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Tischlein deck dich!


Tischlein deck dich!

Alte Märchen - neu verputzt
1. Auflage

von: Klaus Möckel

5,99 €

Verlag: Edition Digital
Format: PDF
Veröffentl.: 16.10.2012
ISBN/EAN: 9783863948368
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 123

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Als der Autor sich seinerzeit daran machte, altbekannte Märchen mit List und etwas Tücke für die Gegenwart herzurichten, unterschieden sich, wie man vielleicht noch weiß, die Verhältnisse in einem Teil Deutschlands erheblich von den derzeitigen. Wer hat es heutzutage noch mit LPG-Bauern, einem VEB Holzkohle, einem Auto namens Shiguli zu tun? Die Kombinatsleiter sind Manager geworden, die Werktätigen Arbeitnehmer. Die Planwirtschaft, die damals alles beherrschte, hat sich erledigt, aber der Euro, der nun alles beherrscht, braucht einen Rettungsschirm. "Wie viele Märchen bekommt man heute erzählt, bei denen von vornherein klar ist: Sie werden nicht die Jahrhunderte überdauern", schrieb Möckel in seinem Buch. Wer will behaupten, dass dieser Satz nicht mehr gilt?
Auch wenn einiges heutzutage nicht mehr zutrifft - anderes beunruhigt uns umso mehr. Der Vergleich zwischen früher und jetzt, den der Leser beim Blättern in "Tischlein deck dich!", "Rotkäppchen", dem "Froschkönig", "Hans im Glück" und all den anderen Märchen immer wieder verwundert zieht, regt zum Schmunzeln und Nachdenken an. Zu alldem aber wird uns in diesem heiter-bissigen Büchlein auf kurzweilige Art der Spiegel vor Augen gehalten.

INHALT:
Zur Bastelei an alten Märchen
Tischlein deck dich!
Der fette und der magere Lollus
Schlaraffenland
Von dem Fischer un syner Fru
Der Geist in der Flasche
Hans im Glück
Der Riese und der Schneider
Der Schneider im Himmel
Der Froschkönig
Vogel Wegerich
Hirsedieb
Frau Holle
Das Bürle im Himmel
Die Prinzessin auf der Erbse
Rotkäppchen
Die Bremer Stadtmusikanten
Der alte Mann mit dem Rucksack
Der Fuchs und die Gänse
Sechse kommen um die ganze Welt
Zwölf mit der Post

Zur Bastelei an alten Märchen
Tischlein deck dich!
Der fette und der magere Lollus
Schlaraffenland
Von dem Fischer un syner Fru
Der Geist in der Flasche
Hans im Glück
Der Riese und der Schneider
Der Schneider im Himmel
Der Froschkönig
Vogel Wegerich
Hirsedieb
Frau Holle
Das Bürle im Himmel
Die Prinzessin auf der Erbse
Rotkäppchen
Die Bremer Stadtmusikanten
Der alte Mann mit dem Rucksack
Der Fuchs und die Gänse
Sechse kommen um die ganze Welt
Zwölf mit der Post


