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Heinz G. Konsalik

Öl-Connection

Roman

Edition Konsalik

Der Autor

autor
Heinz G. Konsalik

Heinz. G. Konsalik wurde 1921 in Köln geboren; Studium der Theater- und Zeitungswissenschaften und der Literaturgeschichte in Köln und München mit dem Ziel, Dramaturg zu werden. Wurde bei Ausbruch des 2. Weltkrieges eingezogen; nach der Entlassung aus amerikanischer Gefangenschaft war er zunächst Mitarbeiter im Feuilleton der Kölner Zeitung. Bald gehörte er zu jenen Autoren, die sich nach Kriegsende zum Ziel setzten, für die nachkommende Generation die Schrecken jedes Krieges eindringlich und realistisch zu schildern. 1956 wurde Konsalik mit dem Roman Der Arzt von Stalingrad, der heute als einer der Klassiker der Weltkrieg-II-Literatur gilt, nahezu über Nacht berühmt. Seitdem schrieb er einen Bestseller nach dem anderen – insgesamt 155. Am 2. Oktober 1999 erlag er in seinem Salzburger Domizil einem Schlaganfall. Er ist aber noch heute unbestritten der national und international meistgelesene deutschsprachige Schriftsteller der Nachkriegszeit; seine Werke erreichten bisher eine Gesamtauflage von rund 88 Millionen Exemplaren; sie wurden in 46 Sprachen übersetzt.

Yabido-Land

Die mit Maisstroh und Palmenblättern gedeckte Rundhütte lag am Rande des Dorfes, direkt neben einem Bananenfeld und den Wassergräben, die aus der einst trostlosen Savanne ein blühendes Paradies gemacht hatten. Der eigentliche Zauberer hieß Dr. Franz Frisenius, von seinen Freunden nur FF genannt, und Heßbach hörte in den Wochen, die er nun schon hier wohnte, immer nur von allen Eingeborenen, dass die Götter FF als Abgesandten auf die Erde geschickt haben.

Hatte Heßbach gefürchtet, sich fern der Zivilisation zu Tode zu langweilen, dann war das ein Irrtum. Koto Yabido tat alles, um seinen Gast zu beschäftigen: Zweimal in der Woche gab es ein Festmahl, tanzten die Männer ihre uralten Kriegstänze und die Frauen ihren Fruchtbarkeitstanz, und immer hatte Heßbach den Ehrenplatz neben Koto auf einem geschnitzten Stuhl. Zur persönlichen Bedienung des Gastes hatte Koto seine Lieblingstochter Saffa bestimmt. In immer neuen, bunten Wickelröcken sorgte sie für Heßbach, brachte ihm Früchte und Fruchtsäfte, das Mittag- und das Abendessen, und während er aß und trank, saß sie zu seinen Füßen und kam jedem seiner Handgriffe zuvor. Sie las die Wünsche von seinen Augen ab.

Es klang reizvoll, wenn sie ihn mit seinem Vornamen ansprach, denn sie hatte einen französischen Akzent und ein leichtes Gurren in der Stimme. Oft beobachtete Heßbach sie heimlich, wenn sie sein Mahl auf einem kleinen Holztisch ordnete, den Tonbecher mit Saft füllte, eine Wassermelone aufschnitt oder die Bananen schälte, kleine, ungemein wohlschmeckende Früchte, wie sie Heßbach noch nie gegessen hatte. Sie hatten einen wunderbar intensiven Geschmack. Ab und zu kam Saffa mit einer Eisenpfanne, entfachte vor der Hütte ein Holzfeuer und briet die Bananen in einer würzigen Soße aus Kräutern, deren Geheimnis nur die Eingeborenen kannten. Es war das Köstlichste, was Heßbach je gegessen hatte.

»Es schmeckt wunderbar, Saffa«, sagte er dann, und sie ließ sich wieder zu seinen Füßen nieder, sah ihn mit ihren großen schwarzen Augen an und liebkoste ihn mit ihren Blicken. An besonders heißen Tagen kam sie mit bloßem Oberkörper zu ihm, so, wie alle Yabidofrauen dann herumliefen.

Saffa kannte keine Scham. Sie war wunderschön mit ihren apfelgroßen, straffen Brüsten, den schmalen Schultern, über die ihre langen, gekrausten Haare fielen, und ihren Armen, die sich wie Schlangen bewegen konnten. In der Sonne schimmerte ihre Haut wie dunkle Bronze, und wenn sie sich bewegte, sah man das Spiel ihrer Muskeln unter der glatten Haut. Nur Koto war ein wenig traurig, dass sie so schlank war und nicht wie die anderen Yabidofrauen zu etwas Körperfülle neigte, denn eine rundliche Frau, so der Glaube der Yabidos, war fruchtbarer als eine dürre. Und Kinder, viele Kinder, bedeuteten Segen. Sie waren die Arbeitskräfte und die Ernährer der Familie in späteren Jahren. Hier, im einsamen Norden Togos, konnte man nur überleben, wenn sich der Stamm immer wieder erneuerte.

Saffa war eine auffallende Schönheit unter den Yabidofrauen. Hätte Koto ihre Mutter nicht als unberührtes vierzehnjähriges Mädchen zu sich genommen, müsste er sie verdächtigen, ihm die Frucht eines anderen Mannes untergeschoben zu haben.

»Sie ist einfach etwas Besonderes«, schmeichelte Koto sich selbst. »Die Götter haben es so gewollt. Wir können ihnen nicht widersprechen.«

Manchmal, wenn Heßbach im Schatten lag und las, legte sich Saffa quer zu seinen Füßen, schob die Arme unter ihren Nacken und sah Heßbach unverwandt an. Sie sprach kein Wort, nur ab und zu dehnte sie sich wie eine Katze in der Sonne, wölbte ihre nackten Brüste empor oder scharrte mit den Zehen im weichen Boden. Unwillkürlich unterbrach Heßbach dann seine Lektüre, und sein Blick glitt über ihren glänzenden Körper, von der hohen Stirn bis zu den schmalen Füßen. Oft war ihr bunter Wickelrock so zur Seite gerutscht, dass er ihre schlanken Beine sehen konnte.

»Was liest du da?«, fragte sie einmal. Ihre Stimme hatte wieder das aufreizende Gurren, aber das war nicht gewollt; die Stammessprache der Yabidos war mit Gurr- und Knacklauten durchsetzt, wie man sie auch in der Sprache der Xsosas in Südafrika findet.

»Ich lese einen Roman, Saffa«, antwortete Heßbach und legte das Buch in seinen Schoß.

