All seine gigantischen Anstrengungen waren vergebens. Sein Geschick schien sich nicht ändern zu wollen.

Er war mittlerweile zu alt geworden, als daß er noch hätte riskieren können, das Land zu verlassen, um irgendwo anders neu zu beginnen, Außerdem wollte er mit weit mehr als einem halben Jahrhundert auf dem Buckel den Platz nicht mehr verlassen, wo er seine Frau unter die Erde hatte bringen müssen und wo er so viele Jahre geschuftet hatte wie ein Steinbruchsträfling.

Und wieder war ein halbes Jahrzehnt vergangen. Und wenn es vorübergehend einmal so ausgesehen hatte als ob es sich zum Besseren wenden würde, hatte sich das bald als Irrtum herausgestellt, denn es ging unaufhaltsam bergab.

Wie groß und stark die Corner-Ranch einmal gewesen war, ist daraus zu ersehen, daß fast zwei Jahrzehnte nötig waren, um sie soweit zu ruinieren, wie sie nun dastand.

Seit Jahren hatte der Rancher keinen Grund mehr gefunden, daran zu glauben, daß Menschen an seinem Geschick nagten. Er mußte vielmehr glauben, daß es sein ganz persönliches Unglück war, das ihn da immer wieder und immer wieder zurückwarf. Nun war es eben die Dürre, die ihn attackierte. -

Bis vor wenigen Tagen hatte er das geglaubt. Dann aber, als er die zerschossene Faßdalbe vor sich gesehen hatte, als er den blanken metallischen Schimmer im schwarzverbrannten Holz entdeckt hatte, da wußte er, daß es wieder Menschen waren, die seinen Untergang wollten.

Diesmal allerdings hatten sie ihn gefährlich getroffen. Die Herde war schon so klein, daß sie kaum noch die Existenz der drei Menschen auf dem großen Hof sicherstellte.

War es nicht grausam genug, daß der allzufrühe Sommer dieses Jahres seine Höllenglut schon im Mai entfacht hatte, daß das Land in der Junimitte wie ausgedörrt dalag, daß die Gräser, die für das Leben selbst des genügsamsten Rindes lebenswichtig waren, so gut wie verbrannt dalagen! Mußten da noch Menschen kommen, um der sterbenskranken Ranch den Todesstoß zu versetzen?

Was waren das für Kreaturen, die da auf die Weide hinausritten, um ein Wasserfaß zu zerschießen?

Es waren Verbrecher!

Der Rancher hatte seinen Sohn über seine Beobachtungen nicht informiert, weil er den Burschen nicht auch noch mit diesen Dingen beschweren wollte. Der junge Ben war, wenn er sich auch hart und eisern gab, doch sehr viel feinfühliger und empfindlicher als sein Vater. Der Alte wußte es genau und hatte sich immer danach gerichtet.

Aber jetzt gab es kein Verschleiern mehr, kein Beschönigen. Diesmal mußte der alte Mann in aller Offenheit mit seinem Erben sprechen.

Der Junge blickte ihm entgegen, stieß sich vom Gatter ab und schob sich den Hut weiter aus der Stirn.

»Da bist du ja, Vater. Ich habe dich schon drüben bei den Pferden und oben in der Scheune und wer weiß wo noch gesucht. Jess hat das Essen längst fertig. Die Bohnen müssen inzwischen verkohlt sein.«

Da sah der Bursche den schweren Staub auf den Stiefeln des Alten.

Ben hatte schon die ganze Zeit darüber nachgedacht, wieso der Vater vom Creek her kam, hatte geglaubt, daß er vielleicht nach dem Boot gesehen hätte, das unten irgendwo an den Steinen des Ufers lag. Aber als er jetzt die dicke Staubschicht auf den Stiefeln sah, wußte er, daß der Vater einer langen Marsch durch das leere Flußbett hinter sich haben mußte.

»Du warst doch nicht etwa oben an der Schleife des Indian, um wieder nach der alten Reuse zu suchen?«

Der Alte schüttelte den Kopf.

Ben, sonst ein sehr ernster Bursche, lachte nun den Vater an.