Klaus Möckel, der am 4. August 1934 im sächsischen Kirchberg geboren wurde, erlernte zunächst den Beruf eines Werkzeugschlossers, studierte später in Leipzig Romanistik und arbeitete anschließend als wissenschaftlicher Assistent an der Universität Jena. Danach war er als Lektor für romanische Literatur in Berlin tätig. Beim Verlag Volk und Welt machte er sich bald einen Namen als Herausgeber, Übersetzer und Nachdichter vor allem moderner französischer Dichter. Seine 1963 veröffentlichte Dissertation hatte Möckel über den Autor des Kleinen Prinzen geschrieben: „Die Rolle der bürgerlichen Gesellschaft bei der Herausbildung von Antoine de Saint-Exupérys Weltanschauung“. Seit 1969 arbeitet der Schriftsteller, Herausgeber und Übersetzer als freier Autor. Seither veröffentlichte er fast 50 Bücher: Spannende Krimis, anspruchsvolle Science-Fiction-Bücher, sehr gut recherchierte historische Romane, einfühlsame Lebensberichte und wunderschöne Kinderbücher, darunter Erfolgstitel wie „Hoffnung für Dan“ und „Die Gespielinnen des Königs“ sowie die literarischen Vorlagen für die Polizeiruf-110-Folgen „Drei Flaschen Tokaier“ und „Variante Tramper“. Hinzu kommen 14 Herausgaben und 19 Übersetzungen aus dem Französischen, Spanischen und Russischen. Möckel arbeitete häufig, vor allem bei Übersetzungen, mit seiner Frau Aljonna Möckel zusammen und verfasste gemeinsam mit ihr unter dem Pseudonym Nikolai Bachnow mehrere Fortsetzungsbände zu den Märchenromanen Alexander Wolkows wie „Die unsichtbaren Fürsten“ und „Der Hexer aus dem Kupferwald“.
Tischlein deck dich!
Vor Zeiten lebte ein Mann, der drei Söhne hatte und nur eine Benzinkutsche. Die aber war sein liebstes Gut, und er behandelte sie besser als seine Frau. An einem Wochenende sprach er zu seinem ältesten Sohn: "Putz mir den Skoda, und zwar so, dass ich kein Fleckchen mehr dran sehe."
Der Sohn ging auch, obgleich etwas murrend, hinaus und reinigte das Auto nach allen Regeln der Kunst. Zum Schluss fragte er: "Na, Wägelchen, bist du schön sauber?"
Das Auto erwiderte: "Besten Dank,
War selten so blank, hepp, hepp!"
Da glaubte der Bursche seine Arbeit getan. Als sich der Vater jedoch ein paar Stunden später am Anblick des frisch gewaschenen Wagens laben wollte und fragte: "Nun, liebes Auto, bist du gut geputzt?", antwortete der Skoda:
"Du musst doch krank sein,
Wie sollt ich denn blank sein,
Mal drübergewischt
Und weiter nischt!"
"Was muss ich hören!", rief der Vater, der sofort hundert Streifen und Flecke im Lack zu entdecken glaubte, ging ins Haus und schimpfte mit dem Burschen. Und weil der mit gleicher Münze zurückzahlte, zankten sie sich so sehr, dass der Junge wenige Tage später die Familie verließ und sich in der nächsten Stadt Arbeit und ein Dach überm Kopf suchte.
Vierzehn Tage später war der zweite Sohn mit Autowaschen dran, und es gab dasselbe Theater.
"Besten Dank,
War selten so blank, hepp, hepp!",
rief der Skoda, und später, als Antwort auf des Vaters Frage:
"Du musst doch krank sein,
Wie sollt ich denn blank sein,
Mal drübergewischt
Und weiter nischt!"
Da kam es denn zum Streit zwischen dem Vater und dem zweiten Sohn, und auch dieser verließ das Haus. Als das Gleiche schließlich noch mit dem dritten Sohn passiert war und die Frau dem Mann Tyrannei und Affenliebe zu einem toten Gegenstand vorwarf, der ihm mehr bedeute als die Kinder, wurde der Vater stutzig und wusch den Wagen selbst.
"Besten Dank,
War selten so blank, hepp, hepp!",
sagte der Skoda zunächst, eine Stunde später aber schrie er:
"Du musst doch krank sein,
Wie sollt ich denn blank sein ..."
Da erfasste den Mann die kalte Wut, und er gab dem Auto einen gewaltigen Tritt. Dabei brach er sich den großen Zeh, aber das war wirklich nur eine geringe Strafe für seinen Starrsinn und seine Dummheit.
Nun hätte der Vater gern seine Söhne zurückgerufen, doch er wusste ihre Adressen nicht. Es blieb ihm deshalb nichts anderes übrig als abzuwarten. So vergingen einige Jahre. Eines Tages jedoch kündigte der Älteste seine Rückkehr an. Er hatte in einem Textilkombinat gearbeitet und würde, wie er schrieb, eine einzigartige Neuentwicklung mitbringen. Aber dazu kam es nicht, die Umstände hatten sich gegen ihn verschworen. Es handelte sich bei der Erfindung um ein Spezitexgewebe, das, wenn man es über einen Tisch breitete und "Tischlein, deck dich!" rief, umgehend die schönsten Speisen und Getränke herbeizauberte. Mit diesem Tuch hätte der Bursche zu Hause durchaus Ehre eingelegt, wäre er nicht am Abend vor seiner Abreise noch im Restaurant "Weinkeller" eingekehrt. Dort wollte man ihm nämlich eine halbe Stunde vor Küchenschluss nichts mehr zu essen geben, und da half er sich kurzerhand mit der Tischdecke aus. Der Objektleiter, der das mitbekam, witterte eine große Chance für sich. Nie mehr würde er seinen Gästen Kochfleisch als Rinderfilet unterjubeln und zerkleinertes Schnitzel als Schweinelendchen servieren müssen, wenn er einen Hunderter für die eigene Tasche erwirtschaften wollte. Ein Tischtuch, das dem Zauberding zum Verwechseln ähnlich sah, hatte er im Wäscheschrank. Die beiden Stücke auszutauschen, als der Bursche einmal zur Toilette ging, war für ihn ein Kinderspiel. So kam es, dass der älteste Sohn zwar mit einem Tüchlein zum Vater zurückkehrte, sich aber ganz schrecklich blamierte, als er sein Kunststück vorführen wollte.
Der zweite Sohn hatte in einem Fahrradwerk gearbeitet und wollte nun gleichfalls nach Hause. Auch er hatte eine Neuentwicklung im Besitz, einen schicken Drahtesel. Wenn man dem ein "Esel, streck dich!" zurief und dazu die Klingel betätigte, sprangen die Zehnmarkstücke nur so auf dem Asphalt herum. Wollte man's nicht so auffällig machen, konnte man auch Fünfzigmarkscheine aus der Lenkstange ziehen.
Das Unglück brachte es mit sich, dass der Bursche am Abend vor seiner Abreise dieselbe HO-Gaststätte aufsuchte wie sein Bruder. Er dachte, sich für die letzte Nacht noch eine flotte Puppe zu angeln. Das gelang ihm nicht - er schaffte es nur, sich sinnlos zu betrinken. Auch hatte er, als es ans Bezahlen ging, nicht genügend Scheine in der Brieftasche. Doch dem ließ sich ja abhelfen. Er wankte zu seinem Rad, das er vorsichtshalber doppelt angeschlossen hatte, und brabbelte seinen Zauberspruch. Donnerwetter, sagte sich der Objektleiter, der ihm vor die Tür gefolgt war, da brauchtest du ja nie mehr "Auslese" für sowjetischen Kognak auszugeben, nie Orangenjuice mit Wasser zu verdünnen. Gedacht, getan - während der andere an der Bar einen letzten Whisky pur kippte, vertauschte er das Rad mitsamt dem Ständer, an dem es hing. Und geprellt wie sein Bruder kam der Bursche zu Hause an.
Endlich meldete auch der dritte Sohn seine Heimkehr an, und die beiden älteren konnten nur noch eins tun: ihn vor dem betrügerischen Gaststättenleiter warnen. Denn dass sie im "Weinkeller" geprellt worden waren, hatten sie inzwischen begriffen. Klar, dass der Jüngste sich dorthin aufmachte, als er das Telegramm der Brüder erhielt. Er hatte in einem Werk gearbeitet, wo Haushaltgeräte aus Plast hergestellt wurden, und nannte wie die anderen eine Neuheit sein eigen. Einen Fleischklopfer, der die Eigenschaft besaß, auf den Ruf "Knüppel, aus dem Sack!" jegliches Fleisch zu bearbeiten, das ihm zugewiesen wurde. In der verdächtigen Gaststätte angelangt, bestellte der Bursche den besten Sekt und legte den Fleischklopfer, der hübsch rot und weiß gestreift war, so auffällig wie möglich vor sich auf den Tisch. Der Objektleiter, der sich mittlerweile an Gäste mit Wunderdingen gewöhnt hatte, trat auch gleich hinzu. "Sie haben da wohl einen kleinen Zauberstab, junger Freund?", sagte er scherzend.
"Ganz recht, einen Zauberstab!"
"So, und was stellt man mit ihm an?"
"Das wirst du gleich sehen, Spitzbube!", rief der Bursche, der sich nicht länger zurückhalten konnte, "Knüppel, aus dem Sack!"
Da sprang der Klopfer vom Tisch und machte sich vor den erstaunten Gästen und Serviererinnen über den Objektleiter her, dass der nicht mehr wusste, wo unten und oben war. "Was soll das heißen, was hab ich dir getan?", schrie der Geprügelte. "Ruf ihn zurück, er wird mich noch umbringen!"
"Erst wenn du herausrückst, was du meinen Brüdern gestohlen hast - du weißt Bescheid."
"Alles geb ich zurück, alles!" Der Bursche rief den Klopfer zurück; der Objektleiter, braun und blau geschlagen, holte Tuch und Drahtesel und händigte beides dem Gesellen aus. Auch bat er die Gäste, die sich einmischen wollten, händeringend, nicht nach der Polizei zu telefonieren.
"Das lass dir eine Lehre sein", sagte der Bursche und brachte die drei Wunderdinge am nächsten Tag seinen Brüdern und Eltern. Die sich freilich nicht lange daran erfreuen konnten - wie oft bei solchen Neuentwicklungen, stellten sich bald ernsthafte Mängel ein. Das Tuch servierte nur noch Abfälle, das Fahrrad produzierte Schuldscheine, der Klopfer wandte sich gegen den eigenen Herrn. Ein Glück, denn sonst wäre der älteste Sohn womöglich noch ein Vielfraß, der mittlere ein Falschmünzer und der jüngste ein Radaubruder geworden.

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