»Was ist ein Roman, Lothar?«

»Wie soll ich dir das erklären. Es ist eine Geschichte, die ein Schriftsteller erfunden, eine Geschichte, die nicht wirklich geschehen ist, sondern die er sich ausgedacht hat. Wie ein langes Märchen.«

»Was ist ein Märchen, Lothar?«

»Das ist noch schwerer zu erklären. Es ist die älteste Art des Erzählens von den Schicksalen des Lebens. Vor allem Kinder lieben Märchen. Bei allen Völkern dieser Erde gibt es Märchen … auch bei euch.«

»Ich kenne kein Märchen, Lothar. Ich kenne nur die Geschichte vom Regengott …«

»Das ist ein Märchen, Saffa.«

»Und die Geschichte des weißen Leoparden.«

»Auch das ist ein Märchen.«

»Und die Geschichte von dem Mädchen, das an einer unerfüllten Liebe stirbt …«

»Auch das könnte ein Märchen sein … oder die Wahrheit.«

»Und das liest du jetzt? Wovon handelt das Märchen?«

Heßbach zögerte mit der Antwort, überdachte seine Worte und sagte dann: »Es ist die Geschichte einer schönen Frau, die jeden liebt, der ihr gefällt. Eine Frau, die nie satt wird von Liebe.«

Saffa schloss die Augen und räkelte sich wieder. »Ich kann sie mir vorstellen. In Wirklichkeit aber liebt sie nur einen Mann! Und dieser Mann sieht sie nicht … Das macht sie ganz traurig.«

»In diesem Roman ist das anders. Dort frisst sie die Männer.«

»Ich möchte auch einen Mann fressen …«

Heßbach blickte wieder über ihren geschmeidigen Körper. »Wie alt bist du, Saffa?«

»Das weiß ich nicht. Meine Mutter hat mir nur erzählt, dass bei meiner Geburt die Löwen brüllten und die Männer mit ihren Speeren hinausgingen in den Busch, um sie zu verjagen oder zu töten. Kann es sein, dass ich so lange Haare bekommen habe, weil die Löwen brüllten!«

»Nein. Das ist ausgeschlossen.«

»Die alten Frauen sagen es.«

»Kümmere dich nicht darum. Du hast wundervolle Haare. Wie gesponnene Seide.«

»Was ist Seide, Lothar?«

Sie ist wie ein Kind, dachte er. Würde Saffa je verstehen, dass es Raupen gibt, die glänzende Fäden spinnen, die man Seide nennt? Er ging deshalb auf ihre Frage nicht mehr ein und nahm wieder sein Buch zur Hand.

Saffa schwieg, aber sie rückte näher, hob ihren schmalen Kopf und legte ihn in Heßbachs Schoß, dort, wo das Buch gelegen hatte. Er ließ es geschehen, und ein wunderbares Gefühl verbreitete sich in seinem Körper, legte sich auf seinen Atem und wie eine drückende Hand auf sein Herz. Er spürte, wie es schneller schlug und ein betäubendes Verlangen durch seine Glieder trieb.

Heßbach, sei kein Narr, sagte er zu sich. Du hast deine Braut Luise, sie wartet auf dich, sie macht sich Sorgen um dich. Zweimal hatte er ihr bisher geschrieben und die Briefe den Ärzten mitgegeben, die ab und an die Yabidos besuchten. »Mir geht es gut!«, hatte er geschrieben. »Es fehlt mir an nichts … nur du fehlst mir! Aber hier bin ich sicher, hier findet mich keiner. Luise, ich liebe Dich! Und wenn ich wieder daheim bin, werden wir sofort heiraten. Das verspreche ich Dir. Ich küsse Dich …«

Saffa bewegte ihren Kopf und sah zu ihm hinauf. »Lies mir aus dem Buch vor, Lothar«, sagte sie. Heßbach schüttelte den Kopf.

»Nein, Saffa.«

»Warum nicht.«

»Es ist schwer ins Französische zu übersetzen«, log er.

»Welche Sprache ist es?«

»Deutsch.«

»Ist Deutsch deine Sprache?«

»Ja.«

»Ich möchte auch Deutsch lernen.«

»Es ist eine schwere Sprache.«

»Nichts ist zu schwer für mich.« Ihre Augen funkelten in der Sonne. Das lange Haar lag wie ein Schleier über ihren Brüsten, nur die Spitzen traten dazwischen hervor.

Heßbach hatte plötzlich einen Kloß im Hals, den er nicht hinunterschlucken konnte. Sein Herz schlug unerträglich. Du bist verrückt, sagte er wieder zu sich. Heßbach, sei stark! Es hat doch keinen Sinn, es führt nur zu Komplikationen, der alte Koto wird dich umbringen. Heßbach, reiß dich zusammen. Gleichzeitig aber tastete sein Blick ihren halb entblößten Körper ab, blieb zwischendurch hängen und vernebelte seine Vernunft. Er beugte sich vor, legte die Hände über ihre Brüste, und als sie den Kopf anhob, küsste er sie, und ihre Lippen öffneten sich, und dann schlangen sich ihre Arme um seinen Hals und drückten ihn zu ihr hinunter.

Es war ein langer, von Seligkeit durchströmter Kuss. Aber dann riss sich Heßbach aus ihren Armen los und stieß ihren Kopf fast brutal von sich weg. Sie ließ sich neben ihn auf den Boden fallen und bedeckte ihr Gesicht mit ihren langen schwarzen Haaren.

Ohne ein Wort sprang Heßbach auf, ging durch das Dorf zu seiner Hütte und warf sich auf sein Lager, über das man eine Decke aus Affenfellen gebreitet hatte. Die Matratze war eine Leihgabe des Hospitals, aber dort wusste man bereits jetzt, dass Koto Yabido das seltene Stück nach Heßbachs Abreise behalten würde. Es unterstrich sein Ansehen als Herrscher.

Am Abend – wieder bediente Saffa stumm ihren Vater und den Gast – fragte Heßbach den Herrscher:

»Wie alt ist deine Tochter Saffa?«

»Sie ist neunzehn geworden, mein Freund.«

»Neunzehn? Und sie hat noch keinen Mann, Herrscher?«

»Nein!«, antwortete Koto kurz.

»Warum? Eure Mädchen heiraten doch spätestens mit fünfzehn Jahren. Hat Saffa noch keinen Mann gefunden?«

»Ich habe noch keinen für sie gefunden, mein Freund.« Koto Yabido warf einen forschenden Blick auf Heßbach. »Ich gebe meine Tochter nicht her, nicht jedem, es muss ein Herrscher kommen, der mir ebenbürtig ist. Oder der Sohn eines solchen Herrschers. Aber mir ist noch keiner begegnet, dem ich Saffa geben würde.«

»Und wenn sie sich trotzdem verliebt?«

»Dann muss derjenige beweisen, dass er ein großer Krieger ist. Er muss einen Stier mit der Lanze töten, eine Hyäne müde hetzen und eine giftige Schlange mit den Händen erwürgen.«

»Danke.« Heßbach verzog das Gesicht zu einem schwachen Lächeln. »Solche Männer sind sehr selten.«

»Auch meine Tochter Saffa ist selten. Die Götter haben sie auserwählt. Als die Löwen brüllten, wurde sie geboren, und von den Löwen hat sie ihre Mähne. Sie kann auch nur einem Mann gehören, der stark ist wie ein Löwe.«

Heßbach nickte. War das eine diplomatische Warnung für ihn! Hatte Koto erkannt, wie es um Saffas Herz stand? Während des Essens kniete sie wie immer hinter Heßbachs Rücken, bereit, ihm sofort jeden Wunsch zu erfüllen. Er spürte ihren Blick in seinem Nacken, und es war wie ein heimlicher Kuss, der tief in seine Haut drang.

Es wurde spät an diesem Abend. Die Frauen führten noch einen Tanz um ein großes, loderndes Feuer herum vor, und die Männer stürzten mit wildem Geschrei mit ihren Speeren aufeinander los und mimten einen tödlichen Kampf, bei dem der Gegner mit einem Speer durchbohrt werden musste.