»Dad, du hast schon im Winter dauernd nach der elenden Reuse gefragt. Und vor zwei Monaten hast du sie noch einmal erwähnt. Sie ist nicht mehr da, du mußt es mir glauben, Dad.«

Der Alte stand jetzt vor dem Burschen, den er um halbe Haupteslänge überragte, legte ihm die Hände auf die Schultern und blickte ihm in die Augen.

»Hör zu, Ben, ich war weder am Boot noch an der Flußschleife. Ich war bei der Herde.«

Ben wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn, machte einen sinnlosen Versuch, die störrische blonde Strähne daraus wegzustreichen und blickte den Vater fragend an.

»Bei der Herde? Aber – wo hast du denn den Braunen?« Nach diesen Worten blickte sich der Bursche um und sah in den Corral, wo unter dem rissigen Wagendach der braune Wallach stand, das Pferd des Ranchers.

»Das Tier ist doch da!«

Der Alte nahm die Hände nicht von den Schultern des Jungen.

»Ich muß dir etwas sagen, Ben.«

Ganz plötzlich stieg ein sonderbares Angstgefühl in der Brust des Jungen hoch.

»Vielleicht sagst du mir es besser nach dem Essen, Dad?«

»Nein, ich muß es dir jetzt sagen.«

Und dann berichtete Bill Corner mit dürren Worten, was zu sagen war und was er so lange zurückgehalten hatte, um wenigstens das Gemüt des Burschen nicht auch mit dem zu beschweren, was ihn selbst schon seit langem belastete. Der kleine Ben hatte ohnehin wenig von seiner Jugend gehabt, genau genommen eigentlich gar nichts. Arbeit vom Kindesalter an, nichts als Arbeit. Der Junge wußte ja selbst, daß es ein Höllenleben auf der Ranch war, aber vielleicht war es ihm doch niemals so zum Bewußtsein gekommen, und so hatte sich der Alte nicht entschließen können, ihm die Augen zu öffnen.

Jetzt, als der achtzehnjährige Ben Corner auch wußte, was den Vater seit so langer Zeit quälte, spürte er es heiß in seiner Kehle aufsteigen.

»Dad, es tut mir leid«, brachte er nur mühsam über die Lippen.

Der Alte wandte sich schweigend ab, ging durch das Hoftor und hielt auf das Ranchhaus zu.

Der Bursche blickte der gebeugten Gestalt des Vaters nach. Zum erstenmal in seinem jungen Leben begriff er, was den Vater so niedergebeugt und so früh alt gemacht hatte. Und zum erstenmal auch stieg eine dunkle Ahnung in ihm auf, wie es um die wirkliche Härte und Bitternis dieses Lebens bestellt war.

Der Rancher stand in der Mitte des kleinen Küchenraumes und starrte durch das Fenster in den Hof.

Er sah, wie sein Junge zum Wagenplatz hinüberging und einen der Karren in die Hofmitte zog. Dann ging Ben zum Stall und holte den Grauen heraus, den er vor die Deichsel spannte. Als der Bursche dann zum Scheunenbau trottete, schob der Alte mit einem Ruck das Fenster hoch.

»Was hast du vor, Ben?«

»Ich bringe das alte Faß in die Stadt, Vater.«

»Das alte Faß –?«

»Ja.« Der Bursche ging weiter. Und nach einigen Minuten rollte er ein schweres altes Holzfaß auf den Hof, dem einige Bretter fehlten.

Der Alte ging hinaus und blieb vor ihm und dem Wagen stehen. »Das hat doch keinen Zweck, Ben, die Dalben sind teuer, und außerdem würde das Faß morgen abend doch wieder genauso aussehen wie die beiden andern.«

Da warf der Bursche den Kopf hoch. In seinen Augen sah der Rancher einen ungewöhnlichen Ernst.

»Ich muß es versuchen, Dad.«

Da wandte sich der Alte ab und nickte langsam.

»Ja, du mußt es versuchen.« Und dann packte er mit an und half Ben, das Faß auf den Wagen zu heben.

*

Mesquite lag weit. Ben erreichte die Stadt erst nach einigen Stunden.

Mesquite war ein staubiges Wüstennest, von dem selbst der Große Manitou wohl nicht mehr genau wußte, wo es lag.