Heßbach verabschiedete sich von Koto mit einer ehrfürchtigen Verbeugung und ging dann zurück zu seiner Hütte am Rande des Dorfes. Er zog sich aus, wusch sich in einer Tonschüssel und legte sich unbekleidet auf die Affenfelldecke. Es war eine schwüle Nacht, an Schlaf war nicht zu denken, und so lag er in der Dunkelheit, roch den Rauch des großen Feuers und ließ seinen Gedanken freien Lauf. Morgen oder übermorgen besuche ich das Hospital, dachte er. Die deutschen Ärzte freuten sich immer, wenn er zu Besuch kam; dann tranken sie Bier oder Wein, erzählten aus ihrem Leben, und Heßbach berichtete über die skrupellosen Machenschaften der Öl-Connection und seinen Kampf gegen die Trägheit der Masse und der Politiker.

»Es ist kaum zu glauben, was du da erzählst«, hatte Dr. Leopold Hayda nach einem solchen Gespräch gesagt. Er war der Chirurg des Hospitals von Dapaong und wollte nie mehr in einem deutschen Krankenhaus arbeiten, wo er vielleicht als Oberarzt die Launen seines Chefarztes ertragen musste.

Übermorgen reite ich nach Dapaong, nahm sich Heßbach vor. Und ich werde ein paar Tage dort bleiben, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Ein Rascheln am Eingang der Hütte ließ ihn hochschrecken. Er wollte etwas sagen, aber da spürte er schon einen warmen, nackten, glatten Körper neben sich und eine Hand, die über seinen Unterleib streichelte. Und dann lag sie auf ihm, und ein Mund mit offenen, feuchten Lippen küsste ihn, und eine leise, gurrende Stimme flüsterte an seinem Ohr: »Lothar, jag mich weg, schlage mich, ruf meinen Vater … Ich muss bei dir sein.«

»Saffa! Ich habe zu Hause eine Braut …« Heßbach spürte, wie sein Widerstand unter der Wärme ihres Körpers dahinschmolz. Er wollte sie wegschieben, aber seine Arme gehorchten nicht mehr seinem Willen. Statt sie zurückzustoßen, umarmte er sie, und als er ihre Brüste spürte und ihr Leib sich mit zitternden Schlangenbewegungen auf ihm bewegte, drückte er sie fest an sich, rollte sie auf den Rücken und vergaß, dass er Lothar Heßbach hieß. Er war nur noch Gefühl und Drang nach Erfüllung.

Ihr Seufzen füllte die Stille der Nacht, und es war ein Gesang, der aus dem Himmel tönte. Die Weite des Firmaments öffnete sich, und es regnete Sterne auf ihre zuckenden, ineinander verschlungenen Körper.

Fast drei Monate war Gerard Armand nun in Togo, ohne eine konkrete Spur von Heßbach aufgenommen zu haben. Nicht, dass er darüber verzweifelt gewesen wäre. Nur ärgerte es ihn maßlos, dass alle, die wissen konnten, wo sich Heßbach versteckt hielt, eine Mauer des Schweigens aufgebaut hatten.

Als er in Dapaong ankam und aus der klapprigen Maschine stieg, war er zunächst froh, diesen Flug überstanden zu haben. Der Pilot, ein stämmiger Franzose, war sogar beleidigt, als Armand nach der Landung zu ihm sagte:

»Sie sind ein Sadist, Monsieur. Ich würde von meiner Großmutter nicht verlangen, dass sie noch am Reck turnt und mit einem doppelten Salto abgeht. Und Ihr Flugzeug ist sogar ein Urgroßmütterchen.«

»Wenn Sie wieder zurück nach Lomé wollen, und ich fliege zufällig die Maschine, werfe ich Sie raus!«, antwortete der Pilot mit aller Grobheit. »Sie können zu Fuß gehen und sich mit Ihrer großen Schnauze Luft zufächeln.«

Armand verzichtete auf eine Antwort, verließ das schäbige Flughafengebäude und fand vor dem Ausgang ein Taxi. Ein schwarzer Fahrer sah ihm grinsend entgegen, stufte ihn als reichen Herrn ein und riss die Tür seines Autos auf.

»Wohin, Monsieur?«, rief er mit devoter Stimme. »Ich bringe Sie überall hin.«

Armand verzog sein Gesicht. Auch das Auto war ein Klapperkasten, die Polsterung der Sitze zerschlissen, die Motorhaube war mit Schnüren gesichert. Das Armaturenbrett bestand aus einem Gewirr von freiliegenden Drähten und Kabeln, zwischen denen nur noch eine Uhr erhalten geblieben war. Es gab keinen Tachometer mehr, keine Benzinstandsanzeige oder Thermometer. Die Geschwindigkeit wurde einfach geschätzt.

»Ich habe nicht vor, in Dapaong begraben zu werden«, sagte Armand zu dem Taxifahrer. »Ich gehe lieber zu Fuß.«

»Wohin, Monsieur?«

»Zum Hospital.«

»Wenn Sie dort ankommen, werden Sie ein Bett nötig haben.« Der Fahrer grinste breit. »Besser ist, mit mir zu fahren.«

»Dann brauche ich einen Grabstein.«

»Sie sehen mutig aus, Monsieur! Versuchen wir es?«

»Es bleibt mir nichts anderes übrig.« Armand stieg in das Taxi, versank im Polster, weil auch die Federn des Sitzes gebrochen waren, und zog die Tür zu. Der Motor krachte beim Anfahren, ebenso wie die Kupplung. Der Wagen fuhr mit dem Gekeuche eines gequälten Büffels.

Die Fahrt dauerte keine zwei Minuten. Zwei Straßen, zwei Ecken, quer durch die Kurve, und schon waren sie da. Das Schild »Hôpital« leuchtete in der glühenden Sonne. Armand blieb sitzen und drückte seinen »Koffer« auf die Knie.

»Wenn du Gauner glaubst, ich zahle dir auch nur einen Sou, dann kannst du dich als Heiliger melden! Das hätte ich auch zu Fuß geschafft.« Er griff an die Tür, aber dort fehlte die Klinke. Der Taxifahrer drehte sich mit einem breiten Lächeln zu ihm um.

»Da kommt keiner raus, wenn ich nicht will. Kann man nur von außen öffnen. Innen kaputt.«

»Ich trete die Tür ein!«, sagte Armand mit unheimlicher Ruhe. »Nicht, Monsieur. Polizei ist ganz in der Nähe, und Polizei von Togo ist streng und hart. Vor allem gegen Weiße und vor allem hier im Norden. Regierung ist weit weg. Es ist teurer, Polizei zu bezahlen, als mich zu bezahlen.«

»Wie viel?«, fragte Armand.

»Dollar oder Francs?«

»Dollar.«

»Zehn Dollar.«

Armand blieb sitzen. Jetzt ging es nicht mehr um den Preis, sondern ums Prinzip: Einen Armand betrügt man nicht.

»Ich habe Zeit«, sagte er nur.

»Ich auch.« Der Taxifahrer lehnte sich gemütlich zurück. »Jede Minute ein Dollar, Monsieur. Von mir aus kann es Abend werden. Sie kommen aus meinem Auto nicht heraus.«

»Wie heißt du?«

»Njumeme Nawale.«

»Ich bezahle … aber wir sprechen uns wieder.«

»Ich fahre Monsieur gern wieder, wohin er auch will.«

Dazu wirst du später keine Gelegenheit mehr haben, dachte Armand verbittert. Wenn ich meinen Auftrag erfüllt habe, fährst du in die Hölle. Das verspreche ich dir, Njumeme.

Er zahlte die zehn Dollar, ließ sich von dem Schwarzen von außen die Tür öffnen und ging hinüber zum Hospital. Am Eingang stieß er auf einen Krankenpfleger, ebenfalls ein Eingeborener. Er trug weiße Leinenhosen und einen weißen Kittel.

»Wohin, Monsieur?«, fragte er.

»Zu Ihrem Chefarzt.«

»Zu Dr. Hayda?«

»Ich weiß nicht, wie er heißt. Wo finde ich ihn?«

»Nirgendwo. Jetzt keine Sprechstunde.«

»Und wenn ich ein Notfall bin? Akuter Tripper?«

»Akuter Tripper hat auch Zeit bis 3 Uhr nachmittags.«

Armand wollte nicht wieder einen neuen Streit anfangen, nickte und verließ das Hospital. Er suchte sich ein Café, erkundigte sich nach einem Hotel, trank einen eiskalten Pernod und ließ sich dann von einem anderen Taxi zum Hotel fahren. Diesmal bezahlte er für zehn Minuten Fahrt nur fünf Dollar. Das Hotel unter französischer Führung war sauber, hatte selbstverständlich eine Bar und nannte sich schlicht Hotel Dapaong. In seinem erstaunlich großen Zimmer duschte sich Armand, wechselte das Hemd und verkürzte sich die Wartezeit mit der lokalen Zeitung. Sie brachte in großer Aufmachung einen Bericht über den Ritualmord an dem deutschen Wissenschaftler Dr. Frisenius. Die Razzia zur Aushebung einer verdächtigen Rebellenorganisation hatte drei Tote gefordert, weil die Polizei aus Misstrauen voreilig zu den Waffen gegriffen hatte.

Armand las den Bericht mit Vergnügen. Ein Ritualmord, also war jeder andere Verdacht von vornherein ausgeschlossen. Er hatte einmal mehr ein Meisterstück geliefert und war stolz auf sich.

Dr. Hayda empfing Armand mit deutlicher Zurückhaltung. »Sie haben einen Tripper?«, fragte er. »Mein Pfleger hat Sie schon bei mir angemeldet. Aber da sind Sie falsch. Ich bin Chirurg. Wenn Sie allerdings wünschen, dass ich Ihnen das Hähnchen abschneide, können wir einen Termin vereinbaren.«

»Bei Gott, nein, Doktor.« Armand lachte amüsiert. »Der wird noch gebraucht und hat viel Lob einstecken müssen. Zu Recht, möchte ich sagen. Außerdem habe ich gar keinen Tripper.«

»Was wünschen Sie sonst von mir?«

»Eigentlich nichts. Ich wollte mich Ihnen nur vorstellen. Ich werde einige Zeit in Dapaong wohnen, im Hotel Dapaong. Da habe mir gedacht, es wäre doch eine Abwechslung auch für die deutschen Ärzte hier, wenn ein neuer Weißer in dieser Wildnis auftaucht.«

»Sie werden hier bei uns arbeiten?«

»Ich bin Einkäufer für eine französische Baumwollspinnerei. Ich suche Verbindungen zu den großen Baumwoll-Produzenten.«

»Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg.« Dr. Hayda blickte demonstrativ auf seine Schreibtischuhr. Ein deutlicher Hinweis: Das Gespräch ist beendet. »Ich habe noch einige Patienten zu untersuchen.«

Armand verstand, verabschiedete sich höflich und verließ das Hospital. Du hochnäsiger deutscher Affe!, dachte er dabei. Aber wir sprechen uns noch. Wenn du weißt, wo Heßbach sich versteckt hält, dann erfahre ich das bald. Er war hier im Krankenhaus, das hat der bedauernswerte Frisenius gestanden. Und von hier ist er weitergereicht worden an einen geheimen Ort. Mein lieber Chefarzt, für einen Armand gibt es keine Geheimnisse.

Aber diesmal schien er sich zu irren. Die deutschen Ärzte hatten kein Interesse an einem Gerard Armand; viermal rief er in der Klinik an, und viermal waren die Doktoren verhindert.

Geduld, Gerard, hämmerte er sich ein. Nur Geduld. Heßbach ist hier in der Nähe, das spüre ich. Und einmal wird er die Ärzte besuchen, und dann habe ich ihn! Mach dich nicht verdächtig durch zu viele Fragen, warte ab. Du hast auch bei Frisenius gewartet, und plötzlich läuft er dir über den Weg mit seiner rotgepunkteten gelben Krawatte. Ungeduld ist die Mutter des Misserfolges … genieß das Leben in diesem heißen Kaff Dapaong. Auch Heßbach wird dir einmal über den Weg laufen. Deutsche besuchen sich gern untereinander, warum soll das in Dapaong anders sein? Gerade in der Fremde ist das Zusammengehörigkeitsgefühl besonders stark.

Armand besuchte alle Bars der Stadt, aber selbst die schönsten Mädchen konnten ihn nicht reizen. Er hatte Angst, sich anzustecken, und diese Angst war stärker als sein Trieb. Bei den Frauen der wenigen Weißen rechnete er sich wenig Chancen aus. So saß er gelangweilt herum, trank mehr, als er vertrug, schwankte nachts in sein Bett und wachte morgens missmutig auf.

Ein paarmal versuchte er, im Krankenhaus das Personal auszuhorchen, zwei schwarze Krankenpfleger, drei weiße Schwestern, aber überall stieß er auf eine Wand des Schweigens. Selbst von den Eingeborenen, denen er fünfzig Dollar für einen Hinweis versprach, war nichts zu erfahren. Fünfzig Dollar war für einen armen Togolesen eine ungeheure Summe. Und als Armand seine Belohnung auf hundert Dollar erhöhte, gelang es einem Togolesen, eine winzige Spur zu entdecken. Der Mann war Angestellter einer Apotheke und konnte sich erinnern, dass zwei in Dapaong unbekannte Weiße zu ihm gekommen waren und alle Präparate, die Vitamine enthielten, aufgekauft hatten. Fürwahr ein Grund, sich die Kunden zu merken, denn wer räumt schon ein ganzes Regal einer Apotheke leer?

»Sie kamen mit einem Jeep«, sagte der Apothekenangestellte. »Mit einem Jeep des Hospitals …«

Also doch, dachte Armand grimmig. Die Ärzte wissen genau, wo sich Heßbach versteckt. Aber die spielen die Ahnungslosen und behandeln mich wie einen Landstreicher. Er dachte einen Augenblick an Dr. Frisenius, der auch zu schweigen versucht hatte, aber er sah ein, dass sich ein solches Vorgehen im Hospital von Dapaong von selbst verbot. Immer liefen irgendwelche Schwestern oder Krankenpfleger herum; außerdem war der Wohntrakt sehr gut abgeriegelt und nachts sogar bewacht.

Noch einmal versuchte Armand, an die Ärzte heranzukommen. Er lud zu einem Diner ins Hotel ein, aber die Ärzte lehnten höflich ab. Arbeitsüberlastung. Armand stieß eine Reihe unanständiger Flüche aus und suchte weiter nach irgendeiner hilfreichen Spur.

Armand studierte die Karte von Togo, insbesondere der Provinz Dapaong. Es gab viele einsame Ecken, stellte er fest. Wenn man sie alle abfahren wollte, würde man verrückt werden. Die in den Karten eingezeichneten Savannengebiete waren so groß, dass eine Suche auf gut Glück völlig sinnlos war. Wer außer den Ärzten wusste noch, wohin man Heßbach gebracht hatte?

Und wieder sollte ein Zufall Armand auf die Sprünge helfen. Bei einem seiner Spaziergänge durch die Stadt entdeckte er eine Autowerkstatt, an deren Eingang ein Schild verkündete: Leihwagen aller Art. Gut gepflegt und preiswert.

Im Hof der Werkstatt stand ein Jeep mit einem großen Roten Kreuz auf der Motorhaube. Der Wagen des Hospitals! Armands Gefühl sagte ihm sofort, dass hier eine Spur sein könnte. Das Glück hatte ihn also nicht verlassen.

Er betrat die Autowerkstatt und traf auf einen Griechen, der ihm sofort entgegeneilte. »Sie wünschen einen Wagen, Monsieur?« erkundigte er sich auf französisch. »Für einen Ausflug oder länger?«

»Ich suche einen Jeep.« Armand folgte dem Griechen in das Autolager. Hier standen in Reih und Glied sechs Fahrzeuge, darunter auch zwei säuberlich geputzte Jeeps aus französischen Armeebeständen. Armand zeigte auf einen der Wagen und sagte:

»Das ist der richtige.«

»Für länger, Monsieur?«

»Kann ich nicht genau sagen. Für eine Woche bestimmt. Ich suche einen Freund, der seit ungefähr drei Monaten in der Savanne lebt. Ich weiß nur, dass er hier in der Gegend ist, mehr nicht. Vielleicht können Sie mir helfen? Er soll mit dem Jeep des Hospitals weggefahren sein.«

»Das müsste ich wissen.« Der Grieche schüttelte den Kopf. »Das Auto des Hospitals wird nur von den Ärzten benutzt und von mir gepflegt. Wenn sie ihn brauchen, holen sie ihn bei mir ab. Ein Fremder war nie hier.«

»Zwei Fremde. Sie haben in der Apotheke eingekauft … daher weiß ich es!«

»Zwei? Das stimmt.« Der Grieche nickte. Armand, der gerade die Tür des einen Jeeps geöffnet hatte, fuhr herum.

»Was stimmt?«, rief er.

»Zwei Fremde waren bei mir, aber mit einem eigenen Geländewagen. Ich musste einen kleinen Schaden an der Lichtmaschine reparieren. Dann fuhren sie weiter.«

»Wohin?«

»Das weiß ich nicht. Danach fragt man doch nicht.« Der Grieche erinnerte sich genau. »Es waren zwei Deutsche. Sie sprachen deutsch miteinander. Ich kann einige Worte Deutsch, war vier Jahre als Gastarbeiter bei Opel. Sie unterhielten sich sehr leise, aber ich habe einige Worte hören können. Das Wort Fortenius …«

»Frisenius …«

»Genau. Das war es!«

Ich habe sie, durchfuhr es Armand. Es war ein Stich in seiner Brust. Ich habe ihre Spur. Ich halte das Ende eines Fadens in der Hand, ich brauche ihn nur noch aufzuspulen.

»Und weiter?«, fragte er atemlos.

»Nur ein paar Worte, mit denen ich nichts anfangen konnte.« Der Grieche blickte an die Decke, wie es viele tun, die sich konzentriert erinnern wollen. »Eines davon war Yabido …«

»Yabido? Das kann ein Name sein, ein Ort, ein Gegenstand …«

»Ich weiß es nicht.« Der Grieche zuckte wieder mit der Schulter. »Ich habe das Wort noch nie gehört.«

Armand belohnte diesen wichtigen Hinweis, indem er einen Jeep für zwei Wochen mietete. Der Grieche strahlte vor Freude, weil der feine Herr mit den begehrten Dollar bezahlte.

Er nahm die Papiere entgegen und fuhr mit dem Jeep zurück zur Apotheke. Der farbige Angestellte freute sich. Er erinnerte sich an Armand und hoffte auf die nächsten fünfzig Dollar.

»Monsieur!«, rief er, als Armand das Geschäft betrat. »Ich hatte noch etwas vergessen. Die Männer, die die Vitamine kauften, waren Deutsche! Ich habe die Sprache bei den Ärzten gehört. Sie sind ja auch Deutsche.«

»Das weiß ich.« Armand erkannte die Enttäuschung im Gesicht des Apothekers und legte zwanzig Dollar auf die Theke. Als der Farbige zugreifen wollte, verdeckte Armand sie mit seiner Hand. »Nur noch eine Frage.«

»Wenn ich sie beantworten kann, immer, Monsieur.«

»Wer oder was ist Yabido?«

»Yabido?« Der Apotheker grinste breit. »Den kennt hier jeder. Koto Yabido ist der Häuptling des Yabidostammes.«

Na also! Armand atmete tief durch. Das Ziel ist erreicht! Lothar Heßbach, jetzt habe ich dich! Und jetzt werde ich dich nie wieder verlieren. Aus der Wildnis von Togo kannst du nicht einfach verschwinden.

»Der Stamm der Yabidos. Das ist interessant. Wissen Sie, wo er seine Dörfer hat?«

»Mitten in der Savanne. So genau weiß das keiner. Aber es muss östlich von Nafare sein. Häuptling Koto kommt öfter nach Dapaong. Er ist dann Gast im Hospital.«

Es passt alles zusammen, dachte Armand zufrieden. Hospital, Heßbach, Koto Yabido, Savanne … ein Versteck, wo niemand Heßbach suchen wird. Aber ich habe ihn! Ich werde beweisen, dass ich noch der alte Armand bin, der Mann, der jeden Auftrag erfüllen kann. Ich gehöre noch nicht zum alten Eisen!

Er nahm die Hand von den Scheinen weg, und der Apotheker griff hastig danach. Siebzig Dollar für ein paar Fragen, dachte er. Das ist ein gutes Geschäft.

In Hochstimmung, wie selten, verließ Armand die Apotheke. In einem Supermarkt – wo gibt es heute keinen Supermarkt, sogar im Norden Togos – kaufte er für den Trip ein. Dosen mit Fertiggerichten, zwei Kartons Mineralwasser, eine Flasche Whisky, zwei Flaschen Pernod, Zwieback, Hartwurst, zwei Töpfe und eine Pfanne, einen Propangaskocher mit zwei Flaschen Gas, ein Einmannzelt mit Schaumgummimatratze, eine dünne Decke, Sprays gegen Moskitos, einen Wasserfilter, für alle Fälle, eine kleine Flasche Öl, Salz und Pfeffer, Muskatnuss gemahlen und Chilipulver (auch in der Wildnis wollte Armand nicht ganz auf Esskultur verzichten) sowie Hammer, Nägel und ein kleines Beil, um damit Brennholz im Busch zu schlagen. Ein Feuer war nötig, um wilde Tiere nachts von seinem Zelt fernzuhalten.

Er trug alles in seinen Jeep, und so ausgerüstet war er bereit, Heßbach bei den Yabidos zu suchen. Armand rechnete jetzt nur noch mit zwei Wochen, bis er ihn gefunden und seinen Auftrag ausgeführt haben würde.

Am frühen Morgen fuhr er ab. Der Hotelier hatte ihm eine Spezialkarte der Gebiete zwischen den Flüssen Bamoan und Sansargou besorgt und bestätigt, dass dies der Siedlungsraum der Yabidos sei. Wo genau die Dörfer lagen, konnte er allerdings auch nicht sagen. Vor allem das »Regierungsdorf« des Häuptlings Koto war ein Staatsgeheimnis von Koto.

Die Straße von Dapaong bis Nafare war einigermaßen gut ausgebaut. Trotzdem brauchte Armand für die Strecke von ungefähr 40 Kilometern mehr als eine Stunde, legte in Nafare eine Pause ein, trank einen Pernod mit Mineralwasser, kaute einen Zwieback und fragte ein paar Eingeborene nach den Yabidos.

Was er nicht erwartet hatte: Überall stieß er auf Misstrauen, und statt Antwort auf seine Fragen schlug ihm Schweigen entgegen. Auch aus dem Bürgermeister des Ortes, an den man ihn verwies, war nichts herauszubekommen.

»Darüber geben wir einem Weißen keine Auskunft«, sagte er nur.

»Und warum nicht?«, fragte Armand neugierig. Das war genau der falsche Ton … ein stolzer Togolese lässt sich von einem Weißen nicht in die Enge treiben. Der Bürgermeister wurde sichtbar unwillig.

»Sind Sie von der Regierung? Ihren Ausweis bitte.«

»Ich bin Privatmann! Ethnologe. Ich erforsche alte Volksstämme.«

»Haben Sie eine Erlaubnis von der Regierung?«

»Ich wusste nicht, dass Forschungen von der Regierung kontrolliert werden.«

Der Mann fand diese Antwort mit Recht empörend. Er wurde noch verschlossener und sagte kurz angebunden:

»Besser, Sie kehren um nach Dapaong, Monsieur. Hier ist nichts zu erforschen. Und außerdem ist das Gebiet der Yabidos gefährlich.«

»Gefährlich? Wieso?«

»Die Yabidos dulden keine Fremden in ihrem Land. Schon gar keine Weißen.«

Da sieht man, wie du lügen kannst, dachte Armand wütend. Heßbach ist bei ihnen – ist er kein Weißer? Und Dr. Frisenius, was ist mit ihm? Aber was soll die Fragerei? Wenn man mir nicht helfen will, helfe ich mir selbst. Ich finde dich, Lothar Heßbach! Und die Yabidos? Ich habe Whisky bei mir, das überzeugt jeden Häuptling von meiner Freundschaft. Warum soll es in Togo anders sein? Eine Flasche Alkohol verbindet immer.

Er verabschiedete sich von dem sturen Bürgermeister und sagte: »Ich werde Ihren Rat überdenken, Monsieur. Vielleicht kehre ich nach Dapaong zurück.«

»Das wäre sicher das Beste. Gute Fahrt.«

»Danke, Monsieur.«

Armand stieg wieder in seinen Jeep, aber anstatt zurückzufahren – woran er nie gedacht hatte –, fuhr er über eine schmale, gewalzte Piste in die Savanne. Nach wenigen Kilometern aber hörte auch dieser Weg auf, und Armand befand sich in offenem Buschgelände. In der Ferne sah er einige Hügel und einen runden Berg mit bewachsener Kuppe. Dort mündete der Bamoan-Fluss in den Sansargou … Es war das Gebiet von Kotos »Regierungsdorf«.

Als Armand weiterfuhr, vernahm er plötzlich das dumpfe Dröhnen von Baumtrommeln.

Man hat mich gesehen, dachte Armand und hielt kurz an. Er blickte sich um, konnte aber nirgendwo jemanden entdecken, nur das Trommeln umgab ihn und die Einsamkeit der Savanne.

Armand holte seine Maschinenpistole aus dem Trompetenkoffer, setzte sie zusammen, steckte das volle Magazin hinein und lud durch. Die MP war nun feuerbereit … jede Überraschung würde mit einem Feuerstoß beantwortet werden. Langsam fuhr er weiter, immer wieder nach allen Seiten sichernd wie ein Raubtier, das eine Beute anvisiert. Menschen sah er nicht, dafür eine Herde von Hyänen, die zusammengedrängt auf einem flachen Hügel stand und zu ihm hinüberblickte, als erwarte sie ihn als Opfer. Gefahr bedeuteten sie nicht – eine Hyäne greift nie an, sie ist Aasfresser, und ihr einziger Konkurrent im Kampf um verwesendes Fleisch war der Geier.

»Zieht weiter!«, schrie Armand dem Hyänenrudel zu. »Wartet nicht auf mich! Ich werde Togo lebend verlassen!«

Vorsichtig tastete er sich weiter hinein in die Savanne, immer begleitet vom Dröhnen der Baumtrommeln, deren dumpfer Klang sich ab und an änderte. Offensichtlich wurde die Nachricht von Mann zu Mann weitergegeben, ohne dass Armand einen der Yabidos sehen konnte. Kotos Wachsystem funktionierte vorzüglich. Armands Kommen war bereits im Dorf bekannt, als er noch zehn Kilometer entfernt war. Dort versammelten sich die Krieger, bewaffnet mit Speeren, Pfeil und Bogen. Nur Koto und sein ältester Sohn besaßen ein Gewehr. Koto achtete peinlich darauf, dass sonst keiner eine Feuerwaffe besaß – es war der beste Schutz gegen eine interne Revolution, wie er sie bei anderen Stämmen erlebt hatte, meist Machtkämpfe zwischen den Söhnen eines Häuptlings, und es hatte immer zahlreiche Tote gegeben, bis der Sieger feststand. Bei den Yabidos konnte das nicht passieren: Der älteste Sohn würde Koto beerben.

Von dem Fremden, der sich dem Dorfe näherte, erfuhr Heßbach nichts. Er sah wohl, wie bewaffnete Männer sich sammelten, dachte aber, dass sie auf Großwildjagd gingen. Auch wenn sich ein Leopard oder gar Löwe dem Dorf näherte, dröhnten die Trommeln. Nur wusste er nicht die Rhythmen zu unterscheiden. Koto hatte angeordnet, seinem Freund nichts von dem unbekannten Weißen in der Savanne zu erzählen, um ihn nicht zu beunruhigen. Er wollte die Gefahr auf seine Weise erledigen und den Fremden aus seinem Gebiet vertreiben. Nicht töten, nein, das hatte er nicht im Sinn. Die Tötung eines Weißen zog immer harte Strafen durch die Regierungssoldaten nach sich, und bisher waren die Yabidos noch nie von Soldaten zusammengetrieben und bestraft worden. Es gab andere Mittel, einen Fremden wegzujagen. Man umstellte ihn einfach und zwang ihn zum Rückzug, Die Krieger brachten ihn dann bis zur Grenze ihres Gebietes, und Kotos ältester Sohn, der fließend Französisch sprach und der jede dieser Aktionen leitete, sagte dann zum Abschied: »Komm nie wieder. Sehen wir dich noch einmal, werden die Hyänen fett.«

Das war deutlich genug, und so herrschte immer Ruhe bei Koto und seinem Stamm, und die Regierungsstellen in Dapaong lobten ihn wegen seiner Weisheit. Koto war der beliebteste Häuptling der nördlichsten Region von Togo und erhielt für seinen Stamm alles, was er verlangte, vor allem Zigaretten, Medikamente und moderne Feldarbeitsgeräte, um sein Land zu kultivieren.

Auch Saffa sagte Heßbach nichts von dem Fremden, der immer näher kam. Der Befehl ihres Vaters, den Freund nicht zu beunruhigen, war wie ein Gesetz. Seit zwei Monaten lebte sie jetzt mit Heßbach in einer Hütte, wie eine Ehefrau, die ihn umsorgte, für das Essen arbeitete, seine Wäsche an einem kleinen Nebenarm des Bamoan wusch, und nachts an seine Seite kam, glatt, warm, zärtlich und von einer unvergleichlichen Liebe erfüllt.

Koto duldete es schweigend. Seinen Vorsatz, für seine Lieblingstochter einen überragenden Krieger als Ehemann zu finden, hatte er aufgegeben. Saffa hatte zu ihm gesagt:

»Vater, ich liebe Lothar. Ich werde nie einen anderen Mann lieben als ihn. Er ist ein Weißer … Aber ich liebe nicht die Farbe seiner Haut – ich liebe den Menschen! Auch wir haben weiße Haut.« Und dabei kehrte sie die Handflächen nach oben, die weit heller waren als ihr Körper. Koto gab ihr keine eindeutige Antwort. Zu seinen Söhnen und Saffas Mutter sagte er allerdings:

»Wenn er bei uns bleibt, wird er ein Yabido werden. Geht er wieder weg, wird Saffa nie mehr einen Mann bekommen, denn sie ist ja keine Unberührte mehr. Doch kennt sie ihr Schicksal. Sie wird unter uns leben wie eine Witwe. Seid nicht zornig, meine Söhne, eure Schwester will es nicht anders.«

Für Heßbach war der Konflikt schwieriger. Je länger er mit Saffa zusammenlebte, desto mehr entfernte er sich von seiner Braut. Immer wieder dachte er an Luise, aber die Vorstellung, nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren, sondern in Togo, im Yabido-Land, zu bleiben, bestimmte ihn immer mehr. Mein Deutschland, dachte Heßbach dann. Meine Heimat. Eingeengt von Gesetzen und Vorschriften, regiert von Beamten, die nur Paragraphen kennen. Hier, im Yabido-Land, gilt nur ein Gesetz: Arbeiten, um zu leben, und die Menschenwürde achten. Ein ganz einfaches Gesetz.

Er zog mit den anderen Männern und Frauen des Stammes hinaus in die Bananen- und Baumwollplantagen, arbeitete mit ihnen, aß abends mit ihnen im großen Kreis und war der glücklichste Mensch, wenn er Saffa an seiner Seite spürte, ihren glatten Körper umfing und sie an seiner Schulter einschlief, seine Hand auf ihrer Brust. Dann schrumpfte die Welt für ihn zusammen auf den kleinen Fleck, auf dem seine Rundhütte stand, und dieses kleine Stück Erde war das paradiesischste unter dem weiten Himmel.

Ungefähr fünf Kilometer von Kotos Residenz entfernt, tauchten plötzlich rund um Armand eine Schar Krieger auf, standen auf einmal im hohen Savannengras und zielten mit Speeren und Pfeilen auf ihn. Armand wusste, dass er verspielt hatte, wenn er jetzt nach seiner MP griff und einen Warnschuss in die Luft abgab. Er hielt den Jeep an. Ein stämmiger Yabido, der älteste Sohn Kotos, näherte sich mit erhobenem Speer, ein Zeichen des Friedens. Armand stieg sogar aus seinem Wagen, allerdings die MP in den Händen.

»Monsieur«, sagte der Häuptlingssohn höflich und formvollendet, »Sie dürfen nicht weiter.«

»Warum? Ich komme als Freund.«

»Wer ein Freund ist, bestimmen wir.«

»Das weiß ich.« Armand sah keinen Grund, sich noch besonders zu verstellen. »Mein Freund Lothar Heßbach ist auch euer Freund. Ich will ihn besuchen.«

»Weiß er von Ihrem Kommen?«, fragte Kotos Sohn ahnungslos.

»Nein. Ich möchte ihn überraschen.«

»Wir lieben keine Überraschungen, Monsieur.«

»Dann melden Sie mich bei Monsieur Heßbach an. Ich komme aus Lomé, mit einem Gruß von Dr. Frisenius.«

»Frisenius?« Satou wurde unsicher. »Sie kennen Frisenius, Monsieur?«

»Würde ich sonst einen Gruß von ihm mitbringen? Dr. Frisenius und ich haben uns gut unterhalten und so eine Art Freundschaft geschlossen. Er lässt ausrichten, dass er Togo verlassen hat.«

»Er ist nicht mehr in Lomé?«

»Nein. Er hat eine andere Erde gewählt. Das wird Monsieur Heßbach bestimmt interessieren.«

Satou wurde noch unsicherer. Der Befehl seines Vaters lautete: weg mit dem Fremden. Andererseits war er ein Freund von Dr. Frisenius, dem besten Freund Kotos, und wenn er ihn wegjagte, könnte Koto sehr böse werden. Was also tun? Satou entschloss sich, den Fremden doch mit ins Dorf zu nehmen. Er hatte sicherlich noch mehr von Dr. Frisenius zu erzählen. Koto sollte dann entscheiden, wie es weiterging.

»Ich werde es dem Herrscher berichten«, sagte Satou, noch immer sehr vorsichtig und misstrauisch. »Warten Sie hier, Monsieur.«

Er rief einen Krieger zu sich, gab ihm eine Botschaft an Koto mit, und der Farbige machte sich im Laufschritt auf den Weg, den großen Häuptling zu unterrichten.

Sie warteten zwei Stunden unter der glühenden Sonne, bis der Bote zurückkehrte. Satou hörte sich seinen Bericht an und wandte sich dann an Armand, der bereits sichtbar unter der Hitze litt.

»Wir dürfen zum Herrscher«, sagte Satou höflich. »Ich begleite Sie, Monsieur. Aber die Waffe legen Sie bitte weg. Ein Freund zielt nicht auf einen Freund.«

»Natürlich nicht.« Armand atmete auf. Erreicht! In wenigen Minuten stehe ich Heßbach gegenüber. Sein Leben ist theoretisch schon ausgelöscht. Er stieg in seinen Jeep, ließ Satou auf dem Nebensitz Platz nehmen, legte die MP auf den Hintersitz und startete den Motor. Nach kurzer Zeit war er mit Satou allein in der Savanne.

Den naheliegenden Gedanken, hier in der Einsamkeit, ohne Zeugen, Satou zu liquidieren, verwarf er sofort wieder. Es brachte ihn nicht weiter. Es war einfacher, als Gast zu kommen und Heßbach bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit zu töten. Den Fluchtweg würde er sich dann notfalls freischießen.

Nach ungefähr zwanzig Minuten erreichten sie das Dorf. Dort warteten neue Krieger auf ihn, umringten den Jeep und begleiteten ihn bis zu Kotos »Residenz«. Koto Yabido stand in der Tür, umgeben von seinen Söhnen, und trat einen Schritt vor, als Armand seinen Wagen anhielt.

»Du kommst von meinem Freund Franz?«, fragte er mit seiner tiefen Stimme. »Wie soll ich das glauben?«

»Was wollen Sie als Beweis, Monsieur?« Armand kam näher, gefolgt von Kotos Sohn Satou. Die Anrede »Monsieur« gefiel Koto gar nicht, daran sah er, dass der Fremde nicht unterrichtet war.

»Wo wohnt mein Freund Franz?«, fragte er.

»In Lomé. Rue des Roses …«, antwortete Armand sofort.

»Was hat ihn zu meinem Freund gemacht?«

»Er hat neue Brunnen für Sie gebohrt und die Savanne damit bewässert.«

»Es stimmt.« Koto war zufrieden. »Sei mein Gast. Wie heißt du?«

»Gerard Armand.«

»Gerard … tritt näher. Erzähl mir von Franz. Wie geht es ihm?«

»Er hat keinerlei Sorgen mehr …«

»Das freut mich.«

»Mich auch.« Armand betrat das Haus des Häuptlings. Dort saß Saffa auf einem selbstgewirkten Baumwollteppich und wartete mit Obstsäften und Kaffee auf den Besuch. Armand blieb ruckartig stehen. Eine vergleichbare Schönheit hatte er in ganz Togo noch nicht gesehen.

»Wer ist das?«, fragte Armand und machte Saffa schöne Augen.

»Meine Tochter Saffa, die Frau meines Freundes Lothar.«

Sieh an, sieh an, dachte Armand. Heßbach lebt also nicht wie ein Eremit! So kann man es wirklich in der Einsamkeit aushalten. Genug zu essen und zu trinken, und ein Betthäschen zum Nachtisch. Mein lieber Heßbach, du wirst dich in Kürze davon für immer trennen müssen.

»Lothar?«, fragte Armand und spielte den Erstaunten. »Das ist doch Heßbach, nicht wahr?«

»Er ist es.«

»Ich soll Grüße an ihn von Dr. Frisenius überbringen.«

»Das hat man mir gesagt.« Koto zeigte auf den Teppich. Armand setzte sich und ließ sich von Saffa bedienen. Wenn sie sich zu ihm vorbeugte, kribbelte es ihn in den Fingern, ihre Brüste zu ergreifen.

Er erzählte von Dr. Frisenius lauter erlogene Dinge und fragte dann beiläufig: »Wo ist eigentlich Heßbach?«

»Auf den Feldern«, sagte Koto.

»Was? Er arbeitet auf dem Feld?« Armand war ehrlich verblüfft.

»Er wird ein Yabido«, sagte Koto stolz. »Er wird Saffa zur Frau nehmen. Er ist ein guter Mensch.«

Ein jetzt schon toter Mensch ist er, dachte Armand nüchtern. Er wird kaum Gelegenheit haben, das schöne Häschen zu heiraten. So viel Zeit bleibt ihm nicht mehr. Zwei, drei Tage kann er noch in ihren Armen liegen und ihren Körper genießen, dann ist Schluss, mein lieber Heßbach. Ich muss die Erledigung meines Auftrags melden. Es geht ja auch um mein Ansehen und meine Zukunft.

Er trank den Kaffee, eine ziemlich starke, heiße Brühe, und aß etwas von dem geschmacklosen Gebäck aus wildem Weizen. Dabei erzählte er weiter aus Lomé.

Am Abend dann stand er endlich Heßbach gegenüber. Er erkannte ihn sofort, obwohl er brauner geworden war und sichtlich kräftiger. Das Leben bei den Yabidos schien ihm zu bekommen.

»Sie wollten mich sprechen?«, fragte Heßbach knapp. Saffa stand hinter ihm, in einem Wickelkleid aus einem bunten Baumwollstoff. Sie hatte den Busen bedeckt und die langen Haare, bis zur Schulter fallend, in kleine Zöpfe geflochten. Sie sieht hinreißend aus, sagten Armands Blicke. So lässt sich leben, Heßbach, nur leider ist das Leben vorbei.

»Ich bin Gerard Armand«, sagte er. »Ein guter Bekannter von Dr. Frisenius. Ich komme aus Lomé und soll Ihnen herzliche Grüße bestellen. Dr. Frisenius musste plötzlich Togo verlassen. Eine andere, unaufschiebbare Arbeit wartete auf ihn. Das sollte ich Ihnen sagen.«

»Ich danke Ihnen, Monsieur Armand. Sie bleiben länger im Land?«

»Nicht länger als notwendig. Ich nehme an, in spätestens 3 Tagen fliege ich wieder zurück nach Lomé. Ich bin nur hier heraufgekommen, um Ihnen die Grüße zu überbringen.«

»Das finde ich großartig!«, sagte Heßbach ohne jeden Argwohn Wer von Frisenius kam, war ohne Fehl. »Ich hoffe, Sie fühlen sich bei uns wohl.«

Er sagte ›bei uns‹, und er meinte es auch so. Er empfand keine Sehnsucht mehr nach Deutschland.

»Sicherlich. Die paar Tage schon …« Armand lächelte freundlich. »Sie wollen hierbleiben?«

»Ja.« Heßbach wandte sich um und legte seinen Arm um Saffas Taille. »Ich habe hier meine Frau gefunden.«

»Beneidenswert.« Armand strahlte Saffa an. »Mein Kompliment, Monsieur … Ihre Frau ist eine der schönsten, die ich bisher gesehen habe.«

»Das stimmt. So ein Glück hat man im Leben nur einmal …« Und leider kurz, dachte Armand ohne den leisesten Skrupel. Nutz die Zeit, Heßbach, liebe sie bis zum Exzess, friss sie auf, denn das Glück ist eine verschwenderische Hure. Sie kommt mit schillerndem Glanz und verlässt dich als einen vom Überschwang Zerfressenen. Heßbach, nimm Abschied von Saffa, dem zärtlichen Kätzchen …

In der Nacht kroch Saffa wieder in Heßbachs Arme und schmiegte sich ganz eng an ihn, schlang die Arme um seinen Hals und die Beine um seinen Körper.

»Mir gefällt der Fremde nicht«, sagte sie und küsste ihn immer wieder. »Er hat einen bösen Blick.«

Heßbach lachte leise. Auch er hatte Armands Blicke bemerkt und sie richtig gedeutet. »Er bewundert dich«, sagte er, »seine Blicke sind Spiegel deiner Schönheit.«

»Er soll mich nicht so ansehen – ich gehöre dir …«

»Er bleibt ja nur drei Tage.«

»Dann will ich ihn drei Tage lang nicht sehen.«

»Das kannst du nicht, Saffa. Er ist ein Gast.«

»Ich habe ihn nicht gerufen.«

»Armand ist ein Freund von Dr. Frisenius.«

»Das glaube ich nicht.«

»Dein Vater hat ihn mit Fragen geprüft. Seine Antworten waren alle richtig.«

»Ich mag ihn nicht.« Sie legte das Gesicht auf seine Schulter und küsste seine Halsbeuge. »Auch sein Mund gefällt mir nicht.«

»Kein Mensch ist vollkommen.« Heßbach lachte wieder.

Sie biss ihm in die Schulter, und dann liebten sie sich, als sei es das erste Mal, dass sie ihre Leidenschaft entdeckten.

Zwei Tage war Armand im Dorf der Yabidos, als er die Gelegenheit fand, auf die er seit Monaten gewartet hatte.